Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

Werbeblocker sollen Nutzer-Rechner vor unerwünschter Werbung schützen (Foto: niroworld/Fotolia.com)
Werbeblocker im Internet

BGH erlaubt Werbeblocker AdBlock Plus

ESV-Redaktion Recht
26.04.2018
Werbung erscheint auf nahezu jeder Web-Seite. Im Gegenzug erhält der Nutzer meist kostenlose Inhalte. Abhilfe gegen oft als besonders lästig empfundene Banner und Popups versprechen Werbeblocker. Die Programme waren allerdings lange umstritten. Für Klarheit sorgte jetzt der Bundesgerichtshof (BGH).
Geklagt hatte der Axel Springer Verlag, der seine  redaktionellen Inhalte auch auf seinen Internetseiten kostenlos zur Verfügung stellte. Sein Angebot finanzierte der Verlag unter anderem mit Werbung. Die Beklagte vertreibt das Computerprogramm AdBlock Plus. Mit diesem kann Werbung auf Internetseiten anhand von Filterregeln unterdrückt werden. Von den Filterregeln erfasste Werbung ist in einer sogenannten Blacklist enthalten und wird automatisch blockiert. Allerdings bietet die Beklagte Unternehmen an, ihre Werbung von dieser Blockade ausnehmen zu lassen. Diese Werbung wird dann in einer Whitelist erfasst. Hierfür gibt es jedoch zwei Voraussetzungen:
  • Die Werbung muss die von der Beklagten gestellten Anforderungen an eine akzeptable Werbung erfüllen.
  • Die betreffenden Unternehmen müssen die Beklagte am Umsatz beteiligen.
Kleinere und mittlere Unternehmen müssen jedoch keine Umsatzbeteiligung entrichten. 

Der kostenlose Newsletter Recht - hier geht es zur Anmeldung.
Redaktionelle Nachrichten zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.

Klägerin: Werbeblocker rechtswidrig

Der klagende Verlag meint, dass der Vertrieb des Werbeblockers wettbewerbswidrig ist und stellte daher folgende Anträge:
  • Hauptantrag: In der Hauptsache verlangte der Verlag von der Beklagten und ihren Geschäftsführern, es zu unterlassen, ein Computerprogramm anzubieten, das Werbeinhalte auf näher bezeichneten Webseiten unterdrückt (Verbot der Blacklist).
  • Hilfsantrag: Hilfsweise wollte der Verlag der Beklagten verbieten lassen, ein Computerprogramm anzubieten, soweit die Werbung nur nach von der Beklagten vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts der Klägerin nicht unterdrückt wird (Verbot der Whitelist).

Vorinstanzen uneinig

Die Ausgangsinstanz hat die Klage komplett abgewiesen. Das Berufungsgericht hat lediglich dem Hilfsantrag entsprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen legte die Beklagte Revision ein.

BGH: Werbeblocker keine gezielte Behinderung

Der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten hin aufgehoben und die Klage auch hinsichtlich des Hilfsantrags abgewiesen. Der BGH begründete seine Entscheidung mit folgenden Erwägungen:
  • Keine Verdrängungsabsicht: Nach Auffassung des Senats ist das Angebot des Werbeblockers keine gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG. So habe die Beklagte nicht mit Verdrängungsabsicht gehandelt. Vielmehr, so die Karlsruher Richter weiter, habe die Beklagte in erster Linie ihren eigenen Wettbewerb fördern wollen. Das Geschäftsmodell der Beklagten besteht darin, Einnahmen zu erzielen, indem sie gegen Entgelt die Möglichkeit der Freischaltung von Werbung durch die Aufnahme in die Whitelist bietet. Das Geschäftsmodell der Beklagten setzt demnach die Funktionsfähigkeit der Internetseiten der Klägerin voraus.

  • Keine unmittelbare Einwirkung auf die Dienste der Klägerin: Zudem wirke die Beklagte mit ihrem Angebot nicht unmittelbar auf die von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen ein. Der Einsatz des Programms beruhe auf der freien Entscheidung der Internetnutzer. Diese mittelbare Beeinträchtigung des Angebots der Klägerin, so der 1. Senat weiter, wäre nicht unlauter.

  • Kein Unterlaufen von Schutzeinrichtungen: Das Programm unterläuft zudem keine Schutzeinrichtungen, die sich gegen Werbeblocker richten.

