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Criminal Compliance

ZRFC Risk, Fraud & Compliance Heft 1/2015
18.02.2015
Handbuch. Von Thomas Rotsch (Hrsg.). Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2015, 1504 Seiten, 198,00 EUR, ISBN 978-3-8329-7398-8.
Handbuch. Von Thomas Rotsch (Hrsg.). Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2015, 1504 Seiten, 198,00 EUR, ISBN 978-3-8329-7398-8.

Prof. Dr. Thomas Rotsch, Begründer und Leiter des CCC Center for Criminal Compliance der Universität Gießen, hat ein im wahrsten Sinne des Wortes gewichtiges Werk zur Criminal Compliance herausgegeben. Auf etwa 1500 Seiten schreiben Wissenschaftler und Praktiker vornehmlich mit juristischem Hintergrund über das Thema Criminal Compliance. Dieser Begriff deckt – so definiert es der Herausgeber in seinem grundlegenden Beitrag zur Begriffsklärung – die strafrechtliche Prävention und Beratung ab. Damit wird ein besonderer Teil des Compliance-Managements beleuchtet. Inwiefern es sinnvoll ist, ein Compliance-Management-System auf strafrechtliche Aspekte zu beschränken – wie es die Begriffsklärung vorzugeben scheint – wird in dem Band nicht thematisiert. Im Gegenteil, es wird eine andere Herangehensweise gewählt. Aus Sicht der juristischen Strafrechtswissenschaften wird jeweils diskutiert, was die Pflichten eines Unternehmens und der Unternehmensangehörigen in einem Rechtsbereich sind. Der betriebswirtschaftlich relevante Teil, der Aufbau einer Unternehmensorganisation, die der Haftung vorbeugt und sogar zum Wettbewerbsvorteil für ein Unternehmen werden kann, wird nur in einem der Grundlagen-Kapitel von dem Augsburger Betriebswirt Lehmann beschrieben. Dieser gelungene Beitrag beschreibt ausgehend von der ökonomischen Theorie der Wirtschaftskriminalität, wie Individuen zur Entscheidung gelangen (können), ob sie wirtschaftskriminell werden oder nicht. Die instrumentelle Ausgestaltung einer Organisation zur Prävention von Wirtschaftskriminalität wird dabei aber nur am Rande gestreift.

Im weiteren Verlauf wird zuerst die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmensangehörigen diskutiert. Dabei geht der Herausgeber Rotsch auf die Entwicklung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit durch aktives Handeln ein. Zunächst wird das Lederspray-Urteil besprochen, in dem die Unternehmensleitung für besondere Situationen, beispielsweise Krisensituationen, die Allzuständigkeit für das Unternehmensgeschehen übertragen bekommt. Die Erweiterung auf das Ausreichen der Organisationsherrschaft durch die Übertragung der BGH-Urteile zu den Mauerschützen wird ausführlich und kritisch gewürdigt. Die Diskussion wird fortgesetzt mit der Verantwortlichkeit durch Unterlassen. Die aktuelle Rechtsprechung des BGH wird dargestellt: Im Mobbing-Urteil wurde ausdrücklich die Geschäftsherrenhaftung zur Verhinderung von Straftaten nachgeordneter Mitarbeiter bejaht. Ein Kapitel, das Compliance-Beauftragte besonders interessieren wird, ist der Teil über die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Compliance-Beauftragten selbst. Hier wird ausführlich das viel beachtete Urteil des BGH zur Garantenpflicht des Compliance- Officers (Berliner Stadtreinigung) besprochen. Wohltuend ist, dass dogmatisch fundiert und systematisch dieses Urteil unaufgeregt analysiert wird. Es wird entwickelt, welche konkreten Rechtspflichten sich für Mitarbeiter von Compliance- Abteilungen, je nach ihrer Seniorität, ergeben – und welche nicht. Die Lektüre dieses Absatzes wünscht der Rezensent vielen Praktikern der Compliance, die sich durch Schlagworte aufgeschreckt vor vielem ganz unbegründet fürchten bzw. meinen, ihrer Verantwortung allein mit der Einhaltung von Dokumentationspflichten nachkommen zu können.

Für die große Gruppe der externen Compliance-Beauftragten sind die von Knierim verfassten Beiträge zur Rolle und Verantwortlichkeit (auch der strafrechtlichen) von externen Compliance-Beratern besonders interessant. Detailliert wird hier die „Compliance der Compliance“ diskutiert. Hier können sich externe Berater wertvolle Hilfestellungen zur rechtssicheren Gestaltung ihres Beratungsgeschäfts aneignen, etwas, das gerade in diesem Feld unumgänglich ist.

Im umfangreichsten Teil des Buches werden besondere, materielle Fragen der Criminal Compliance behandelt. Hier werden einzelne Rechtsgebiete dargestellt, die für die strafrechtliche Compliance Relevanz entfalten. Dieser Teil des Buches ist sehr ausführlich gestaltet und entschärft damit die bei Handbüchern allfällige Diskussion der Themenauswahl. Aber man kann sich sehr wohl fragen, ob eine relativ kurze und knappe Darstellung der spezifischen Situation bei Banken notwendig ist oder man es hier nicht besser mit Literaturhinweisen bewenden gelassen hätte. Diese Diskussion ist müßig, denn gleichgültig wie es der Herausgeber hält, er wird kritisiert.

Es schließt sich ein Teil zur Criminal Compliance in den USA, der Europäischen Union und Großbritannien an. Etwas verwirrend für den Leser ist, dass sich hinter dem Kapitel zur Criminal Compliance in der EU nur die Vorschriften und prozessualen Regeln auf europäischer Ebene verbergen und kein Überblick über die einzelstaatlichen Compliance-Regeln gegeben wird.

Im letzten Teil des Handbuchs befassen sich die Autoren mit verfahrensrechtlichen Fragen. Neben eher rechtsdogmatischen Themen, wie der Rolle der Grundrechte in der Compliance, sind insbesondere zwei Themenfelder für den Compliance-Praktiker interessant: Ein Schwerpunkt liegt auf internen Ermittlungen, bei denen sich wiederum die bereits aufgeworfene Frage der „Compliance der Compliance“ stellt. Einen zweiten Schwerpunkt stellt das vor allem in Deutschland hochumstrittene Instrument des Whistleblowing dar.

Insgesamt ein gelungenes Kompendium, das insbesondere für Wissenschaftler eine Fundgrube darstellt, aber auch für Praktiker eine große Relevanz entfaltet. Man kann dem Buch eine weite Verbreitung wünschen.

Prof. Dr. Stefan Behringer, NORDAKADEMIE Elmshorn

Quelle: ZRFC Risk, Fraud & Compliance Heft 1/2015