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Rechtsfragen beim Betriebsunfall (Foto: ESV/Angela Kausche)
Sicherheitsverantwortung

Betriebsunfall – Rechtsfehler vermeiden

Michael Neupert
10.04.2017
Trotz des sehr hohen Sicherheitsstandards in Deutschland kommt es jedes Jahr zu tausenden Betriebsunfällen. Meist geht es glimpflich ab, aber wenn nicht, ist juristisches Krisenmanagement gefragt, denn Betriebsunfälle können ein breites Spektrum rechtlicher Fragen betreffen - nicht zuletzt die nach der Verantwortung des Geschäftsführers.

Trotz des sehr hohen Sicherheitsstandards, der in Deutschland gilt, kommt es jedes Jahr zu tausenden Betriebsunfällen, teils aufgrund von kleineren Nachlässigkeiten oder erst nachträglich als objektiv falsch erkennbaren Entscheidungen, teils aufgrund unvermeidbarer Restrisiken. Die meisten davon können jedenfalls aus rechtlicher Sicht unaufgeregt behandelt werden, weil ihre Folgen durch Unfall- und Sachversicherungen abgedeckt oder glücklicherweise gar nicht erst schwerwiegend sind. Leider geschehen aber auch Zwischenfälle, bei denen Menschen schwer verletzt oder sogar getötet und hohe Sachschäden an fremdem Eigentum entstehen. Dann sind die normalen Abläufe auf oft dramatische Weise unterbrochen, und es ist Krisenmanagement gefragt.

Drei Ziele

Dabei geht es um drei Hauptaufgaben:

Erstens muss  die  Akutsituation  beherrscht  werden.  Diese Aufgabe ist am dringlichsten und hat Vorrang vor den beiden  anderen.  Hier geht  es  darum,  gegenwärtige  Gefahren abzuwehren und Sicherheit wiederherzustellen. Je nach Ereignis erfordert dies von der Absicherung einer Unfallstelle bis  hin  zu  umfangreichen  Lösch­  und  Umweltschutzmaßnahmen  ganz  Unterschiedliches.  Jeder  schwere Unfall fordert aber von der Führungsebene eines Unternehmens eine hohe  Koordinierungsleistung,  denn  innerhalb  sehr  kurzer Zeit ist eine Reihe von Gesichtspunkten abzuarbeiten. Solche Situationen können meist nur durch Unterstützung externer  Einsatzkräfte  bewältigt  werden.  Diese  müssen  nicht  nur alarmiert, sondern auf dem Betriebsgelände eingewiesen und durch kompetente Unternehmensvertreter begleitet  werden,  welche  die  Sicherheit  unternehmensfremder Personen  gewährleisten  helfen  und  mit  Expertise  über  die Anlage die Bemühungen zur Schadenseingrenzung tatkräftig unterstützen. Falls es zu Stoffaustritten kommt, erscheinen  oft  in  kurzer  Zeit  Beamte  der  Aufsichtsbehörden  vor Ort, um erste Anordnungen zu treffen. Ggf. treten auch Polizei  und  Staatsanwaltschaft  auf  den  Plan.  Darüber  hinaus ist eine geordnete Informationspolitik notwendig, nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit, sondern auch gegenüber der Belegschaft  und,  bei  Personenschäden,  auch gegenüber den Angehörigen. Diesen Workload kann man im Ernstfall nur  aus  dem  Stegreif  bewältigen,  wenn ein Krisenstab der wichtigsten Funktionen kurzfristig aktiv wird.

Zweitens müssen die Folgen eines Unfalls möglichst abgemildert werden. Diese Aufgabe beginnt in der Akutphase, bei der es darum geht, ein Ereignis so klein wie möglich zu halten, also zum Beispiel austretende Stoffe aufzufangen sowie Umwelt und Nachbarschaft vor Emissionen zu schützen. Später stehen Aufräumarbeiten und Schadensbeseitigung an, sowohl auf dem eigenen Gelände als auch, falls notwendig, bei betroffenen Externen. Der Weiterbetrieb muss gesichert werden, unter Umständen mit einem Notprogramm.

Drittens ist Ursachenklärung erforderlich. Was hätte passieren sollen? Was passierte stattdessen? Wie konnte das sein? Das sind die Leitfragen, um welche sich die Aufarbeitung dreht. Sie zu beantworten ist wichtig, um die Wiederholungsgefahr zu verringern. Die meisten Schadensereignisse entstehen, weil mehrere Abweichungen vom Gewünschten zusammenwirken. Das kann man einerseits als Pech bewerten – andererseits bedeutet dies, dass es oft genüg hätte, eine einzige dieser Abweichungen zu vermeiden, und der Unfall wäre nicht passiert. Ursachenforschung ist aber auch deshalb wichtig, weil Schadensfälle intern und extern Besorgnis auslösen. Gerade wenn es zu Personenschäden gekommen ist, entspricht Aufklärung einem tief empfundenen Bedürfnis der Belegschaft. Und nicht zuletzt taucht früher oder später die Frage auf, ob konkreten Führungskräften oder Mitarbeitern ein persönlicher Vorwurf zu machen ist.  

Zu bedenkende rechtliche Felder

Betriebsunfälle können ein breites Spektrum juristischer Fragen betreffen, und zwar nicht nur im Hinblick auf die unmittelbar beteiligten Personen, sondern auch auf die Geschäftsführung und das Unternehmen als solches. Prominent in der Wahrnehmung ist das Strafrecht, bei dem es darum geht, ob einzelnen Menschen ein Schuldvorwurf gemacht werden muss. Zu strafrechtlichen Ermittlungen kommt es bei Personenschäden praktisch immer, denn strafbar sind nicht nur vorsätzliche Körperverletzung und Tötung, sondern auch fahrlässige. Ebenso ist es bei verschiedenen Umwelt und Brandstiftungsdelikten. Strafrechtliche Ermittlungen richten sich zunächst einmal auf die Rolle der unmittelbar bei einem Ereignis beteiligten Personen, aber sie können auch ausgedehnt werden. Nach deutschem Recht sind nämlich grundsätzlich die Geschäftsführer dafür verantwortlich, dass in einem Betrieb alle geltenden Rechtsvorschriften eingehalten werden (also auch alle Sicherheitsanforderungen). Diese Verantwortung kann zwar delegiert werden, selbst bei ordnungsmäßiger (und per Dokumentierung nachvollziehbarer) Delegation verbleiben aber Restpflichten bei den Führungskräften.

Praktisch immer stellen sich nach Betriebsunfällen finanzielle Fragen. Juristische Aufmerksamkeit erfordern vor allem potenzielle Schadensersatzansprüche, die theoretisch in unterschiedlicher Richtung bestehen können. Kommt es zu Schäden in der Nachbarschaft oder Umwelt, denkt man sofort an eine eventuelle Haftung, die sich – je nach Einrichtung, in der es zum Unfall kommt – nach unterschiedlichen Voraussetzungen richtet. Denkbar sind aber auch Ansprüche des Unternehmens gegen seine Mitarbeiter und umgekehrt, außerdem können Regressansprüche des Unfallversicherungsträgers drohen. Die wichtigste rechtliche Unterscheidung ist, dass für manche Anlagen eine so genannte Gefährdungshaftung gilt, die juristische Laien am ehesten aus dem Kfz­Bereich kennen.

Schon der Betrieb verpflichtet dann zum Schadensersatz. In der Regel kommt es allerdings neben anderen Voraussetzungen auf ein Verschulden an. Die Einzelfragen können schnell komplex werden, auch wenn die Grundlinien schnell zu verstehen sind: Wer es zu vertreten hat, dass ein anderer einen Schaden erleidet, muss diesen in aller Konsequenz so stellen, als wäre der Schaden nicht entstanden. So kann es beispielsweise um Verdienstausfall für den Rest eines Berufslebens gehen.

Ein oft unterschätztes Feld ist schließlich das Aufsichtsrecht. Genau wie beim Strafrecht handeln hier Behörden, aber nicht mit Blick auf die Vergangenheit, sondern mit Blick auf die Zukunft. Denn die weitaus meisten Unternehmen werden durch verschiedene Behörden überwacht, und die­ se Behörden können bei entsprechendem Anlass rechtlich verbindliche Anweisungen erteilen. Nach Zwischenfällen kann dies von Forderungen nach Überarbeitung von Arbeitsanweisungen über Nachrüstungsverlangen bis hin zu schlimmstenfalls der Stilllegung reichen.  

In der Praxis fällt immer wieder auf, dass die gegenseitige Beeinflussung dieser rechtlichen Felder unterschätzt wird. Aus Sicht des Unternehmens bzw. der Führungsebene kann eine schwierige Gemengelage entstehen, wenn einerseits mit Aufsichtsbe­hörden und Staatsanwaltschaft kooperiert werden, andererseits aber die Grundlage zur Abwehr unberechtigter Geldforde­rungen gewahrt und Mitarbeiter nicht um ihre Rechte als (ggf. potenzielle) Beschul­digte in Strafverfahren gebracht werden sollen. Das Unternehmen muss wissen, ob es in Bezug auf gesetzliche Pflichten Hand­lungsbedarf hat, und es muss sich andererseits gegen ungerechtfertigte Maßnahmen verteidigen. Hinzu kommt die Fürsorge, Mitarbeiter während eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht im Regen ste­hen zu lassen.

