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Kronzeugen gesucht (© Mike Watson Images Limited)
Compliance-Management-Systeme

Kartellrechts-Compliance – sinnvoll oder nicht?

Mario Schulz, ESV-Redaktion COMPLIANCEdigital
05.06.2015
Kartelle lohnen sich nicht! Früher oder später kommt die Quittung. Compliance-Programme sollen Unternehmen helfen, sich vor Kartellrechtsverstößen abzusichern. Doch reicht das im Kampf gegen Kartelle?
2014 war das bisher erfolgreichste Jahr im Kampf gegen Kartelle. Allein in Deutschland wurden insgesamt 67 Unternehmen und 80 Einzelpersonen mit Kartellbußen in Höhe von über eine Milliarde Euro belegt. Auch weltweit stieg die Zahl der Kartellbußen auf ein neues Rekordhoch. Laut der aktuellen Studie "Global Cartel Enforcement Review (2014)" der internationalen Anwaltskanzlei Allen & Overy, verhängten Kartell-Behörden allein 2014 Bußgelder in Höhe von 5.287 Milliarden US-Dollar. Unternehmen, wie z.B. die Deutsche Bahn, die massiv von illegalen Preisabsprachen betroffen sind, intensivieren daher ihren Kampf gegen Kartelle – und das durchaus erfolgreich.

Compliance-Programme gegen Kartellrechtsverstöße

Kartellrechts-Compliance wird daher für viele Unternehmen immer wichtiger. Die Herausforderung:  Die Grenzen zwischen kartellrechtskonformem und kartellrechtswidrigem Verhalten sind in vielen Bereichen fließend. Kein Wunder also, dass das Interesse auf Seiten der Unternehmen steigt, sich besser gegen Kartellrechtsverstöße abzusichern. Viele Unternehmen wollen mit eigens entwickelten Compliance-Programmen Kartellrechtsverstößen entgegenwirken. Doch reichen die Anstrengungen und werden die Bemühungen von Seiten der Kartellbehörden ausreichend gewürdigt?

Auch auf dem dritten Viadrina Compliance Kongress wurde die Frage kontrovers diskutiert. Bestimmt wurde die Diskussion von der Aussage des ehemaligen EU-Wettbewerbskommissars Joaquín Almunia (2010-2014): "Why should I reward a compliance programme that has failed?“, die er in einer vielbeachteten Rede anlässlich der Businesseurope & US Chamber of Commerce Konferenz in Brüssel im Oktober 2010 äußerte.

Kronzeugen gegen Kartelle am wirksamsten

Während Dr. Klaus Moosmayer, Chief Compliance Officer der Siemens AG sowie Leiter der globalen Siemens Compliance Organisation, der Aussage von Almunia widersprach, unterstrich Dr. Stephan Simon, stellvertretender Referatsleiter in der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission, die Aussage seines früheren Vorgesetzten noch einmal. Nach seiner Ansicht sei die in der EU praktizierte Kronzeugenregelung, nachdem der erste, der gegen das Kartell aussagt, einen Rabatt von 100 Prozent einstreichen kann, weitaus effektiver als das bloße Vorhalten eines Compliace-Management-Systems (CMS) im Unternehmen. Die Kronzeugenregelung funktioniere bestens, so Simon. In seinen Augen biete das Kronzeugenprogramm einen größeren Anreiz mit Kartellen aufzuhören bzw. schnell zur Behörde zu gehen.

Moosmayer hält dem entgegen, dass ein CMS, das einen potenziellen Verstoß anzeigt, ja gerade seine Effektivität unter Beweis stellen würde. Zudem könne keine Organisation Rechtstreue für alle seine Mitglieder garantieren. Die Bemühungen sollten, so Moosmayer, aber auf jeden Fall anerkannt werden. Andere europäische Länder würden dies vormachen. Deutschland solle sich daher der Diskussion nicht verschließen.

Grundlegend steht Simon Compliance-Programmen positiv gegenüber: „Wir finden Compliance-Programme gut“. Compliance-Programme haben in seinen Augen aber lediglich einen präventiven Charakter. Sie unterstützen Unternehmen primär bei der internen Aufklärung. Auch sind sie ein Hilfsmittel für den Aufbau einer Compliance-Unternehmenskultur. Denn das schönste Compliance-Programm helfe nichts, wenn die Kultur nicht stimme, so Simon.