  • Interessenabwägung: Auch die Interessenabwägung des Senats änderte an seinem Ergebnis nichts. Danach ist der Klägerin auch unter dem Aspekt der Pressefreiheit zuzumuten, den vom Einsatz des Werbeblockers durch Abwehrmaßnahmen zu unterbinden. Der Klägerin stehe es zum Beispiel frei, Nutzer die nicht bereit sind, auf den Einsatz des Werbeblockers zu verzichten, auszusperren.

  • Keine allgemeine Behinderung: Eine allgemeine Marktbehinderung sah der BGH deshalb nicht, weil er keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür sah, dass das Geschäftsmodell der Bereitstellung von kostenlosen Inhalten im Internet zerstört wird.

  • Keine aggressive geschäftliche Handlung: Schließlich schlossen die Karlsruher Richter auch eine aggressive geschäftliche Handlung gegenüber Unternehmen im Sinne von § 4a UWG aus. So fehle es an einer unzulässigen Beeinflussung dieser Marktteilnehmer. Die Beklagte nutze nämlich ihre etwaige Machtposition, die sie aufgrund der technischen Mittel des Werbeblockers hat, jedenfalls nicht in einer Weise aus, die die Fähigkeit der Marktteilnehmer zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.
Kurz nach der Urteilsverkündung kündigte Springer mehren Medienberichten zufolge Verfassungsbeschwerde an. Springer zufolge geht es um einen Eingriff in den Kern der freiheitlichen Medienordnung der die Pressefreiheit verletzt.

Quelle: PM des BGH vom 19.04.2018 zum Urteil vom selben Tag – AZ: I ZR 154/16

Standpunkt: Bernd Preiß, Assesor jur., ESV-Redaktion Recht
  • Geschäftsmodell der Beklagten schießt über Ziel hinaus: In der Fallkonstellation bestimmt ausschließlich die Beklagte in ihren Richtlinien, was „angemessene“ Werbung ist. Wenn beim Whitelisting betroffene Unternehmen dann trotzdem dafür zahlen müssen, dass ihre Werbung durchgelassen wird, schießt deren Modell über das vorgebliche Ziel, „nervige“ Werbung zu verhindern, hinaus. Denn die Werbung entspricht ja den Richtlinien der Beklagten für akzeptable Werbung. Damit ist schon der Grund für die Aufnahme in eine Sperrliste zweifelhaft.

  • Zahl der kostenlosen Angebote wird sinken: Demgegenüber werden Anbieter von Internetseiten, die stark von Werbeennahmen  abhängig sind, ihr Geschäftsmodell überdenken müssen. Auch die Nutzeraussperrung ist insoweit nicht zielführend. Somit besteht in der Tat die Gefahr, dass die Zahl der kostenlosen Angebote und damit die Meinungsvielfalt abnehmen wird.

  • Nutzerinteresse zweifelhaft: Ob die BGH-Entscheidung tatsächlich im Interesse der Nutzer liegt, ist ebenfalls fraglich. Diese haben nämlich nicht die Möglichkeit, Werbung selbst und gezielt nach eigenen Vorstellungen zu unterbinden. Auch auf die Richtlinien der Beklagten oder die Frage, wer sich freikauft, hat der Nutzer keinen Einfluss.

  • Urheberrechtliche Fragen: Der BGH geht davon aus, dass das Geschäftsmodell der Beklagten nicht auf die Dienste der Klägerin einwirkt. Dies ist unzutreffend, denn die Werbung, die der Diensteanbieter schaltet, wird unterdrückt. Sieht man den Webauftritt als urhebrrechtlich schutzfähiges Werk an, kann in den Werbeblockern sehr wohl ein urheberrechtlich relevanter Eingriff in das Produkt des Webseitenanbieters und dessen Gestaltungsfreiheit gesehen werden.
Wo Datenschützer ihre Nase reinstecken - Herausgeber: Prof. Niko Härting

PinG Privacy in Germany

Die Zeitschrift für alle, die mit Datenschutz in Unternehmen zu tun haben und stets auf der sicheren Seite sein wollen:
  • Privacy Topics – Spezialthemen und richtungweisende Beiträge aus dem In- und Ausland,
  • Privacy News – prägnante Artikel zu aktuellen rechtspolitischen Themen,
  • Privacy Compliance – Antworten auf alle drängenden Fragen aus dem betrieblichen Alltag.
PinG ist professionell: Das Ganze wird aufbereitet von Medienrechtsfachleuten unter enger Zusammenarbeit mit dem Vorstand der Stiftung Datenschutz.

(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht