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Die Anwahl von 0900-Rufnummern kann zu bösen Überraschungen führen (Foto:Christian Stoll/Fotolia.com)
Haftung für die Anwahl von 0900-Nummern

BGH: Kein Anspruch unter dieser Nummer?

ESV-Redaktion Recht
18.04.2017
Über 0900-Rufnummern wird auch das Festnetztelefon zum Shop. Müssen Eltern aber auch dann bezahlen, wenn Kinder ohne deren Wissen über diese Nummern einkaufen? Hierzu hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aktuellen Urteil geäußert.
Der Sohn der Beklagten hatte mit 13 Jahren online ein kostenloses Computerspiel gespielt. Zu diesem Spiel hatte er später sogenannte Credits hinzugekauft. Diese konnte er zum Beispiel in virtuelle Zauberkräfte, Waffen oder Goldmengen eintauschen. Dabei nutzte er den Weg über einen Bezahldienst. Dieser sah die Zahlungsmöglichkeit des "Pay by Call" mit einer 0900er-Nummer über den Anschluss seiner Mutter vor. Das Entgelt für diese Credits wurde der Beklagten dann über deren Telefonrechnung in Rechnung gestellt. Insgesamt rief der Sohn diese Nummer 21 Mal an.

Die Klägerin machte gegen die Beklagte später einen Entgeltanspruch für die Nutzung ihres Telefonanschlusses im Rahmen des "Pay-by- Call-Verfahrens" über eine Premiumdienstenummer (0900) geltend. Die Geltendmachung erfolgte aus abgetretenem Recht. Der für die Credits angefallene Geldbetrag bezifferte sich auf insgesamt 1.253,93 Euro.

Ausgangsinstanzen geben Klage statt

Sowohl das Amtsgericht als auch die Berufungsinstanz haben der Klage stattgegeben. Allerdings hatte das Berufungsgericht die Revision zum BGH zugelassen.

BGH: Mutter muss sich Verhalten ihres Sohnes nicht zurechnen lassen

Der III. Zivilsenat des BGH schloss sich der Meinung der Vorinstanzen nicht an. Der Senat hat die Urteile des Landgerichts und des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Danach muss sich die beklagte Mutter konkludente Willenserklärungen ihres Sohnes, die auf den Abschluss eines Zahlungsdienstevertrags gerichtet sind, und die ihr Sohn durch Anwahl der Premiumdienstenummer abgegeben hat, nicht zurechnen lassen. Der Sohn, so der Senat weiter, war von seiner Mutter nicht bevollmächtigt worden. Auch die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht hätten nicht vorgelegen.

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BGH: Keine Zurechnung über § 45i Absatz 4 Satz 1 TKG

Willenserklärungen des Sohns der Beklagten können der beklagten Mutter dem BGH zufolge auch nicht über § 45i Absatz 4 Satz 1 TKG zugerechnet werden. Nach dieser Norm hätte die Mutter beweisen müssen, dass ihr die Inanspruchnahme der Leistungen nicht zuzurechnen ist. 

Nach BGH-Auffassung ist diese Vorschrift aber nicht auf Zahlungsdienste und die hieraus entstehenden Ansprüche des Dienstleisters anzuwenden. Dies, so der III. Senat weiter, gelte auch dann, wenn die Zahlung über eine Premiumdienstenummer veranlasst wurde und die Abrechnung über die Telefonrechnung erfolgen sollte.

Im Wortlaut: § 45i Absatz 4 Satz 1 TKG
(4) Soweit der Teilnehmer nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann, hat der Anbieter keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Teilnehmer.

Spezialregelungen für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge haben Vorrang

Dem Richterspruch aus Karlsruhe zufolge haben die für Zahlungsdienste geltenden speziellen Regelungen des §§ 675u BGB für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge Vorrang vor den TKG-Normen. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlung über eine Premiumdienstenummer veranlasst wurde und die Abrechnung über die Telefonrechnung erfolgen sollte. 

Nach diesen Spezialregelungen würde der Berechtigte aber keinen Aufwendungsersatz, sondern allenfalls Schadensersatz schulden. Anderenfalls würden die Regelungen über nicht autorisierte Zahlungsvorgänge unterlaufen, so der III. Senat abschließend.

Im Wortlaut: § 675u BGB
Im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs hat der Zahlungsdienstleister des Zahlers gegen diesen keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen. Er ist verpflichtet, dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, sofern der Betrag einem Zahlungskonto belastet worden ist, dieses Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte.

Was das Urteil bedeutet

  • Das Urteil schützt grundsätzlich alle Inhaber, deren Festnetz-Telefonanschluss ohne ihr Wissen für teure Bestellungen missbraucht wird. 
  • In dem vorliegenden Fall verwies der BGH darauf, dass die Freischaltung der Zusatzausrüstung nicht unmittelbar im Spiel, sondern über den Dienstanbieter erfolgt sei. Etwaige Anrufe von Kindern bei einer Sex-Hotline können daher anders zu werten sein. Denn in diesen Fällen wird die „Gegenleistung” unmittelbar über das Telefon erbracht. 
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Weiterführende Literatur
Der Berliner Kommentar TKG, herausgegeben von Herausgegeben von Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, berücksichtigt alle einschlägigen Rechtsentwicklungen im Telekommunikationsgesetz und bereitet sie auf Grundlage der aktuellen Entscheidungspraxis der Bundesnetzagentur und der Gerichte praxisorientiert und anschaulich auf.

Lesetipp
Das Buch, Recht der Computer- und Videospiele, herausgegeben von Dr. Alexander Duisberg, Rechtsanwalt, und Dr. Henriette Picot, Rechtsanwältin, greift als erstes Werk für den deutschen und europäischen Markt ein breites Spektrum von praxisrelevanten Rechtsfragen auf. Es beleuchtet den Stand der Diskussion, bietet praxisnahe Lösungsansätze an und gibt einen fokussierten Überblick über die Rechtslage in neun europäischen Ländern. Das Werk ist auch als eBook lieferbar.

(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht