Kein Rechtsschutz für Gesichtsschutz („Face-Shield“)
Zehnte Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz (10. CoBeLVO) vom 19.06.2020 Teil 1 Allgemeine Schutzmaßnahmen § 1 (3) Soweit in dieser Verordnung eine Maskenpflicht angeordnet wird, ist im öffentlichen Raum bei Begegnung mit anderen Personen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen (Maskenpflicht). (4) Das Abstandsgebot sowie die Maskenpflicht gelten nicht … 2. für Personen, denen dies wegen einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist; dies ist durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, … Teil 6 Bildung und Kultur § 12 Schulen, Staatliche Studienseminare für Lehrämter (1) Der Schulbetrieb findet gemäß den Vorgaben des für die Angelegenheiten des Schul- und Unterrichtswesens zuständigen Ministeriums im Einvernehmen mit dem für die gesundheitlichen Angelegenheiten zuständigen Ministerium statt. Der „Hygieneplan-Corona für die Schulen in Rheinland-Pfalz“, veröffentlicht auf der Internetseite des Ministeriums für Bildung, in seiner jeweils geltenden Fassung, ist anzuwenden. Hygieneplan-Corona für die Schulen in Rheinland-Pfalz, 5. überarbeitete Fassung, gültig ab 17.08.2020 II.1.a) Persönliche Hygiene: Folgende Hygiene- und Schutzmaßnahmen sind zu beachten: … Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB): grundsätzlich für alle Personen auf dem Schulgelände (Lehrkräfte und weiteres schulisches Personal, Schülerinnen und Schüler, Externe) verpflichtend. Diese Pflicht umfasst alle Räume und Flächen im Schulgebäude (Unterrichts- und Fachräume, Flure, Gänge und Treppenhäuser, beim Pausenverkauf, in der Mensa, im Verwaltungsbereich) und im freien Schulgelände. … |
Erstens – so das VG – „gilt grundsätzlich die Maskenpflicht für alle Personen auf dem Schulgelände“. Das ist allerdings dem Gesamtsystem der Corona-Regelungen in Rheinland-Pfalz nicht so einfach zu entnehmen. § 1 Abs. 3 der 10. CoBeLVO ordnet die Maskenpflicht nämlich noch nicht an. Das erfolgt erst durch § 12 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. dem Hygieneplan. Das ist ein Beispiel für die Inkorporation nicht zwingender Akte in das Recht (siehe ausführlich Wilrich, Die rechtliche Bedeutung technischer Normen als Sicherheitsmaßstab, 2017).
Zweitens „ist die Verwendung eines Gesichtsvisiers nicht mit einer MNB i.S.d. 10. CoBeLVO gleichzusetzen. MNB, auch Alltagsmasken oder Community-Masken genannt, haben unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie die Funktion, als mechanische Barriere dazu beizutragen, die Verbreitung durch virushaltige Tröpfchen in die unmittelbare Umgebung, die man z.B. beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstoße, zu reduzieren und dadurch andere Personen zu schützen (Fremdschutz). Deshalb muss die MNB möglichst eng anliegen und gut sitzen, um das Vorbeiströmen von Luft an den Rändern der Maske zu verringern. Unter den Begriff der „MNB“ fielen nach dem Sinn und Zweck der Maskenpflicht Masken, die aus handelsüblichen Stoffen genäht würden. Ein Gesichtsvisier könne – zumindest nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand – nicht als MNB bzw. als Alternative zur MNB angesehen werden. Aktuelle Studien wiesen darauf hin, dass die Rückhaltewirkung von Visieren auf ausgestoßene respiratorische Flüssigkeitspartikel deutlich schlechter sei. Denn Visiere könnten in der Regel maximal die direkt auf die Scheibe auftretenden Tröpfchen auffangen“. Das ist ein gutes Beispiel für die Auslegung einer Rechtsvorschrift nach ihrem Sinn und Zweck (teleologische Auslegung von „telos“, lateinisch für Ziel).
Drittens hat der Schüler „die Befreiungsvoraussetzungen nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Dem Attest fehlt es an Aussagekraft. Aus dem Attest müsste sich nachvollziehbar mindestens ergeben, auf welcher Grundlage der Hausarzt seine Diagnose gestellt habe und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstelle. Vor dem Hintergrund, dass der Schüler während des Unterrichts gerade keine MNB tragen müsse, so dass sich die Nutzungspflicht lediglich auf die Zeit außerhalb des Unterrichts (Pausen, Aufsuchen anderer Unterrichtsräume oder des Sekretariats) beschränke, hätte der Hausarzt darlegen müssen, aus welchen konkreten Gründen es dem Antragsteller unzumutbar sein soll, in diesem relativ kurzen Zeitraum auf dem Schulgelände eine MNB zu tragen“. Das ist ein gutes Beispiel für die Verweigerung des Rechtsschutzes bei nicht ausreichender Substantiierung der rechtlichen Voraussetzungen („Butter bei die Fische“).
Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich ist tätig rund um die Themen Produktsicherheit, Produkthaftung und Arbeitsschutz einschließlich Betriebsorganisation, Führungskräftehaftung, Vertragsgestaltung und Strafverteidigung. Er ist an der Hochschule München zuständig für Wirtschafts-, Arbeits-, Technik- und Unternehmensorganisationsrecht und Autor von Fachbüchern: Sicherheitsverantwortung (Erich Schmidt Verlag), Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), Rechtliche Bedeutung technischer Normen. |
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Programmbereich: Arbeitsschutz