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Informelle Gruppen: Eine Herausforderung für die Compliance (Foto: digitalstock)
Serie Mitarbeiter-Compliance, Teil 6

Informelle Gruppen: Herausforderung für die Compliance

Thomas Schneider
04.09.2015
Organigramme helfen der Compliance, die Struktur eines Unternehmens zu überblicken. Aber zeigen sie wirklich alles? Nein, sagt Thomas Schneider. Insbesondere informelle Gruppen stellen die Compliance vor große Herausforderungen.
Eine Grundvoraussetzung für die Compliance ist es, die Struktur eines Unternehmens vollständig zu erfassen: Wer berichtet an wen und wo bestehen möglicherweise Abhängigkeiten oder Funktionsüberschneidungen? Organigramme und Funktionsbeschreibungen geben einen ersten Überblick. Aber: Sie zeigen nur die „offizielle“ Seite!

 Informelle Abhängigkeiten und Bindungen sind selbstredend nicht abgebildet. Diese zu identifizieren ist aber für die Compliance notwendig, da informelle Gruppen Kontrollmechanismen außer Kraft setzen und das Unternehmen gefährden (können).

Was sind informelle Gruppen?


Informelle Gruppen zeichnen sich durch direkte Beziehungen und physische Nähe der Mitglieder aus, die maximale Anzahl liegt bei 20 Mitgliedern. Die Mitglieder teilen Ziele und Werte und das eigene Handeln wird durch die anderen Mitglieder beeinflusst. Zudem ist die Zusammenarbeit meist dauerhaft.

Informelle Gruppen entwickeln zudem eigene Instrumente der Belohnung und Bestrafung. An erster Stelle steht die Zugehörigkeit bzw. der Status in der Gruppe. Mit gemeinsam begangen kriminellen Handlungen erhält die Gruppe darüber hinaus Sanktionsinstrumente. Wenn überführte Mitarbeiter mit strafrechtlicher Verfolgung und unverzüglicher Entlassung rechnen, ist die Sorge vor einer Aufdeckung besonders groß.

Unterschiedliche Risikoausprägung

Compliance-Verantwortliche sind daher darauf angewiesen, die Risikorelevanz einzelner Gruppen zu ermitteln, indem sie die unterschiedlichen Risikoausprägungen analysieren (siehe Tabelle).
 
Gruppenstruktur

Abteilungsübergreifend hoch gering
Abteilungsintern mittel sehr hoch
    Dynamisch, Wachsend Statisch, Schrumpfend
    Geschäftsfeldentwicklung


  • Gruppenstruktur
Abteilungsinterne Gruppen

Zu einer informellen Gruppe wird eine Abteilung, wenn die formellen Kriterien ausgeschaltet werden. Dies betrifft die Hierarchie, vor allem die Dienstaufsicht, zusätzlich werden Kontrollmechanismen einer Ebene, wie das „Vier-Augen-Prinzip“ oder die Aufgabenrotation ausgesetzt.

Abteilungsübergreifende Gruppen

Abteilungsübergreifende Gruppen richten sich an bestimmten Prozessen aus. Wenn bspw. der Bedarfsanforderer Verwandter des Einkäufers ist, welcher wiederum einen Freund in der Rechnungsprüfung hat, werden Sicherheitsmaßnahmen unwirksam.
  • Geschäftsfeldentwicklung
Schrumpfende Tätigkeitsfelder

Die Aufgaben sind nicht nur räumlich am Rand des Unternehmensgeländes angesiedelt. Die Tätigkeit ist wenig prestigeträchtig und unterdurchschnittlich bezahlt, die Personalbeschaffung ist schwierig, Gruppenmitglieder machen eigene Vorschläge.

Wachsende Tätigkeitsfelder

Aufgabenfelder oder Märkte geraten in den Blickpunkt, Wachstum ist das Motto. Schnelligkeit geht vor Sorgfalt, um Richtlinie und Vorschriften könne man sich nicht kümmern. Zwar kommen neue Mitarbeiter hinzu, die bei Beginn bereits tätigen Personen steigen gemeinsam auf und bleiben durch das alte Netzwerk einander verbunden.

Identifikation informeller Gruppen

Eine weitere Herausforderung besteht darin, die informellen Gruppen im Unternehmen zu identifizieren. Die folgenden Fragen geben Hinweise auf entsprechende Gruppen:
  • In welchen Tätigkeitsfeldern besteht auffällig hohe oder geringe Fluktuation?
  • Wer empfiehlt neue Mitarbeiter, wie erfolgt die Einstellung?
  • Wann erfolgte der letzte Eintritt eines neuen Mitarbeiters?
  • Haben die Mitarbeiter ihre Ausbildung in der gleichen Ausbildungsstätte absolviert?
  • Gibt es verwandtschaftliche Beziehungen?
  • Bestehen bei der überwiegenden Anzahl der Mitarbeiter vergleichbare Persönlichkeitsmerkmale: Geschlecht, Nationalität, Alter?
  • Existieren unattraktive Aufgabenfelder? Resultieren daraus unterdurchschnittliche Bezahlung und geringe Aufstiegschancen?
  • Sind Aufgabenfelder vom Unternehmensstammsitz räumlich getrennt?

Serie Mitarbeiter-Compliance

Im Teil 7 der Serie Mitarbeiter-Compliance erfahren Sie, was Sie gegen informelle Gruppen unternehmen können.

Zur Person

Dipl.-Kaufmann Thomas Schneider ist für die Corporate Compliance der Knauf Interfer SE verantwortlich, einem führenden Distributions-, Service- und Bearbeitungsunternehmen für Stahl und Aluminium. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen zur Compliance. Im Erich Schmidt Verlag ist der Band Mitarbeiter-Compliance erschienen.

Literaturhinweis

Weitere Informationen zu dem Thema gibt das Buch "Mitarbeiter Compliance". Das eBook steht Abonnenten von COMPLIANCEdigital ebenfalls kostenfrei zur Verfügung.
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