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Experte für Vereinsrecht: Michael Röcken (Foto: privat)
Vereinsrecht

„Vorstände können per Satzung ihr eigenes Recht schaffen“

ESV-Redaktion Recht
23.03.2016
Vereine sind in den verschiedensten Lebensbereichen aktiv und prägen die deutsche Gesellschaft. Doch oft werden im Vereinsleben rechtliche Gestaltungsspielräume nicht ausreichend genutzt, meint der auf Vereinsrecht spezialisierte Rechtsanwalt Michael Röcken im Interview mit der ESV-Redaktion.

Herr Röcken, es gibt etwa 580.000 Vereine in Deutschland. Werden wir Deutsche daher zu Recht als „Vereinsmeier“ bezeichnet?


Michael Röcken: Ja, das ist durchaus ein deutsches Phänomen, dass sich so viele Menschen in Vereinen engagieren. Die 580.000 Vereine sind allein die im Vereinsregister eingetragenen Vereine. Darüber hinaus gibt es viele nicht eingetragene Vereine.

Neben den Sportvereinen wurden in den 2000er Jahren überdurchschnittlich viele Vereine im Bereich Bildung und Erziehung sowie im Gesundheitswesen gegründet. Gibt es aus Ihrer Sicht weitere Bereiche, in denen „der Verein“ als Organisationsform Nachholbedarf hat?

Michael Röcken: Auch im Bereich der Kultur nehmen wir verstärkt wahr, dass viele Vereine gegründet werden. Ein weiterer Bereich sind Selbsthilfevereine, die eine wertvolle Arbeit ausüben, um Menschen Unterstützung zu bieten, die an Krankheiten leiden. Gerade, wenn es sich um seltene Erkrankungen handelt, bieten diese Vereine Hilfe, welche so nicht zu bekommen wäre.

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Die Vereinssatzung gilt als „Kernstück der Vereinsautonomie”. Ist das den Handelnden in den zahlreichen deutschen Vereinen eigentlich bewusst?

Michael Röcken: Leider nicht und dies wird dann zu einem Problem! Gerade bei der Satzungsgestaltung können und werden so viele Fehler gemacht, dass es sich zu einem Problem entwickeln kann.

In welcher Form?

Michael Röcken: Häufig werden Satzungen anderer Vereine 1:1 übernommen, ohne darauf zu achten, ob diese übernommene Satzung für den Verein „passt”. Ich sehe dann häufig, dass der Verein Strukturen aufweist, welche nicht geeignet sind. Das ist beispielsweise ein zu großer Vorstand oder zusätzliche Organe, wie einen Beirat, ohne dass der Bedarf besteht.

Ein aktueller Fall, der gerade bei mir auf dem Schreibtisch liegt, ist der eines Vereins, der einen Bewerber als Mitglied abgelehnt hatte. Nun wurde durch diesen abgelehnten Bewerber die Mitgliederversammlung angerufen, was nach der Satzung möglich war. Dies war dem Vorstand nicht bewusst, da er seine eigene Satzung nicht kannte.

Warum werden die Möglichkeiten der Satzungsgebung Ihrer Einschätzung nach nicht adäquat genutzt?

Michael Röcken: In der Regel ist es den Vereinsgründern oder auch den Vorständen nicht bewusst, dass sie mit der Satzung ihr eigenes Recht schaffen können. Mit einer vernünftigen Satzung können sie ihre Arbeit vereinfachen und effizienter gestalten. Das war auch für mich der Anreiz, das Buch „Vereinssatzungen” zu schreiben. Ich wollte nicht nur Vereinsgründern, sondern auch bereits bestehenden Vereinen aufzeigen, was alles möglich ist.

Ist die rechtliche Verantwortung ein Grund dafür, dass es schwerfällt, Mitglieder für die Vorstandsarbeit in Vereinen zu gewinnen?

Michael Röcken: Ich würde eher sagen, dass es eine falsche Vorstellung von der Vorstandsarbeit ist, die Leute davon abhält, ein Vorstandsamt zu übernehmen. Ich höre hier häufig, dass man sich nicht zur Wahl gestellt hätte, da man ja dann um sein „Haus und Hof“ fürchten müsse. Haftungsfälle sind jedoch eher ein Resultat von einer nicht sorgfältig ausgeübten Tätigkeit. Wenn man sich gewissenhaft auf ein Vorstandsamt vorbereitet und sorgfältig arbeitet, ist eine persönliche Haftung nicht vorstellbar.

Wo sehen Sie als Satzungsexperte Ansatzpunkte für die Vereinfachung des Vereinsrechts?