Interne Untersuchungen Unternehmen sind deshalb gut beraten, nach schweren Zwischenfällen behördliche Untersuchungen zu begleiten. Es kann im Einzelfall sinnvoll sein, ein eigenes Untersuchungsteam ins Leben zu rufen. Gerade bei technisch geprägten Sachverhalten ist das womöglich sogar dringend erforderlich, damit die eigene Sachkenntnis hinreichend eingebracht werden kann. Es ist nämlich typischerweise aufwändig, ein einmal entstandenes unzutreffendes Bild zu korrigieren. Als Grundlage muss dabei klar sein: Eine solche interne Untersuchung wird nur dann positive Effekte bei Betroffenen, Behörden und der Öffentlichkeit erzeugen, wenn sie Gesetzmäßigkeit und Transparenz zu ihren Prinzipien macht. Fakten müssen zutreffend dargestellt, Dokumente dürfen nicht verändert werden, und auf keinen Fall kann eine Beschränkung notwendiger Sicherheitsverbesserungen das Ziel sein. Werden derartige Versuche bekannt, schadet das der eigenen Glaubwürdigkeit erheblich und führt zu Vertrauensverlust.

Betriebsunfälle zu untersuchen bedeutet in erster Linie, ein Geschehen zu rekonstruieren. Bevor nicht der Sachverhalt aufgeklärt ist, können meist keine sinnvollen Konsequenzen gezogen werden. Solche Rekonstruktionen bauen neben dem Bild von der Unfallstelle auf die Sichtung von Dokumenten und auf Zeugenaussagen. Beides ist nicht trivial. Dokumente geben nur selten ein vollständiges Bild, und – das überrascht forensisch unerfahrene Personen oft – dieses Bild ist meist auch weniger eindeutig, als man hofft. Was „da steht“, ist praktisch gesehen oft lückenhaft (weil nur „das Wichtigste“ aufgeschrieben wird und sich „vieles von selbst versteht“), subjektiv („Leitung war dicht“) oder interpretationsbedürftig („ohne Befund“). Die Frage lautet deshalb meist weniger, was in einem Dokument steht, sondern wie der Inhalt eines Dokumentes zu anderen Informa­tionen passt.

Zeugenaussagen wiederum sind ein schwieriges Beweismittel, weil das menschliche Erinnerungsvermögen feh­leranfällig ist. Der größte Feind der Wahrheit ist in diesem Zusammenhang nicht die Lüge, sondern der Irrtum. Zeu­gen schildern nicht, was passiert ist, sondern was sie wahrgenommen haben. Praxisbeispiel: Ein Zeuge berichtet „die anderen sind weggerannt“, ein zweiter „die anderen sind weggerannt und dann wieder zurückgelaufen“. Ein besonders gravierender Fehler unterlief einem in dieser Hinsicht unerfahrenen Untersucher, der die Vorwürfe eines Unfall­ beteiligten gegen den anderen (dieser habe Sicherheitsvorschriften missachtet) zu Protokoll nahm und seinem Gutachten zugrunde legte, ohne nach der Motivation für die Aussage zu fragen. So blieb einerseits offen, weshalb der Zeuge den anderen schwer belastete (womöglich, um von eigenen Fehlern abzulenken!) und andererseits, aus welchem Grund der Belastete von den Vorschriften abweichen hätte sollen, was in der konkreten Situation nicht ohne weiteres einen Vorteil brachte. Im konkreten Fall führte dies zur Strafanklage gegen den belasteten Mitarbeiter; das Verfahren läuft noch.

Aus der psychologischen Forschung ist außerdem bekannt, dass jeder einzelne Erinnerungsabruf zu Verfälschungen führen kann und dass Menschen unbewusst dazu neigen, Lücken in Erinnerungen auszufüllen und verschiedene Erinnerungen miteinander zu verschmelzen. Auch Mehrfachbefragungen können sich nachteilig auf die Qualität und Verwertbarkeit von Zeugenaussagen auswirken. Dies kann dann zum Problem werden, wenn aus Sicht staatlicher Ermittlungsbehörden bei weiteren, zeitlich nachgelagerten Befragungen widersprüchliche Aussagen entstehen. Schnell kann dann der Verdacht aufkommen, Unternehmen hätten Mitarbeiter auf Zeugenbefragungen durch Ermittlungsbehörden vorbereitet. Einen solchen Eindruck muss man vermeiden, denn nicht zuletzt steht schlimmstenfalls der Verdacht eines Vertuschungsversuchs im Raum, der dann auch zu Strafbarkeiten der Untersucher führen kann.  

Vertraulichkeit problematisch

Wie eine interne Untersuchung gestaltet wird, muss angesichts der oben geschilderten juristischen Gemengelage aber nicht nur aus diesen handwerklichen Gründen genau überlegt werden, sondern auch deshalb, weil alle Erkenntnisse interner Untersuchungen, gesammelte Dokumente und angefertigte Notizen oder Vernehmungsprotokolle prinzipiell für Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden zugänglich sind. Es gibt keine wirksame juristische Hand­ habe, einen solchen Zugriff zu verhindern. Davon abgese­hen ließe sich eine Weigerung auch kaum darstellen, ohne schweres Misstrauen zu wecken. Praktisch bedeutet dies vor allem, dass bei der Anfertigung von Unterlagen und Berichten sehr sorgfältig formuliert werden muss. Dabei geht es nicht um das Verschweigen von unangenehmen Erkenntnissen, sondern um Sachlichkeit und Präzision. Aus der Erfahrung heraus am wichtigsten ist, so klar zwischen gesicherten Erkenntnissen, Vermutungen und Zweifelsfragen zu differenzieren, dass ein Leser eindeutig erkennen kann, wie belastbar die jeweiligen Aussagen sind. Das Ziel eines Untersuchungsberichts ist nicht, Scheingewissheit herzustellen: Wenn ein Sachverhalt nicht abschließend aufklärbar ist und Zweifel verbleiben, dann kann dafür der Untersucher nichts.

Auch haben die an Untersuchungen beteiligten Personen grundsätzlich kein Recht auf Zeugnisverweigerung. Sie können also durch Ermittlungsbehörden vernommen werden, auch darüber, was sie aus Befragungen von Mitarbeitern er fahren haben. Ein allgemeines Zeugnisverweigerungsrecht kennt das deutsche Recht nur für bestimmte Berufsgruppen (z.B. medizinisches Personal, Anwälte, Psychotherapeuten oder Priester). Bei internen Befragungen kann deshalb den Mitarbeitern nur eingeschränkt Verschwiegenheit zu­ gesichert werden. Im Sinne eines fairen Umgangs mit der Zwangslage zwischen Selbstbeschuldigung und Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber sollten Untersucher deshalb im Vorfeld abwägen, ob und ggf. wie sie mit einem Mitarbeiter sprechen wollen. Sie müssen sich bewusst sein, dass eine in bester Absicht gemachte Aussage schlimmstenfalls das Risiko strafrechtlicher Verfolgung und Verurteilung heraufbeschwören kann. Das ist vor allem deshalb eine Schieflage, weil Mitarbeiter gegenüber Aufsichtsbehörden und Strafverfolgungsbehörden das Recht haben, sich nicht selbst belasten zu müssen und insoweit Aussagen zu verweigern. Dieses Recht verliert seine Wirksamkeit, wenn Aussagen gegenüber internen Ermittlern erfolgen, die ihrerseits in vollem Umfang Behörden Auskunft geben müs sen. Eine angemessene Lösung kann durchaus lauten, bei internen Untersuchungen auf die Befragung von Unfallbeteiligten zu verzichten und mit den Ermittlungsbehörden zu klären, ob auf deren Erkenntnisse zurückgegriffen werden darf. Entscheiden kann man das aber nur im Einzelfall.

Diese Rechtslage kann auch zu dem Problem führen, dass Mitarbeiter aus Angst vor persönlichen Nachteilen Informationen zurückhalten. Rein rechtlich sind Mitarbeiter zwar als Nebenpflicht aus ihrem Arbeitsverhältnis dazu verpflichtet, den Arbeitgeber bei der Aufklärung von Betriebsunfällen zu unterstützen, aber praktisch lässt sich diese Pflicht kaum effektiv durchsetzen: Eine interne Unfalluntersuchung kann nicht warten, bis nach Monaten oder gar Jahren arbeitsgerichtlicher Prozesse eine Aussageverpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber geklärt ist, und falls ein Mitarbeiter sich zu Interviewterminen krank meldet, lässt sich dem kaum wirksam begegnen. Deshalb müssen Unternehmen und Untersuchungsteams Vertrauen schaffen.  

Sie können dabei nicht versprechen, vor strafrechtlichen Ermittlungen zu schützen, denn ein solches Versprechen könnten sie nicht erfüllen. Theoretisch möglich wäre aber eine Zusage, dass ein geschehener Fehler nicht zu persönlichen Nachteilen im Betrieb führen wird. Auch dies kann aber sinnvoll nur im Einzelfall entschieden werden.

Rechtsberater in den Krisenstab

Dies ist kein Plädoyer dafür, bei jedem kleinen Zwischenfall nach dem Juristen zu rufen. Das wäre übertrieben und Angstmacherei. Aber immer dann, wenn es nicht bloß um eine Kleinigkeit geht, sollte juristische Unterstützung hinzugezogen werden. Wer über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, sollte einen erfahrenen Mitarbeiter für den Krisenstab vorsehen, damit dieser von Anfang an dabei ist. Schon in der Akutphase können sie wertvolle Hinweise geben, und davon abgesehen haben sie Erfahrung im Umgang mit Behördenvertretern und können den Leiter des Krisenstabes erheblich entlasten. In ein internes Untersuchungsteam gehört auf jeden Fall juristische Unterstützung. Nicht nur, um rechtliche Implikationen zu erkennen und zur Diskussion zu stellen, bevor sie unbeabsichtigt festgeschrieben werden. Sondern auch deshalb, weil Juristen dafür ausgebildet und darin erfahren sind, einzelne Bausteine zu einem Sachverhalt zusammenzusetzen und so darzustellen, dass keine Missverständnisse entstehen. Das muss auf keinen Fall eine ständige Anwesenheit des hauseigenen Rechtsberaters bei allen Untersuchungsmaßnahmen bedeuten, sondern kann sich auf Impulsgebung und Teilnahme an den wichtigen Besprechungen beschränken. Jedenfalls vor grundlegenden Entscheidungen mit möglicherweise weitreichenden Auswirkungen (wie zum Beispiel der Befragung von Mitarbeitern, siehe oben) sollte Rechtsrat eingeholt werden. 

Der Autor
Dr. Michael Neupert ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Kümmerlein Rechtsanwälte & Notare in Essen und spezialisiert auf die Gebiete Technikrecht, Verwaltungsrecht und Organisations- und Haftungsrecht.


Literaturempfehlung aus dem Erich Schmidt Verlag

Sicherheitsverantwortung
Arbeitsschutzpflichten, Betriebsorganisation und Führungskräftehaftung - mit 25 erläuterten Gerichtsurteilen

von Prof. Thomas Wilrich

Jede Führungskraft muss den eigenen Bereich sicherheitsgerecht organisieren – vom Geschäftsführer des ganzen Unternehmens über den Abteilungs- und Projektleiter bis zum Vorarbeiter auf der Baustelle.

Im Recht gibt es viele spezielle Sicherheitsvorschriften. Immer gilt aber auch die Verkehrssicherungspflicht – nämlich in jeder Situation alles (technisch) Mögliche und (wirtschaftlich) Zumutbare zu tun, um andere nicht zu schädigen. Wie weit diese Sicherheitspflicht geht, hängt von den – zuweilen nicht leicht erkennbaren – tatsächlichen Umständen des Einzelfalles und von – zuweilen schwierigen – Wertungen ab. Das ist der Hintergrund dafür, dass Fragen zum Umfang der Verantwortung im Vorhinein nicht abschließend und eindeutig beantwortet werden können. Erst wenn es um die Haftung in einem konkreten Fall geht, wird die Frage der Verantwortung – in diesem einen Fall – beantwortet.

Das Arbeitsschutzrecht verlangt kein Nullrisiko, sondern dass Gefährdungen nach dem Stand der Technik und unter verantwortungsvoller Abwägung der Sicherheitsinteressen und – vorsichtiger – Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit so gering wie möglich sind. Es geht also nicht um die Gewährleistung absoluter, sondern ausreichender Sicherheit. Was ausreicht, ist eine schwierige Wertungsfrage und verantwortungsvolle Entscheidung.

Empfehlung:
Der erste Schritt zum – unvermeidlichen – Umgang mit der Unsicherheit, wieviel Sicherheit von einem Mitarbeiter oder einer Führungskraft in einer bestimmten Situation erwartet wird, ist das Verständnis und die Akzeptanz, dass der Gesetzgeber dies für ihn nicht in jedem Fall eindeutig festlegen kann: das muss man schon selbst tun. Je weniger Gewissheit es gibt, desto wichtiger wird die Person und ihre Entscheidung.

Programmbereich: Arbeitsschutz