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Ergonomie-Coach Susanne Weber (Foto: Weber)
Interview

Ergonomie am Arbeitsplatz

ESV-Redaktion Arbeitsschutz
01.03.2018
Die ESV-Redaktion Arbeitsschutz im Gespräch mit Susanne Weber, Ergonomie-Beraterin und Physiotherapeutin, zu ergonomisch günstigen Arbeitsplätzen.

Die Zahl der Muskel- und Skeletterkrankungen wächst seit Jahren: Warum ist vor allem die Arbeit am Computer für die Menschen so ungesund?

Susanne Weber: Viele Berufstätige verbringen den größten Teil ihrer Tätigkeit sitzend am Schreibtisch, verharren in einer statischen Position und bewegen sich zu wenig. Kopfschmerzen, Verspannungen der Schulter, Nacken- und Rückenmuskulatur, Schmerzen in Händen und Armen – all das resultiert häufig aus langer konzentrierter statischer Computerarbeit. Ein Kreislauf aus Schmerz, Schonhaltung und noch mehr Schmerz durch weitere Verspannungen beginnt.

Was gehört zu einem ergonomisch günstigen Büroarbeitsplatz?

Susanne Weber: Basis für ergonomisches Arbeiten bilden Stuhl, Tisch und Technik und deren optimale individuelle Einstellung. Ein ergonomischer Bürostuhl muss individuell anpassbar sein, den natürlichen Verlauf der Wirbelsäule abstützen. Die richtige Einstellung erfolgt von unten nach oben, also von der Sohle bis zum Scheitel. Der Sitz sollte so hoch sein, dass Knie- und Oberkörperwinkel größer als 90 Grad sind. Die Sitztiefe ist optimal eingestellt, wenn das Becken die Rückenlehne berührt und ein Abstand von etwa vier Fingerbreit zwischen Sitzvorderkante und Wade bleibt. Die Höhe der Rückenlehne ist ideal, wenn sich die Lumbalstütze ungefähr auf Gürtelhöhe befindet. Der Gegendruck sollte so eingestellt sein, dass die Rückenlehne den Oberkörper aufrecht hält, aber nicht nach vorne drückt. Die Unterarme sollten bei entspannter Schulter-Nackenmuskulatur flächig auf den Armlehnen liegen. Ist der Bürostuhl richtig eingestellt, lässt sich der idealerweise höhenverstellbare Tisch leicht anpassen: Wenn sich die Arbeitsplatte auf einer Höhe mit den Armlehnen befindet, ist dieser optimal eingestellt und Schultern und Nacken können entspannen – dies gilt für das Arbeiten im Sitzen und Stehen. Anhand typischer Arbeitshaltungen lässt sich nun die Anordnung der Arbeitsmittel überprüfen. Dafür sollte die Arbeitsfläche groß genug sein, um eine flexible Anordnung zu ermöglichen. Häufig genutzte Arbeitsmittel sollten möglichst zentral im Blickfeld und Greifraum liegen. Der Bildschirm sollte so stehen, dass er sich direkt im Blickfeld befindet und man sich nicht ständig drehen oder verrenken muss. Der Blick sollte bei aufgerichteter Haltung ungefähr die Mitte des Monitors treffen.

Weitere Informationen zur richtigen Nutzung und Einstellung Ihres Arbeitsplatzes finden Sie unter www.arbeitsplatzcheck.com.

Können die Mitarbeiter auch selbst etwas für ihre Gesundheit tun?

Susanne Weber: Dafür sollte man generell in seinen (Büro-)Alltag mehr Bewegung einbauen. Von der kleinen Bewegungspause am Arbeitsplatz um sich zu strecken, über das direkte Abstimmungsgespräch mit dem Kollegen – statt einer Mail – bis hin zu regelmäßigen Dehn- und Bewegungsübungen, einem Spaziergang in der Mittagspause sowie die Nutzung von Treppen statt Fahrstuhl gilt – alles was für Bewegung sorgt und zum Haltungswechsel anregt ist erlaubt und verbessert die Beweglichkeit. Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist besonders zu empfehlen. Nutzen Sie hierfür einen höhenverstellbaren Tisch und halten Sie sich an die 60 – 30 – 10 Regel: 60 Prozent der Arbeitszeit sitzen, 30 Prozent stehen und 10 Prozent bewegen. Empfehlenswert sind 15 Minuten Stehen pro Stunde.

Der richtig eingestellte Arbeitsplatz bildet also die Basis: Auf was sollte und kann man noch achten?

Susanne Weber: Damit der Rücken den Anforderungen des Alltags gewachsen ist, sollte die Muskulatur regelmäßig gestärkt werden. Kräftige Muskeln helfen der Wirbelsäule ihre Stützfunktion zu erfüllen und Rückenschmerzen zu vermeiden. Neben dem Muskelaufbau hilft Sport auch bei Stimmungstiefs oder Schlafstörungen. Bei der Auswahl einer geeigneten Sportart geht es weniger darum, ob er allgemein als „rückenfreundlich“ gilt. Viel wichtiger ist, dass der gewählte Sport zu Ihnen passt.

Auch ein ungünstiges Wohnumfeld kann zu Rückenschmerzen führen - das betrifft auch Betten und Autositze. Damit sich Verbraucher besser orientieren können, hat der gemeinnützige Verein „Aktion Gesunder Rücken e.V.“ ein Gütesigel für rückengerechte Produkte ins Leben gerufen. Es zeichnet Produkte für Büro und Alltag aus, die für rückengerechte Konstruktion unter Beweis gestellt haben.

Sie haben bei ThyssenKrupp Bilstein ErgoScouts ausgebildet. Was ist das und wie gingen Sie vor?

Susanne Weber: Auch hier ging es darum, Rückenvorsorge im betrieblichen Alltag umzusetzen. Die Verantwortlichen bei ThyssenKrupp Bilstein wählten den Baustein Training und Schulung aus, der besonders nachhaltige Wirkung versprach: Vorab definierte Multiplikatoren, sogenannte ErgoScouts, werden rund um Ergonomie am Arbeitsplatz ausgebildet und geben ihr Wissen innerhalb der Belegschaft weiter.

So sind die ErgoScouts in der Lage, individuelle Arbeitsplatzberatungen bei ihren Kollegen durchzuführen. Dabei arbeiten sie im Team aus einem erfahrenen Mitarbeiter und einem Auszubildenden, deren wechselnde Arbeitsgebiete dazu beitragen, das Thema in unterschiedlichen Abteilungen schnell und breit zu streuen. Damit die Mitarbeiter den positiven Effekt zeitnah erleben, zielt die Beratung auf eine Optimierung des Arbeitsplatzes mit vorhandenen Mitteln. Oft sorgen bereits kleine Veränderungen für Verbesserung. Besonders Verhaltensänderungen bewirken viel: Regelmäßige Phasen der Steh-Arbeit beugen etwa Verspannungen vor. Kommen die ErgoScouts zu dem Ergebnis, dass die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um ein körpergerechtes Arbeiten zu fördern, erstellen sie eine Liste mit Maßnahmen, die zeitnah abgearbeitet wird. Das Bewusstsein für Ergonomie am Arbeitsplatz wird effizient und nachhaltig im Unternehmen verbreitet.

Literaturempfehlung aus dem Erich Schmidt Verlag:

Produktionsarbeit in Deutschland - mit alternden Belegschaften

Erscheinungstermin: Oktober 2017

Herausgegeben von: Dr. Götz Richter, Dr. Christoph Hecker, Dr. Andreas Hinz

Programmbereich: Arbeitsschutz

  • Das Buch beschreibt Chancen und Herausforderungen beim Einsatz älterer Beschäftigter in der Produktion.
  • Es präsentiert Vorschläge, wie die Arbeit gesund und kompetent gestaltet werden kann, so dass älter werdende Arbeitnehmer länger in der Produktionsarbeit verbleiben können.
  • Es hat den Charakter eines Handbuchs und ist an die Zielgruppe Fachkräfte für Arbeitssicherheit/Führungskräfte/Personalwesen adressiert.
  • Die Themen sind so fokussiert, dass sie das Handeln anleiten. Ausgehend von aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen werden Lösungen für konkrete Belastungssituationen vorgestellt.

 

Arbeitsbedingte psychische Belastung

Erscheinungstermin: März 2018

Autor: Dr. Gerald Schneider

Gesunde Arbeit, erfolgreiche Mitarbeiter

Psychische Belastungen bestimmen das Arbeitsleben in bislang kaum gekannter Form: Rasante betriebliche Veränderungen, Zeitdruck und Aufgabenvielfalt, aber oft auch ungeeignete Führungskonzepte prägen den Arbeitsalltag in vielen Bereichen heute meist stärker als rein körperliche Belastungen und Unfallgefährdungen.

Richtig handeln bei psychischen Belastungen

Wie sich die maßgeblichen Vorgaben der GDA-Empfehlungen in der betrieblichen Praxis umsetzen lassen, erfahren Sie in diesem prägnanten Einstiegsbuch. Im Fokus stehen:

  • Verbreitung und Ausmaß psychischer Belastungen
  • Gestaltungsgrundsätze für psychisch gesunde Arbeit
  • Belastungs- und Beanspruchungsformen
  • Modellvorstellungen zu psychischen Belastungen
  • Gefährdungsbeurteilung: Ziele, Instrumente, Durchführung
  • Maßnahmengestaltung und Vorschläge für die Wirkungsprüfung

Der leicht verständliche Leitfaden richtet sich insbesondere an Adressaten der GDA-Empfehlungen zur „Qualifizierung betrieblicher Akteure für die Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung“: Arbeitgeber / Führungskräfte, Arbeitnehmervertreter, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte.

Programmbereich: Arbeitsschutz