Michael Röcken: Hier wäre meines Erachtens eine Änderung des § 77 BGB für Vereine hilfreich. Es ist in der Tat so, dass viele von Satzungsänderungen Abstand nehmen, da sie den „Verwaltungsaufwand“ vermeiden möchten, welcher durch eine notarielle Beurkundung anfällt. Ansonsten ist das Vereinsrecht an sich gut zu handhaben. Viele Vereine sehen sich aber an anderen Stellen Problemen ausgesetzt. Sei es im Steuerrecht durch die Gemeinnützigkeit bis hin zu allgemeinen Themen wie Gema oder auch die Frage der Künstlersozialversicherung.

Im Wortlaut:
§ 77 BGB, Anmeldepflichtige und Form der Anmeldungen
Die Anmeldungen zum Vereinsregister sind von Mitgliedern des Vorstands sowie von den Liquidatoren, die insoweit zur Vertretung des Vereins berechtigt sind, mittels öffentlich beglaubigter Erklärung abzugeben. Die Erklärung kann in Urschrift oder in öffentlich beglaubigter Abschrift beim Gericht eingereicht werden.


Unter dem Dach des Vereinsrechts finden sich auch zahlreiche Wirtschaftsunternehmen. Halten Sie den Verein für die geeignete Organisationsform hierfür?

Michael Röcken: Auf keinen Fall. Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung sehen zu Recht in dem Verein eine nachrangige Gesellschaftsform. Zwar hat sich die Tätigkeit der Vereine in den letzten Jahrzehnten geändert, aber dennoch bleibt es dabei, dass der ideelle Zweck den Schwerpunkt der Tätigkeit bildet. Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist besser bei den anderen Gesellschaftsformen aufgehoben.

Vermutlich wird der BGH sich in naher Zukunft zu der Frage äußern, in welchem Umfang sich ein Verein wirtschaftlich betätigen kann. Nach seinem „ADAC-Urteil“ sind in den letzten Jahren einige Entscheidungen des Kammergerichts getroffen worden, welche schwerpunktmäßig Kindergartenvereine betrafen. Die ersten Entscheidungen betrafen nunmehr auch die Amtslöschung von bereits bestehenden Vereinen (Anm. d. Red.: KG Berlin, Beschluss vom 16.02.2016, 22 W 88/14 und KG Berlin, Beschluss v. 16.02.2016, 22 W 71/15). Soweit ich informiert bin, wurden hier Nichtzulassungsbeschwerden eingelegt. Es bleibt also spannend.

Rechtspfleger bei den Registergerichten entscheiden über „Wohl und Wehe” einer Vereinssatzung, also darüber, ob die Satzung eintragungsfähig ist oder nicht. Was sind denn die häufigsten Gründe für ein Scheitern?

Michael Röcken: In den letzten Jahren war der Hauptgrund für eine Ablehnung der Eintragung eine vermutete wirtschaftliche Betätigung des Vereins. Bei den Satzungsänderungen sind es häufig formale Fehler, die dazu führen, dass sie eingetragen werden können. Dies reicht von Fehlern bei der Einberufung bis hin zu einer fehlerhaften Beschlussfassung, weil beispielsweise eine Beschlussfähigkeit nicht gegeben war. Teilweise werden aber auch Änderungen der Satzung nicht eingetragen, da den Rechtspflegern die entsprechende Rechtsprechung nicht bekannt ist. Auch hier haben wir in dem Buch die Satzungsregelungen mit der einschlägigen Rechtsprechung belegt, so dass auch dem Registergericht geholfen werden kann.

Ihr fachlicher Tätigkeitsschwerpunkt ist das Vereinsrecht. Da liegt die Frage nahe, ob Sie den beruflichen Schwerpunkt mit dem privaten Handeln verknüpft haben: In wieviel Vereinen sind Sie Mitglied?

Michael Röcken: Da muss ich überlegen. Es sind tatsächlich acht Vereine, in denen ich Mitglied bin. Im Bundesverband Deutscher Vereine und Verbände bin ich vor ein paar Jahren auch in den Vorstand berufen worden, so dass ich mich auch dort die Vereine nicht „loslassen”.

Und welcher Verein ist Ihnen der liebste?

Michael Röcken: Als gebürtiger Dortmunder natürlich der BVB (Anm. d. Red.: Ballspielverein Borussia Dortmund). (schmunzelt).

(ESV/map)

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Zur Person
Michael Röcken ist Rechtsanwalt in Bonn. Er leitet seit mehreren Jahren einen Verband als Geschäftsführer und beschäftigt sich nahezu ausschließlich mit dem Vereinsrecht sowohl in beratender als auch in unterrichtender Form. Er ist u.a. Autor des in 2. Auflage erschienenen Buches und eBooks Vereinssatzungen. Weitere Veröffentlichungen Röckens betreffen das Gemeinnützigkeitsrecht. Seit 2013 gehört er dem Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Vereine und Verbände e. V. (bdvv) an; dessen Referat Recht leitet er seit 2009.


Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht