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Oliver Haas: „Jeder Mensch hat die Möglichkeit, glücklicher zu werden” (Foto: CORPORATE HAPPINESS)
Nachgefragt bei: Dr. Oliver Haas (Teil 2)

Haas: „Jeder Mensch hat die Möglichkeit, glücklicher zu werden“

ESV-Redaktion Management und Wirtschaft
08.11.2016
Glücklichere Menschen sind erfolgreicher. Hiervon ist Oliver Haas überzeugt. Im zweiten Teil des Interviews mit der ESV-Redaktion spricht der Gründer von CORPORATE HAPPINESS darüber, wie sich eine Unternehmenskultur glücksorientiert ausrichten lässt.
Gilt Ihr neuer Führungs-Ansatz eigentlich für alle: Es gibt ja glücksanfällige Menschen und solche, die glücksresistenter sind?

Oliver Haas: Jeder Mensch hat die Möglichkeit, glücklicher zu werden. Das hat damit zu tun, dass sich unser Gehirn aufgrund von Erfahrungen entwickelt, die wir im Leben machen. Nach Prof. Gerald Hüther gibt es hierbei zwei Grunderfahrungen, die uns so früh und so emotional geprägt haben und die dafür verantwortlich sind, dass wir uns glücklich fühlen: Zum einen die Erfahrung tiefster Verbundenheit - im Bauch der Mutter waren wir über die Nabelschnur aufs engste mit ihr verbunden. Und zum anderen die Erfahrung, dass wir schon als Babies ständig über uns hinausgewachsen sind,  dass wir immer größer geworden sind und auch mehr geschafft haben.

Diese beiden Grunderfahrungen führen dazu, im weiteren Leben auch zu erwarten, dass das so weiter geht. Nicht bei jedem Menschen ist die weitere Entwicklung problemlos verlaufen, wir alle haben uns die ein oder andere Schramme im Leben geholt. Aber die Entwicklung in Richtung dieser beiden Grundbedürfnisse ist für uns alle möglich. Denn wir haben das ja alle erlebt, wissen wie es war und daher ist der Weg dahin zurück möglich.

„Unternehmer kann für seine Mitarbeiter nur die Rahmenbedingungen schaffen”

Aber man kann einen anderen Menschen natürlich nicht glücklicher machen. Und so kann ein Unternehmer auch seine Mitarbeiter nicht glücklicher machen. Er kann nur Rahmenbedingungen hierfür schaffen. Die Voraussetzung ist, dass ein Mensch an sich arbeiten will. Und daher erreicht man Menschen, die dies machen wollen am besten durch Freiwilligkeit.

In unseren CORPORATE HAPPINESS-Projekten gibt es – so die Erfahrungen – ca. 15 bis 20 Prozent der Mitarbeiter, die von Anfang an voll dahinter stehen und die Projekte voll und ganz befürworten. Dann gibt es 60 bis 70 Prozent Skeptiker, also der „typische Deutsche“, der sagt: „Ich warte erst einmal ab, ob das wirklich auch was bringt.“ Und da gibt es auch einige Widerständler.

Wie schaffen Sie es, die Skeptiker zu überzeugen?

Oliver Haas: Was wir in unseren Kursen gelernt haben, ist, dass solche Maßnahmen nur funktionieren, wenn die Teilnehmer absolut freiwillig mitmachen. Und nur auf diese Gruppe konzentrieren wir uns. Diese „Leuchttürme“ der Unternehmenskultur versuchen wir zu entwickeln, indem wir sie zu Botschaftern und zu Trainern ausbilden. Und dann passieren gruppendynamische Effekte, die dazu führen, dass es am Ende eine neue Unternehmenskultur gibt. So ermutigen und inspirieren die Botschafter wieder andere Mitarbeiter. Skeptiker werden zu Interessierten. Aber klar, es verlassen auch Mitarbeiter das Unternehmen. Die werden dann woanders glücklicher als auf ihrem alten Job. Und das Unternehmen hat wieder eine Stelle frei für einen Menschen, der richtig Lust darauf hat.

Das interessante: Hierfür braucht es nur ungefähr 10 Prozent an Botschaftern in einem Unternehmen; und dann sieht und spürt man förmlich, dass sich eine neue Unternehmenskultur entwickelt.

Wichtig ist aber auch, dass wir die Leute in Ruhe lassen, die hierauf keine Lust haben, sofern sie andere nicht negativ beeinträchtigen oder mobben. Es ist völlig in Ordnung, wenn jemand sagt, er sei ein guter Mitarbeiter, der jeden Tag zur Arbeit komme und seinen Job gut mache und der sagt, dass er nicht an sich arbeiten wolle.

Im Untertitel zu Ihrem Buch heißt es, dass glückliche Menschen gerne mehr leisten. Definiert sich Ihrer Meinung nach Glück demnach nur daran, dass Menschen etwas leisten – und das auch noch für einen anderen?

Oliver Haas: Prinzipiell geht es erst einmal nicht um die eigene Leistung, sondern um die eigene Erfüllung, in dem Sinne, ein erfülltes Leben zu haben.

