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Rudolf X. Ruter ist Experte für Corporate Governance und Nachhaltigkeit. (Foto: privat)
Nachgefragt bei Rudolf X. Ruter

„Ein erfolgreiches Aufsichtsgremium arbeitet immer im Team“

ESV-Redaktion Management und Wirtschaft
28.05.2021
Ein Engagement in einem Beirat oder Aufsichtsrat sehen viele als Höhepunkt einer beruflichen Karriere. Wer sich für ein Mandat ins Gespräch bringen will, sollte sich aber aller Konsequenzen bewusst sein, die ein solcher Posten mit sich bringt. Beiratsexperte Rudolf X. Ruter spricht im Interview mit ESV-Redakteur Wolfhart Fabarius über die wichtigsten Erfolgsfaktoren.

Lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews.

Es kann vorteilhaft sein, wenn ein neuer Aufsichtsrat zuvor Teil der Geschäftsführung oder des Vorstands war und das Unternehmen sehr gut kennt. Es kann aber sinnvoller sein, einen externen Experten zu bestellen, der eventuell unbefangener an die Sache herangeht und neue Impulse setzt. Welche Rolle spielt die Außenwahrnehmung bei der Besetzung eines Aufsichtsrats?

Rudolf X. Ruter: Die Außenwahrnehmung ist völlig uninteressant. Berufung und Bestellungen erfolgen im Interesse des Unternehmens und nicht im Interesse der Öffentlichkeit. Allenfalls bei öffentlichen Unternehmen versucht die Politik gelegentlich, durch Augenwischerei und Vorgaukeln von Expertise von den wahren Problemen abzulenken.

Sehen Sie die Rolle eines Aufsichtsrats nach der aktuellen Rechtslage hinreichend und angemessen definiert? Oder wo bestehen Ihrer Ansicht nach noch Defizite und Klärungsbedarf?

Rudolf X. Ruter: Es gibt zahlreiche rechtliche Webfehler und Löcher im Kleid der juristischen Governance. Derzeit erarbeitet eine Initiative zur Unterstützung und Professionalisierung von Aufsichtsräten als „Arbeitskreis Recht des Aufsichtsrats“ Vorschläge zur Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingen. Das betrifft speziell die Aspekte Unabhängigkeit, Integrität, Interessenskonflikte, Aufgaben und Befugnisse und persönliche Voraussetzungen.

Ebenfalls ein wichtiges Thema ist die zeitliche Verfügbarkeit. Wie viel Zeit nimmt ein Aufsichtsratsmandat typischerweise in Anspruch?

Rudolf X. Ruter: Sehr viel. Oft unterschätzen Kandidaten den Zeitbedarf für ein Mandat. Die Liste der Aktivitäten ist lang: Persönliche Vorbereitung der Sitzungsteilnahme, die Sitzungsteilnahme selbst, deren Nachbereitung, die zwischenzeitliche Verfügbarkeit insbesondere in Krisensituationen und die Kommunikation mit den Gremiumskollegen. Auch die bereits angesprochenen Fort- und Weiterbildungen erfordern einen großen Aufwand. Der Zeitbedarf hängt maßgeblich von der Sitzungsfrequenz ab. Vorbildliche Gremien tagen sechs- bis achtmal pro Jahr, in Ausnahmefällen noch öfter. Das kann bei einem Mandat schnell zwei bis drei Arbeitsmonate bedeuten. Für einen Aufsichtsratsvorsitz kann sich der Aufwand auf bis zu 60 Tage im Jahr summieren.

Wie schätzen Sie die Problematik von Mehrfachmandaten ein? Eher gut, weil dadurch der Erfahrungsschatz wächst? Oder eher schlecht, weil nicht genug Zeit für die notwendige Sorgfalt bleibt?

Rudolf X. Ruter: Zehn Mandate sind deutlich zuviel. Das trifft insbesondere dann zu, wenn der Mandatsträger noch in operativer Verantwortung als Vorstand oder Geschäftsführer steht.

Läuft auf dem Weg zum möglichen Beiratsposten ein vergleichbares Prozedere ab wie bei werdenden Aufsichtsräten?

Rudolf X. Ruter: Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats sind im Gesetz geregelt. Der Beirat ist rein fakultativ. Trotzdem gibt es bei der Berufung, Bestellung und bei den Rechten und Pflichten in der Regel keinen Unterschied.

Was muss ich als Beirat alles mitbringen, um hinreichend auf den Posten vorbereitet zu sein?

Rudolf X. Ruter: Auch hier gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei einem Aufsichtsrat. Wissen und Erfahrung reichen nicht. Persönlichkeit und Charakter sind entscheidend. Personen mit viel Wissen und erfolgreicher Erfahrung müssen nicht unbedingt auch gute Beiräte oder Aufsichtsräte sein. Wissen und Erfahrung ohne Charakter und ohne eine Sinn- und Werte-Orientierung sind sogar gefährlich.

Was ist bei Beiräten stärker gefragt: Kompetenz oder die Reputation? Reflexartig würde man wohl die Kompetenz nennen. Aber hier geht es ja auch um die Außenwirkung.

