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Wolken am Horizont der deutschen Energiewende durch das Freihandelsabkommen TTIP? (Foto: jozsitoeroe/Fotolia.com)
Energiewende gefährdet

Freihandelsabkommen TTIP als Gefahr für deutschen Ökostrom?

ESV-Redaktion Recht
09.08.2016
Nach einem Dokument der EU-Kommission sollen alle Energieerzeuger der TTIP-Vertragspartien einen gleichwertigen Zugang zum Stromnetz erhalten. Bremst dies die deutsche Energiewende?
Wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" in seiner Online-Ausgabe berichtet, spricht das EU-Papier vom 20.06.2016 zunächst von der Diskriminierungsfreiheit zwischen den verschiedenen Energieträgern. Ebenso ist dort von kostenorientierten Tarifen die Rede. Beides könnte die deutsche Energiewende verlangsamen. Mit dem Einspeisevorrang und den Einspeisetarifen für Ökostrom verfügt das deutsche Recht nämlich über Instrumente, die den noch jungen erneuerbaren Energien Wettbewerbsvorteile verschaffen. Dies soll dem Ökostrom gegenüber der konventionellen Erzeugung überhaupt erst eine Chance eröffnen.

Der Grund: Mit dem Einspeisevorrang und den Einspeisetarifen für Ökostrom verfügt das deutsche Recht über Instrumente, die den noch jungen erneuerbaren Energien Wettbewerbsvorteile verschaffen. Fallen diese Vorteile weg, ist fraglich, ob vor allem kleinere Ökostromanbieter noch wettbewerbsfähig sind.

EU-Papier erlaubt Ausnahmen

Allerdings soll das EU-Papier auch Ausnahmen erlauben. Voraussetzung hierfür wäre aber, dass eine Regierung legitime politische Ziele verfolgt, die ohne die Ausnahmen nicht verwirklicht werden könnten. Ob Einspeisevorrang und Einspeisetarife solche Ausnahmen sind, ist aber offen.

Einspeisevorang
Nach dem Einspeisevorrang müssen Stromnetzbetreiber vorrangig die Elektrizität abnehmen, die Betreiber von Solar-, Wind-oder Biogasanlagen erzeugt haben. Erst danach dürfen sie den Strom von konventionellen Erzeugern einspeisen. 
Preisvorteile für Ökostrom
Darüber hinaus wird Ökostrom in Deutschland über  Einspeisetarife gefördert. Das heißt, Anlagenbetreiber erhalten einen festen Preis für ihre gelieferte Elektrizität. 

Mit Ausnahme der Photovoltaikfreiflächenanlagen legt die Regierung diesen Preis aktuell noch fest. Nach der aktuellen EEG-Reform soll der Preis aber künftig bei allen erneuerbaren Energien über Ausschreibungen gefunden werden. Voraussichtlich verkaufen Ökostromanbieter ihren Strom dann aber noch immer zu Tarifen, die deutlich über den Markpreisen an der Strombörse liegen. 

Bundesregierung: TTIP keine Gefahr für Deutsche Energiewende

Die Bundesregierung sieht die Energiewende nicht gefährdet. Man geht vielmehr davon aus, dass die Zusammenstellung des Energiemixes weiterhin den Mitgliedsstaaten der EU überlassen bleibt. Diese Einschätzung werde auch von der EU-Kommission geteilt. Dies betonte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber Stromanbieter Vergleich.de

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) möchte schnell weiter über TTIP verhandeln: 

„Ich halte dieses Abkommen für richtig und wichtig und absolut im europäischen Interesse”, erklärte Kanzlerin Merkel auf der Sommerpressekonferenz Ende Juli. „Ich kann nicht einsehen, warum ausgerechnet die beiden größten volkswirtschaftlichen Blöcke nicht Standards setzen sollten in der Welt, gerade wenn es um Verbraucherschutz, Umweltschutz und Ähnliches geht”, fuhr die Kanzlerin fort. Ob das Abkommen schließlich den europäischen Anforderungen entspreche, könne erst nach Abschluss der Verhandlungen entschieden werden. Jetzt gelte es, in den Gesprächen voranzukommen, so Merkel hierzu weiter.

Unterstützung bekommt die Kanzlerin auch aus der Deutschen Wirtschaft. Nach Informationen der Wirtschaftswoche fordert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schnelle Fortschritte bei den Verhandlungen über TTIP. Zugleich spricht sich  BDI-Präsident Ulrich Grillo für mehr Fürsprache der EU-Staats- und Regierungschefs für die Freihandelsabkommen aus. Gerade nach dem britischen Referendum über den EU-Austritt gelte es, die EU zu stärken und für neue Wachstumsimpulse zu sorgen, so Grillo weiter.

Internationale Schiedsgerichte könnten über Ausnahmen entscheiden

Trotz allem wird eine gewisse Rechtsunsicherheit im Sektor der erneuerbaren Energien bleiben. Die Entscheidung über die Ausnahmen würde aller Voraussicht nach in die Hände von Schiedsgerichten gelegt. 

Dabei ist noch unklar, ob diese Gerichte ausschließlich privater Natur sein sollen, wie bisher durchgedrungen war, oder ob es sich dabei um Schiedsgerichtshöfe handeln soll. 

Laut dem Handelsblatt hat sich Bundeswirtschaftsminister Gabriel dafür stark gemacht, dass auch die Kommission mittlerweile Schiedsgerichtshöfe anstatt privater Gerichte fordern soll.

Ganz gleich, für welche Art von Schiedsgerichten man sich entscheidet. Die Gefahr, dass Deutschland vor ein solches Gericht gezerrt werden kann, besteht so oder so. Auch vor einem staatlichen Schiedsgerichtshof würde die Entscheidung über das Vorliegen der Ausnahmen nicht mehr in der Hand des deutschen Gesetzgebers liegen.

Auch interessant: 
Mehr Literatur zur Energiewende
Im Berliner Kommentar EEG, herausgegeben von Frenz/Müggenborg/Cosack/Ekardt, erläutern Ihnen versierte Experten anschaulich und praxistauglich die weitverzweigten Regeln. Gleiches gilt für das Buch EEG II, Anlagen und Verordnungen, herausgegeben von Prof. Dr. Frenz. Im Kommentarpaket empfehlen sich beide Werke als verlässliche Begleiter durch das Regelungsregime des EEG und führen Sie sachkundig durch die komplexe Materie der zahlreichen Anlagen und Verordnungen zum EEG.

Das Buch Energiewende zwischen Klimaschutz und Atomausstieg, herausgegeben von Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde und Dirk Schötz, fasst die Beiträge der 18. Internationalen Sommerakademie zusammen. In dieser widmete sich die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) zentralen Fragen rund um die Folgen des Atomausstiegs. Das Werk wendet sich gleichermaßen an Vertreter aus Behörden, Stiftungen, Wissenschaft, Politik und Verbänden wie an die interessierte Öffentlichkeit.

(ESV/bp)

Programmbereich: Energierecht