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Typisch lateinamerikanische Muster: Die Vielfalt Lateinamerikas wird in den Farben wie in den Sprachen deutlich (Foto: Fotolia / IrynaV)
Kurioses aus der Lexik: Entlehnungen aus den amerindischen Sprachen

„Ich hätte gerne den Drehtabak da und eine Tafel Schokolade“ – Amerindische Lehnwörter im Deutschen

ESV Redaktion Philologie
17.09.2019
Es vergeht kaum ein Tag, an dem man diese Wörter nicht liest oder sagt: Schokolade, Kakao und, vor allem seit den aktuellen Vorkommnissen in der Karibik und Nordamerika, Hurricane. Doch welche Sprachen sind es, denen wir diese und viele weitere Wörter zu verdanken haben?
Sprachen werden von vielen Forschern als lebendige Organismen angesehen, was bedeutet, dass sie sich anpassen und sich natürlich auch Elemente abgucken, die ihr Fortbestehen garantieren. Lehnwörter sind eins dieser Mittel: Wenn etwas Neues in der deutschsprachigen Welt auftaucht, braucht man natürlich ein Wort, um es zu bezeichnen. Nicht selten werden dabei Wörter aus anderen Sprachen übernommen, die jedoch lautlich und orthographisch an die übernehmende Sprache angepasst werden. In der heutigen globalen Welt, in der die berühmtesten Schokoladen aus Belgien und der Schweiz kommen, in der die USA jährlich von Hurricanes heimgesucht werden und in der die Pizza Hawaii in Kanada erfunden wurde, sei den Sprechern verziehen, die den Ursprung der Begriffe dort verorten, wo sie kulturell von Bedeutung sind. Dabei kommt Schokolade aus dem Nahuatl, Hurricane aus dem Taíno und Ananas aus dem Guaraní, ergo: alles indigene Sprachen in Gebieten des heutigen Lateinamerika. Somit wurde die dortige Verbreitung des Spanischen zur Tür, durch die diese Wörter nach Europa und somit nach Deutschland gelangten.

Einfluss der amerindischen Sprachen auf das Spanische

Das Spanische in Amerika war vielfältigen Einflüssen durch die einheimischen indigenen Sprachen ausgesetzt und ist es z. T. noch heute. Diese Einflüsse betreffen unbestritten vor allem den Wortschatz, wobei allgemein verbreitete und auch in das europäische Spanisch eingegangene Wörter von denen zu unterscheiden sind, die in Hispanoamerika nur regional auftreten, dort jedoch viel zahlreicher sind als die erstgenannte Kategorie. [...] Der Lehnwortschatz indigener Herkunft besteht naturgemäß vor allem aus Bezeichnungen der einheimischen Fauna, Flora und Landschaftsformen. Dieses Adstrat geht weniger auf den direkten Kontakt der spanischen Siedler mit den Eingeborenen als vielmehr auf den Einfluss der lenguas generales zurück. Damit sind die großen Sprachen Nahuatl, Otomí (Mexiko), Maya, Guaraní, Quechua, Aimara und Mapuche gemeint (siehe IV.11.4.2), die in der Indianermission im 16. und 17. Jh. kodifiziert, d. h. in Grammatiken und Wörterbüchern beschrieben wurden und so z. T. zu einer weiteren Verbreitung dieser Sprachen beitrugen, als sie vor der spanischen Eroberung gehabt hatten. Außer dem Taíno, mit dem die Spanier in der Karibik zuerst in Berührung kamen und das dann vor der Institution der lenguas generales ausstarb, gehen alle weit verbreiteten indigenen Entlehnungen auf eine der genannten Sprachen zurück.
Bei diesen Idiomen, die Einflüsse auf das Spanische ausgeübt haben, denkt man zunächst an die großen, weit verbreiteten Sprachen des Hochlandes und damit die der alten Hochkulturen, also Quechua im zentralen und nördlichen Andenraum sowie Nahuatl, die Sprache der Azteken und ihrer Nachkommen. Neben dem Taíno der Großen Antillen ist das Guaraní in Paraguay zu nennen, das der Jesuitenmission seit dem 16. Jh. als Verkehrssprache auch mit anderen Indiostämmen im La-Plata-Gebiet und in Südbrasilien diente [...].

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Sprachkontakt durch Mittelmänner

Die Berührung zwischen indigener Sprache und Spanisch geschah häufig nicht direkt, sondern durch zweisprachige Mestizen, die in den Häusern der Weißen verkehrten. [...] In anderer Hinsicht ist aber zwischen dem Spanischen der städtischen Zentren und dem der criollos auf dem Lande zu unterscheiden. Die criollos, also Nachkommen der Einwanderer (Weiße, aber auch aus Afrika stammende Bevölkerung), hatten in abgelegenen Gegenden häufig ein kaum über den Indios stehendes Zivilisationsniveau und pflegten daher auch häufig besonders engen Kontakt mit den Autochthonen und ihren Sprachen. Aus dem Blickwinkel der Städter wurde dieser ländliche Sprachgebrauch immer kritisiert. Es ist in der ganzen Kolonialgeschichte übrigens auffällig, dass sich eher die Weißen um die Kenntnis der amerindischen Sprachen – wenn auch nur einiger und häufig in pidginisierter Form – bemühten als die Indios um das Spanische. Erst heute gibt es unter der indigenen Bevölkerung kaum noch Einsprachige.

Turbulente Jahre der Sprachpolitik

Zu Beginn der Kolonialzeit hatte man auf den Großen Antillen noch versucht, die Indios im Spanischen zu unterweisen. In den Festlandgebieten erfolgte die Missionierung im Zuge einer teilweise widersprüchlichen Sprachpolitik der spanischen Krone dann vorwiegend in den amerindischen Sprachen. 1580 verfügte Philipp II., dass Priester die jeweilige lokale amerindische Sprache oder lengua general beherrschen sollten. 1690 wurde allerdings festgelegt, dass für die Übernahme eines öffentlichen Amtes wie z. B. das eines Gemeinderates die Kenntnis des Spanischen Voraussetzung sein sollte. Im 18. Jh. wollte man schließlich dem Spanischen zum Durchbruch verhelfen, als Karl III. in der Cédula de Aranjuez 1770 gar die Auslöschung amerindischen Sprachen zum Ziel erklärte. Vorausgegangen war 1767 die Verbannung der Jesuiten aus Hispanoamerika, die sich vor allem in Paraguay und Nordostargentinien in erklärten Schutzgebieten (reducciones) um die Eingeborenen und deren Unterweisung in Guaraní bemüht hatten. Zu Beginn der Unabhängigkeitsbewegungen in Hispanoamerika (um 1810) gab es nichtsdestoweniger immer noch mehr Sprecher amerindischer Sprachen als Sprecher des Spanischen. Bis heute ist der Prozess der Hispanisierung nicht abgeschlossen.

Falls Sie nun daran interessiert sind, mehr über die meist doch unbekannten amerindischen Sprachen, ihren Wechselwirkungen mit dem Spanischen, seiner Diachronie und seines synchronen Aufbaus zu erfahren, empfehlen wir Ihnen die eben zitierte Einführung in die spanische Sprachwissenschaft von Wolf Dietrich und Volker Noll.

Die Autoren
Wolf Dietrich ist emeritierter Professor für Romanische Philologie an der Universität Münster. Seine Forschungsschwerpunkte sind die synchron beschreibende Sprachwissenschaft sowie die Bereiche Sprachkontakt und Sprachgeschichte.
Volker Noll ist Professor für Romanische Sprachwissenschaft und ebenfalls an der Universität Münster tätig. Seine Schwerpunkte sind unter anderen das amerikanische Spanisch und sprachhistorische Fragestellungen.

Einführung in die spanische Sprachwissenschaft: Ein Lehr- und Arbeitsbuch
Von Wolf Dietrich und Volker Noll

Diese Einführung ermöglicht einen sicheren und gründlichen Einstieg in den sprachwissenschaftlichen Teil des Spanischstudiums, der sich sowohl für das Bachelor-Studium als auch für weitergehende Ansprüche in den Masterstudiengängen eignet.

Das Buch bietet einen Überblick über das Spanische als romanische Sprache und seine Verbreitung in der Welt, es erörtert Grundbegriffe der allgemeinen Sprachwissenschaft, verfolgt zentrale Fragestellungen in ihrer Geschichte und stellt die wichtigsten sprachlichen Phänomene des Spanischen von heute vor.

Weitere Themengebiete sind die Entwicklung des Spanischen in Europa und die Herausbildung des amerikanischen Spanisch.

Zu allen Bereichen werden bibliographische Hinweise sowie Übungsanregungen zur selbständigen Bearbeitung geboten, die eine gezielte Vertiefung des Stoffes ermöglichen. Für die Neuauflage wurde der Band aktualisiert sowie inhaltlich erweitert.

Programmbereich: Romanistik