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Jost Amman: Bildnis des Hans Sachs nach Andreas Herrneisen (1576) (Radierung: Museen der Stadt Nürnberg, Graphische Sammlung)
Nachgefragt bei: Prof. Hans Blosen und Prof. Harald Pors

„Wir wollen diese Texte der Hans-Sachs-Diskussion zuführen”

ESV-Redaktion Philologie
08.03.2016
Hans Sachs hat im 16. Jahrhundert gewirkt und ist der Nachwelt vor allem als Meistersinger bekannt. Ihm neu zugeschriebene Texte sind jetzt im Erich Schmidt Verlag ediert worden. Die Herausgeber Hans Blosen und Harald Pors geben im Interview mit der ESV-Redaktion eine Einordnung.

Eigentlich ist das Werk von Hans Sachs recht gut erforscht und überliefert. Aber Sie haben nun im Erich Schmidt Verlag eine Edition von Landsknechtstexten herausgebracht, die bislang nicht Hans Sachs zugeschrieben worden waren. Bitte erklären Sie uns den Hintergrund!


Harald Pors: Unter Landsknechtstexten verstehen wir kurze Rollentexte, die zusammen mit einem Holzschnitt als Einblattdrucke publiziert wurden. Die Ausgabe enthält sowohl Landsknechtstexte, für die Hans Sachs als Autor verbürgt ist, als auch eine große Anzahl solcher Texte, denen zwar die sichere Beglaubigung der Authentizität fehlt, die jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit als Hans-Sachs-Texte zu betrachten sind.

Die fehlende Beglaubigung beruht u.a. darauf, dass Hans Sachs sie offenbar als Nebenbeschäftigung betrachtete und deshalb nach eigener ausdrücklicher Aussage in der Regel weder in seine handschriftlichen Spruchgedichtbücher noch in das Generalregister über sein Werk aufnahm. Aufgrund strenger Echtheitskriterien wurden sie aus der großen wissenschaftlichen Ausgabe von Keller/Goetze ausgeschlossen und sind damit seither aus der Hans-Sachs-Philologie verschwunden, der sie im 19. Jahrhundert noch zugerechnet wurden. Wir haben in der Ausgabe alle bekannten Landsknechtstexte zusammengestellt, die mit Sicherheit oder mit großer Wahrscheinlichkeit von Hans Sachs stammen, und wollen sie damit der Hans-Sachs-Diskussion wieder zuführen, indem wir zugleich die Argumente vorlegen, die für seine Autorschaft sprechen.

Die Texte, die Sie in dieser neuen Ausgabe edieren, beruhen auf Einblattdrucken mit Holzschnitten. Können Sie unseren Lesern erläutern, worum es sich bei Einblattdrucken genau handelt?

Hans Blosen: Als Einblattdrucke sind einseitig bedruckte Einzelblätter mit Text oder – wie im 16. Jahrhundert sehr häufig – mit einer Kombination von Holzschnitt und Text zu verstehen. Sie waren im 16. Jahrhundert eine sehr verbreitete Medienform, und offenbar waren Einblattdrucke mit Darstellungen von Landsknechten sehr populär. Sie wurden u.a. als Wandschmuck verwendet und waren dadurch starkem Verschleiß ausgesetzt, was zu großen Verlusten des Bestands führte.

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Das Thema der Landsknechtstexte dreht sich zentral um Krieg und das Soldatenwesen. Was hat Hans Sachs daran beschäftigt und wie war seine Position dazu?

Harald Pors: Nach glaubwürdigen Aussagen verabscheute Hans Sachs den Krieg. Trotzdem verfasste er sein Leben lang Texte über Landsknechte in verschiedenen Gattungen und stellte u.a. das Landsknechtsleben in schwankhaften Spruchgedichten oft mit satirischem Einschlag dar. Seine Produktion von Landsknechtstexten für Einblattdrucke erstreckt sich zeitlich von etwa 1530 bis zu seinen vermutlich letzten Gedichten für eine Folge von fünf Einblattdrucken von 1573, der Beschreibung des „Neuen Fähnleins deutscher Landsknechte“.

1564 verfasste er eine sozusagen fachmännische Darstellung der „Kriegsämter“ in Versen auf der Grundlage von Leonhard Fronspergers „Kriegsbuch“. Sie erschien wahrscheinlich ein Jahr später als Buch mit Holzschnitten von Jost Amman in Sigmund Feyerabends Verlag. Dieses militärische Gegenstück zum bekannten zivilen „Ständebuch“ ist leider in dem einzigen der Forschung bekannten, ehemals Dresdner Exemplar seit Ende des Zweiten Weltkriegs verschollen.

Die Mediävistik hat sich in den letzten Jahren verstärkt der Frage nach dem Zusammenwirken von Text und Bild zugewendet. Ihre neue Ausgabe der Hans Sachs’schen Landsknechtstexte zeichnet sich nicht zuletzt dadurch aus, dass sie mehr als 100 Abbildungen von Einblattdrucken zeigt und damit eine wunderschöne Grundlage für die Beschäftigung mit der frühneuzeitlichen Bildpublizistik darstellt. Was ist Ihres Erachtens das Besondere an diesem Bildprogramm?

Hans Blosen: Das Besondere am Bildprogramm in unserem Buch ist vielleicht, in welchem Grad und in welchem Umfang es das große Interesse der graphischen Kunst des 16. Jahrhunderts am Landsknechtsthema veranschaulicht. Dieses Interesse basierte auf dem Aufkommen der Söldnertruppen und ihrer entscheidenden Bedeutung für die neuartigen Heere seit etwa 1500 in einer Zeit, die von internen Kriegen in Europa und durch die Bedrohung Zentraleuropas durch die Türken geprägt war.

Die Bildwelt der Einblattdrucke spiegelt dieses Interesse in großer Variationsbreite wider. Einerseits zeigt sie die hohe fachliche Differenzierung der Funktionsträger, so genannte Kriegsämter, im Landsknechtsheer, z.B. in der Gestalt der Hauptleute, Feldweibel, Rottmeister, Wachtmeister, Proviantmeister, der Feldschreiber, Profose und Schultheiße, der Fähnriche, Pfeifer und Trommler. Anderseits – und vor allem – schildert sie die gemeinen Landsknechte mit dem sozialen Hintergrund der Flucht aus dem Handwerk in den Kriegsdienst, sowie soziale Schicksale wie Arbeitslosigkeit in der „Gartzeit“, Invalidität und Paarbildung des Landsknechts mit einer Partnerin.

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(ESV/ln)

Die Herausgeber
Hans Blosen, Jahrgang 1940, Professor am Institut for Germansk Filologi der Universität Aarhus, Dänemark. 1965-2001 waren seine Forschungsschwerpunkte Deutsche Sprachgeschichte, ältere deutsche Literatur und Editionsphilologie. Blosen ist (Mit)herausgeber mehrerer Editionen, u.a. das Wiener Osterspiel, das Kopenhagener Weltgerichtsspiel, Johannes Bengedans’ „Büchsenmeisterbuch“, Hans Sachs’ „Ständebuch“ und Leonhard Fronspergers „Kriegsämterbeschreibung in Versen von 1573“.

Harald Pors, Jahrgang 1944, Professor am Institut for Germansk Filologi der Universität Aarhus, Dänemark 1973-2008. Seine Forschungsschwerpunkte: Germanistische Linguistik und Angewandte Linguistik. Publikationen im Bereich der computerunterstützten Lexikographie, u.a. „Index zur Lyrik Paul Celans“; Mitherausgeber u.a. von Hans Sachs’ „Ständebuch“ und Leonhard Fronspergers „Kriegsämterbeschreibung in Versen von 1573“.

Zum Band
Das Buch Landsknechte bei Hans Sachs. Alte und neue Landsknechtstexte auf Einblattdrucken mit Holzschnitten ist in der Reihe  „Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit (TMA)” im Erich Schmidt Verlag erschienen. Sie können es bequem hier bestellen.





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