Rudolf X. Ruter: Auch hier ist die Außenwirkung irrelevant. Es ist schwerer, Vorstand zu werden als Aufsichtsrat, denn für einen Aufsichtsrat benötigt man neben Persönlichkeit, Charakter, Haltung und Fachwissen keine Reputation oder Integrität. Die Bestellungshemmnisse des § 76 AktG gelten für Aufsichtsräte und Beiräte rechtlich nicht. Die Praxis fragt mehr nach gesellschaftlichem Status und guten Manieren.

Wie ist es in der Regel um die Vernetzung von Mitgliedern innerhalb eines Beirats bestellt? Gibt es regen Austausch? Kann man auf die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen im Beirat zählen? Oder ist man eher Einzelkämpfer?

Rudolf X. Ruter: Ein erfolgreiches Aufsichtsgremium arbeitet immer im Team. Die Einzelkompetenzen aller Mitglieder ergeben zusammen die erforderliche Gruppenkompetenz zur optimalen Bestellung, Überwachung und Beratung des Vorstands. Wer sich nicht im Interesse des Unternehmens integrieren kann, keine Konflikt- und Komplementärfähigkeiten hat, ist fehl am Platze und sollte sein Amt niederlegen.

Welche Rolle spielen Interessenskonflikte in Beiräten, beispielsweise wenn von mindestens zwei Gruppen mit konträr zueinanderstehenden Interessen Mitglieder entsandt werden?

Rudolf X. Ruter: Grundsätzlich sollten Mitglieder von Aufsichtsgremien unabhängig und frei von Interessenskonflikten sein. Dies gilt auch für entsandte Mitglieder. Auch sie sollten ausschließlich das Wohl und die Entwicklung des Unternehmens im Blick haben. Ehrbare Beiräte und Aufsichtsräte müssen sich selbst reflektieren können. Sie müssen fähig sein, Entscheidungen zu überdenken und notfalls Prozesse zu unterbrechen. Das erfordert emotionale, materielle und persönliche Unabhängigkeit, um ungestraft Kritik an bestehenden Verhältnissen und agierenden Personen aussprechen zu können, im Zweifel auch gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden, Aktionären und Investoren.

Rudolf X. Ruter

Als Experte für Nachhaltigkeit und Corporate Governance beschäftigt sich Rudolf X. Ruter seit knapp vier Jahrzehnten verstärkt mit Ethik und Ehrbarkeit in der Wirtschaft. Nach seiner Tätigkeit als Gesellschafter und Geschäftsführer bei Arthur Andersen baute er als Partner bei Ernst & Young den Geschäftsbereich Nachhaltigkeit in Deutschland auf. Er hat zahlreiche Fachartikel u. a. zum Thema Nachhaltigkeit, Corporate Governance, Compliance, AR/Beiräte und Unternehmensführung veröffentlicht.

Wie lassen sich mögliche Konflikte lösen?

Rudolf X. Ruter: Durch Offenheit, Transparenz und eine positive Diskussions- und Streitkultur zum Wohle des Unternehmens und nicht zum Wohle des eigenen Egos. Gesellschafterkonflikte sollten im Gesellschafterkreis gelöst werden. Es lässt sich auch ein Mediator hinzuziehen, um schließlich die Lösung dem Aufsichtsgremium zur Umsetzung zu übermitteln.

Welchen übergreifenden Tipp können Sie Mitgliedern von Aufsichtsgremien mit auf den Weg geben, um die wachsenden Herausforderungen zu meistern?

Rudolf X. Ruter: Neues Denken ist gefragt. Frühere Erfolgsrezepte greifen nicht mehr. Deshalb braucht es in den obersten Führungspositionen und insbesondere in den Aufsichtsgremien innovative Vorgehensweisen. Dies bedingt eine vorausschauende und disruptive Geisteshaltung. Mann oder Frau muss kein IT-Experte oder Digital Native sein, um den künftigen Anforderungen auf Augenhöhe zu begegnen – auch wenn Digitalisierung und Künstliche Intelligenz bei vielen Prozessveränderungen dominieren. Innovation und Disruption sind eine Geisteshaltung – genauso wie die Begeisterung für Neues, um sich bietende Chancen zu nutzen.

Lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews.

Wie Sie Beirat oder Aufsichtsrat werden

Autor: Dipl.-Ökonom Rudolf X. Ruter

Sich als Beirat oder Aufsichtsrat zu empfehlen, ist der Höhepunkt jeder beruflichen Karriere. Doch wie kommt man zur besonderen Ehre und Bestätigung, für diese Aufgabe berufen zu werden? Wie man sich für ein Mandat aktiv ins Gespräch bringen kann, zeigt Ihnen Rudolf X. Ruter in der rundum aktualisierten 2. Auflage seines viel beachteten Ratgebers.

  • Voraussetzungen und Rahmenbedingungen: Warum, wo und wann möchte man Mitglied eines Aufsichtsgremiums werden?
  • Fachliche und persönliche Qualifikationen, auch in realistischer Selbsteinschätzung
  • Entscheidungsprozesse und Networking: Wie Besetzungen ablaufen und welche Initiativen Eignung vermitteln
  • Strategien und Erfolgsfaktoren: Warum die Kombination „wissen – können – wollen – dürfen – warten“ immer zum Ziel führt

Ein erstklassiger Projektleitfaden, der das „Unternehmen Mandatsgewinn“ mit viel Erfahrungswissen, ehrlichem Rat und einer guten Prise Humor begleitet.


(ESV, fab)

Programmbereich: Management und Wirtschaft