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Der „Polarisierer” Karl Kraus (Foto: Atelier Joel Heinzelmann, Berlin 1921)
Im Urteil der Kritik

Karl Kraus hat zeit seines Lebens polarisiert

ESV-Redaktion Philologie
26.01.2016
Karl Kraus (1874–1936) hat im Wien der Jahrhundertwende nicht nur als Publizist, Satiriker, Lyriker und Dramatiker gewirkt, sondern vor allem auch als scharfzüngiger Sprachkritiker der zeitgenössischen Presse. Doch wie nahmen ihn Zeitgenossen und Literaturkritiker wahr?
„Wenn ich diesen Burschen lese, / Mahnt mich immer was an Käse. / Wie er schabt und wie er schuftet, / Silben dreht und Worte klaubt, / Wie er schweißverweslich duftet, / Wie er glubscht, ob man ihm glaubt. / Wie er mistet, rabulistet!“ Mit diesen Versen beginnt das von Alfred Kerr 1928 publizierte Gedicht „Der Polemist“, das ganz unzweifelhaft den Wiener Schriftsteller Karl Kraus porträtiert. Karl Kraus (1874–1936) hat im Wien der Jahrhundertwende nicht nur als Publizist, Satiriker, Lyriker und Dramatiker gewirkt, sondern vor allem auch als scharfzüngiger Sprachkritiker der zeitgenössischen Presse.

Der nun von Dietmar Goltschnigg herausgegebene Band „Karl Kraus im Urteil literarischer und publizistischer Kritik. Texte und Kontexte, Analysen und Kommentare“ erfasst die Kraus-Rezeption im Zeitraum von 1892 bis 1945 und stellt auf der Basis eines repräsentativen Textkorpus von 154 Beiträgen die Wirkung von Karl Kraus auf Zeitgenossen und Literaturkritiker dar.

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Kraus nahm in der „Fackel” keine große Rücksicht

Karl Kraus hat zeit seines Lebens polarisiert. Dass er Herausgeber der kulturkritischen Zeitschrift „Die Fackel“ war, verschaffte ihm ein eigenes Medium, in dem er keine allzu großen Rücksichten nehmen musste. Thematische Schwerpunkte seines Schaffens waren die Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Jungwiener Autoren, Judentum und Antisemitismus, Krieg, Sittlichkeit, Kriminalität und Psychoanalyse. Mit seinen  Aphorismen und Kritiken machte er sich viele Feinde und wenig Freunde, oder wie er selbst einmal sagte: „ Aufregen kann ich sie alle. Jeden einzelnen zu beruhigen, geht über meine Kraft“.

So schillernd wie Karl Kraus’ Publizistik und sein öffentliches Wirken war, so vielfältig und oszillierend ist seine Rezeption. Von literarisch unbeholfenen Hasstiraden über schonungslose Auseinandersetzungen, differenzierten und kritischen Würdigungen über euphorische Anhängerschaft bis hin zu Zeugnissen, die Kraus in die Sphäre eines weltenthobenen Göttlichen rücken, finden sich sowohl Kommentare, Essays und Reflexionen als auch literarische Genres wie Dramen- und Romanauszüge, deren Gegenstand jedes Mal Karl Kraus ist.

Gegliedert in drei Teile, bietet der umfangreiche Band zunächst eine Analyse von Rezeptionsschwerpunkten zu Kraus’ Werk und eine Einführung in die wichtigsten Gegenstände von Kraus’ Schaffen. Den zweiten Teil bilden Texte über Kraus, die teils komplett, teils in wohlausgesuchten Auszügen abgedruckt werden und ihr jeweiliges Bild von dem Künstler vermitteln. In einem abschließenden Teil werden die Rezeptionszeugnisse im Kontext kommentiert und über ein umfangreiches Register erschlossen.

Wie Karl Kraus nach 1945 rezipiert wurde, wird in einem 2. Band von Dietmar Goltschnigg dargestellt, dessen Erscheinen für 2017 angekündigt ist.

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(ESV\ln)


Zum Autor
Dietmar Goltschnigg ist Professor für neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz.
Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Wirkungsgeschichte von Georg Büchner, Heinrich Heine und Karl Kraus, ferner deutsch-/österreichisch-jüdische Literatur und interdisziplinäre Themen (Zeit, Angst, Plagiat, Fälschung, Urheberrecht u. a.).
Zum Band
Das Buch „Karl Kraus im Urteil literarischer und publizistischer Kritik. Texte und Kontexte, Analysen und Kommentare. Band 1: 1892–1945“ ist im Erich Schmidt Verlag erschienen. Sie können es bequem hier bestellen.

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