Viele Manager und Mitarbeiter unterliegen dem Trugschluss  zu glauben, dass sie mit wachsendem Erfolg auch glücklicher würden. Doch, wie die Wissenschaft gezeigt hat, ist es genau andersherum. Mehr Erfolg führt demnach nicht zu mehr Glück und schon gar nicht langfristig, sondern glücklichere Menschen sind auch erfolgreicher! Sie sind 31 Prozent produktiver, verkaufen 37 Prozent mehr, sind dreimal kreativer, weniger krank und loyaler gegenüber dem Arbeitgeber. Die Zahlen beruhen nicht nur auf einer Studie, sondern sind Ergebnisse aus einer auf über 200 Einzelstudien basierenden Metastudie.

Diese Werte gelten übrigens nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für das Kollektiv. Unternehmer berichten, dass sich Umsätze innerhalb von 3 Jahren verdoppelt, Krankheits- und Fluktuationsraten halbiert haben und sich fünfmal so viele qualifizierte Arbeitssuchende für eine Stelle bewerben, seit das Unternehmen das Glück der Mitarbeiter in den Mittelpunkt gestellt hat.

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Die Ergebnisse lassen viele Unternehmer natürlich aufhorchen. Im Grunde genommen ist es eigentlich eine Win-win-Situation: Glückliche Menschen wollen sich mehr entfalten und tun es auch, wenn sie die Möglichkeiten dazu haben.

Und das funktioniert immer?

Oliver Haas: Aus unserer Beratungspraxis in den vergangenen Jahren haben wir gelernt, dass es nicht so gut funktioniert, wenn ein Unternehmer nur nach den wirtschaftlichen Ergebnissen schielt. Wenn ein Unternehmer nur sagt, super, jetzt mache ich Projekte mit CORPORATE HAPPINESS und dann leisten meine Mitarbeiter auch mehr, funktioniert das nicht im selben Ausmaß wie gerade geschildert. Der Hebel ist am größten, wenn der Unternehmer es nur für die Menschen tut und sich nebenbei freut, wenn auch etwas dabei rumkommt. Dann profitiert man in einem nicht geahnten Ausmaß.

Bei Volkswagen war es die Angst, Fehler zu begehen, die zu einer Angstkultur geführt hat. Besteht nicht die Gefahr, dass ein Unternehmen alles mit einer Rosaroten-Glücksbrille betrachtet?

Oliver Haas: Grundsätzlich nehmen Menschen nur sehr wenig von ihrer Außenwelt bewusst wahr. Was draußen passiert, dringt nur zu 0,004 Prozent in unser Bewusstsein ein. Dieser Filter ist maßgeblich dafür verantwortlich, wie wir die Welt wahrnehmen. Daher würde ich hier nicht von einer Rosaroten-Brille sprechen, sondern von der Möglichkeit, in einer Situation das zu erkennen, was überhaupt die Wirklichkeit ist. Wir haben ja eine deutlich verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit. Sie müssen sich ja nur die Medien anschauen, wieweit dort polarisiert wird, indem das Schlechte und die Gefahren überrepräsentiert werden. Wenn zum Beispiel ein Flugzeug abstürzt, dann findet sich dies über Wochen in den Headlines der Nachrichten. Aber nur einmal im Jahr gibt es eine kleine Nachricht, dass zum Beispiel am Münchner Flughafen dieses Jahr wieder Millionen von Menschen sicher gestartet und gelandet sind. An diesem Beispiel sehen sie, wie verzerrt wir die Realität wahrnehmen.

„Wir laufen mit einer dunkelgefärbten Brille herum”


Wir laufen demzufolge heute nicht mit einer durchsichtigen Brille durch die Welt, sondern mit einer dunkelgefärbten Brille. Es wäre daher eher angesagt, nicht die Rosarote-Brille aufzusetzen, sondern die mit den weißen Gläsern, um zu sehen, wie die Welt wirklich ist.

Dann eben anders gefragt: Wäre der VW-Skandal auch passiert, wenn der Konzern eine glücksorientierte Unternehmenskultur gehabt hätte? Besteht also umgekehrt nicht die Gefahr, dass eine Kultur, die glücksgeprägt sein will, negative Aspekte einfach ausblendet?

Oliver Haas: Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern: Wir von CORPORATE HAPPINESS haben sehr viel mit Hotels zu tun. Und was uns Rezeptionisten, gerade in 5-Sterne-Hotels erzählen, ist bezeichnend. Nicht wenige Gäste beschweren sich, nachdem sie fünf Minuten auf dem Zimmer waren, dass entweder die Matratze zu hart oder zu weich ist oder dass auf der Gardinenstange Staub liegt. Diese Gäste nehmen das Schlechte verstärkt wahr, obwohl sie eigentlich an einem Ort sind, der nicht schöner sein kann. Und das hat nichts damit zu tun, dass die äußeren Rahmenbedingungen so sind, wie sie sind, sondern, wie dieser Wahrnehmungsfilter eingestellt ist. Und in diesen Fällen ist dieser eben darauf fokussiert, dass Fehler nicht vorkommen dürfen und so erleben diese Menschen dann auch die Welt.