Kartellamt gewährt selten Rabatte

Unterstützung erhielt Moosmayer von der Leiterin der Abteilung Kartellbekämpfung im Bundeskartellamt, Dr. Katharina Krauß. Im deutschen Kartellrecht könne unter bestimmten Voraussetzungen Compliance-Maßnahmen anerkannt werden. Allerdings habe das Kartellamt hiervon noch nicht Gebrauch gemacht, da in den aktuellen Fällen bei Kartellrechtsverstößen die Unternehmensleitung immer direkt involviert war. Würde hier das Vorhalten eines CMS berücksichtigt, bestünde die Gefahr, dass die Geschäftsführung ein Schein-CMS aufbaut, in der Hoffnung, wenn das Kartell auffliegt, einen Rabatt zu bekommen. Dies kann nicht im Sinne der Kartellbehörde sein und deswegen können CMS-Programme nicht angerechnet werden, wenn die Geschäftsführung direkt im Kartell involviert ist, so Krauß.

Laut Krauß zeigen die Anreize der Kartellbehörden aber bei den Unternehmen bereits Wirkung.
So könne sie eine Zunahme an Schulungen, Beratern, Veröffentlichungen, Studien und Veranstaltungen zu dem Thema feststellen. Auch sei die Anzahl der Unternehmen mit einem Compliance-Programm gestiegen. Ihrer Meinung nach führen Compliance Programme auch dazu, dass Unternehmen auf Kartellbehörden frühzeitig zukommen, was ebenfalls eine positive Entwicklung ist und sicherlich auch ein Grund für die Zunahme der aufgedeckten Kartelle sei.

Salamitaktik oder volle Kooperation bei Kartellrechtsverstößen?

Interessant war auch die Perspektive von Dr. Markus Schoener, Leiter des Geschäftsbereiches Kartellrecht bei der Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle. Schoener stellte die Frage, wie sich Unternehmen verhalten sollen, wenn ein Kartellrechtsverstoß – auch mit Hilfe eines CMS – aufgedeckt wurde. Sein Rat: Natürlich müsse man mit den Behörden kooperieren. Allerdings dürfen auch Schadensersatzansprüche, die auf die Unternehmen zukommen, nicht ganz aus den Augen verloren werden. Jedes Unternehmen muss sich daher gut überlegen, ob und vor allem wie man kooperiert.

Das Problem bestehe laut Simon auch darin, dass Kooperation selten honoriert werde. Zudem müsse in seinen Augen auch gute Compliance-Maßnahmen anerkannt werden. Ähnlich wie Moosmayer ist auch Schoener der Meinung, dass kein Compliance-Programm alle Rechtsverstöße verhindern könne.

Unternehmen, die die richtigen Konsequenzen ziehen, und ihr CMS verbessern, sollten durchaus auch belohnt werden, so Schoener. In Frankreich, so der Siemens Compliance-Beauftragte Moosmayer, würde ein nachträgliches CMS auch belohnt. Dies könne ein Modell für Deutschland sein.

Literaturempfehlungen zum Thema Kartellrechts-Compliance

In dem von Prof. Dr. Josef Wieland, Dr. Roland Steinmeyer und Prof. Dr. Stephan Grüninger herausgegebenen "Handbuch Compliance-Management" setzt sich Dr. Georg Weidenbach in seinem Beitrag die existenzsichernde Bedeutung von Compliance im Kartellrecht auseinander.

In dem Band "Betriebswirtschaftliche Grundsätze für Compliance-Management-Systeme: Struktur, Elemente und Ausgestaltung nach IDW PS 980" erschließt Dr. Karl-Heinz Withus die bislang überwiegend juristisch diskutierten CMS-Gestaltungsgrundsätze erstmals aus betriebswirtschaftlicher Sicht.

Jürgen Stierle und Helmut Siller beschreiben in dem Band "Praxishandbuch Korruptionscontrolling: Konzepte – Prävention – Fallbeispiele", wie ein zielgerichtetes Korruptionscontrolling zu mehr Transparenz beiträgt und wie sich das Compliance-Management und die Internen Revision mit anderen Funktionsbereichen im Unternehmen verzahnen lässt.