Und das führt uns zum Thema Fehlerkultur. Es gibt – und darauf haben Sie ja in ihrer Frage angespielt – eine Fehlerkultur, die darauf angelegt ist, dass Fehler was ganz Schlimmes sind. Fehler sind  unbedingt zu vermeiden. Fehler werden in so einer Umgebung auch immer sofort bestraft: Mitarbeiter haben Angst haben und melden Fehler auch nicht, wie ja bei Volkswagen zu beobachten war.

Aber es gibt eben auch die Einstellung, dass Fehler per se nicht Schlechtes sind, sondern die Basis für einen unglaublichen Lernerfolg sein können.

Bleiben wir beim Ausblenden von Fehlern. Das ist doch eigentlich ein Weg, glücklicher zu leben?

Oliver Haas: Nein, Fehler und Konflikte müssen ihren Platz haben, sie sind ja die Basis für Optimierung und Weiterentwicklung. Ein Beispiel hierzu aus der Beziehungsforschung. Der amerikanische Psychologe John Gottman hat gezeigt, dass er mit einer über 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit voraussagen konnte, ob ein Paar in drei Jahren noch zusammen ist oder nicht, indem er sich das Kommunikationserhalten des Paares angesehen hat. Laut Gottman ist ein Kommunikationsverhalten von 5 zu 1 optimal, wobei 1 für die Anzahl der Konflikte, und 5 für die positiv geladenen positiven Botschaften steht. Wenn das Kommunikationsverhalten eines Paares dieses positive Verhältnis aufweist, ist davon ausgehen, dass das Paar auch noch in fünf Jahren zusammen ist. Schon hier kann man sehen, dass Konflikte völlig ok sind, nur muss dem eine größere Positivität gegenüberstehen.

Dieses Phänomen hat man dann auch auf die Wirtschaft übertragen. Marcial Losada hat herausgefunden, dass das gerade geschilderte Kommunikationsverhältnis in der Wirtschaft optimaler Weise 3 zu 1 - Anzahl Positivität zu Anzahl Konflikte - ist. Man konnte anhand dieses Verhältnisses signifikant erklären, ob ein Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher ist oder nicht. Dieses Verhältnis von 3 zu 1 war jedoch als Optimalwert zu verstehen: Ein Unternehmen, bei dem das Verhältnis zum Beispiel 7 zu 1 ist, ist eben nicht glücklicher und auch nicht erfolgreicher. In diesen Unternehmen ist es nicht mehr möglich, Konflikte oder Fehlentwicklungen anzusprechen. Das verhinderte Lernerfolge und Verbesserungen.

Ein solches Unternehmen hat damit auch keine glücksorientiertere Unternehmenskultur. Es geht vielmehr darum, richtig hinzuschauen, das Gute wertzuschätzen, was wir viel zu wenig machen. Mit dem Negativen ist anders umzugehen – man soll es bewusst wahrnehmen und als Chance zu begreifen. VW hingegen lavierte sich meines Erachtens in eine Vermeidungshaltung hinein.

Hinter einer glücksorientierten Unternehmenskultur stehen nämlich ethische Werte. Und wenn bei Volkswagen eine Wertekultur gelebt worden wäre, wäre dieser Skandal nicht passiert. Denn man wäre mit den Fehlentwicklungen anders umgegangen.

Zur Person
Dr. Oliver Haas war fünf Jahre Wirtschaftsprofessor an der Hochschule für angewandtes Management. Er hält regelmäßig Vorlesungen an den Universitäten Jena und Bayreuth sowie an den Hochschulen München und Erding. Dr. Haas lebt und arbeitet in München.

Im Rahmen der ARD-Themenwoche "Zukunft der Arbeit" stellt Oliver Haas in der Sendung Panorma (ARD, 3.11.2016, 21:45 Uhr) den CORPORATE HAPPINESS-Ansatz vor. Als Video on Demand können Sie die Sendung auch in der Mediathek abrufen: http://www.daserste.de/mediathek

Im ersten Teil des Interviews geht Oliver Haas der Frage nach, woher die Sehnsucht nach dem Glück kommt und wie wir glücklich bleiben können – auch angesichts von schweren Schicksalsschlägen.
 
Zum Buch
Happy@work? Oliver Haas zeigt in dem Band CORPORATE HAPPINESS als Führungssystem auf Basis der Positiven Psychologie und der Hirnforschung, wie jeder Einzelne das Glücklichsein erlernen und erleben kann, und wie sich menschliche Beziehungen in Unternehmen erfolgreicher gestalten lassen. Eine glücksbasierte Unternehmenskultur schafft Grundlagen für mehr Kreativität, Innovationsfähigkeit, langfristige Performance und zusätzliche Renditen. In die 2. Auflage des Erfolgsbuchs sind vier Jahre Umsetzungserfahrung eingeflossen.

(ESV/ms)

Programmbereich: Management und Wirtschaft