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Luise Uhl-Ludäscher zur Erbschaftsteuer (Foto: Sebastian Berger)
Nachgefragt bei: Luise Uhl-Ludäscher

Koalition einigt sich bei der Erbschaftsteuer

ESV-Redaktion Steuern
22.06.2016
Die Koalition hat sich bei der Erbschaftsteuer auf ein Reformmodell geeinigt. Über die sich daraus speziell für Familienunternehmen ergebenden Änderungen sprach die ESV-Redaktion mit Steuerberaterin Luise Uhl-Ludäscher, Expertin für Erbschaftsteuerrecht bei CMS Hasche Sigle.

Frau Uhl-Ludäscher, das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung im Dezember 2014 die Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer als nicht mit der Verfassung vereinbar beurteilt und den Gesetzgeber aufgefordert bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu treffen. Nun hat sich die Koalition nach langem Ringen kurz vor Ablauf der Frist auf ein Reformmodell geeinigt. Welche Kernpunkte beeinhaltet es?


Luise Uhl-Ludäscher: Großvermögen – das sind Unternehmenserwerbe ab 26 Millionen Euro begünstigten Vermögens je Erwerber – müssen mit deutlichen Verschlechterungen rechnen. Eine Minderung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer ist bei diesen Unternehmensübertragungen im Rahmen einer Verschonungsbedarfsprüfung möglich, soweit die Hälfte des Privatvermögens und des nicht begünstigten Betriebsvermögens nicht ausreicht, die Steuer zu bezahlen. Soll das Privatvermögen nicht offen gelegt werden, kann alternativ ein sogenanntes Verschonungsabschlagsmodell zur Anwendung kommen. Die Verschonung von 85 Prozent bzw. 100 Prozent wird hier schrittweise von 26 Millionen Euro bis zu einem begünstigten Erwerb von 90 bzw. 89,75 Millionen Euro vermindert. Bei darüber hinausgehenden Unternehmenserwerben wird keine Begünstigung mehr gewährt, so dass der gesamte Erwerb steuerpflichtig ist.

Kleine Unternehmen mit wenigen Beschäftigten sollen vom Nachweis des Arbeitsplatzerhalts befreit und so von bürokratischen Pflichten entlastet werden. Allerdings soll dies nicht mehr wie bisher für Betriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern, sondern nur noch für Betriebe mit bis zu fünf Arbeitnehmern gelten.

Eine Entlastung soll auch die Investitionsklausel bringen. Danach werden diejenigen Mittel aus einem Erbe (nicht bei Schenkung), die gemäß dem vorgefassten Willen des Erblassers innerhalb von zwei Jahren nach seinem Tod für Investitionen in das Unternehmen getätigt werden, steuerlich begünstigt.

Ergeben sich durch die Reform auch Änderungen bei der Beurteilung des Betriebs- bzw. Verwaltungsvermögens?

Luise Uhl-Ludäscher: Die Abgrenzung des Betriebs- und Verwaltungsvermögens soll – abweichend von dem vorliegenden Gesetzentwurf aus September 2015 – entsprechend dem Anliegen der Bundesländer im Wesentlichen nach den bisherigen Grundsätzen erfolgen. Liquide Mittel rechnen etwas schneller als bisher zum nicht begünstigten Verwaltungsvermögen, allerdings sollen z.B. Altersversorgungsverpflichtungen und verpachtete Grundstücke in bestimmten Fällen zukünftig begünstigt sein können.

Die deutsche Unternehmensstruktur ist geprägt von mittelständischen Familienunternehmen. Welche Auswirkungen wird die Reform auf diese Betriebe haben?

Luise Uhl-Ludäscher: Für viele mittelständische Unternehmen wird die Reform keine nachteiligen, sondern sogar positive Auswirkungen haben. Die Steuerbegünstigungen bleiben dem Grunde nach erhalten und zudem wird das gesetzlich anwendbare Bewertungsverfahren auf einen realistischeren Wert angepasst, indem der Kapitalisierungsfaktor, der zur Bewertung herangezogen wird, um rund ein Drittel von rund 18 auf 10 bis maximal 12,5 abgesenkt werden soll, so dass auch die steuerrelevanten Unternehmenswerte um rund ein Drittel sinken werden. Für mittelständische Familienunternehmen, deren Gesellschaftsverträge Verfügungs- und Entnahmebeschränkungen vorsehen, ist zudem ein weiterer Abschlag von bis zu 30 Prozent vorgesehen. Voraussetzung ist, dass diese Verfügungsbeschränkungen 2 Jahre vor und 20 Jahre nach dem Erbfall bzw. der Schenkung gelten.

Bleibt eine Übertragung von Familienunternehmen ohne existenzbedrohende Belastung mit Erbschaft-/Schenkungsteuer auch zukünftig möglich?

Luise Uhl-Ludäscher: Auch nach der Reform werden die bisherigen Steuerbegünstigungen für die meisten Unternehmen weiterhin möglich sein, so dass die meisten mittelständischen Unternehmen wie bisher steuerfrei oder nahezu steuerfrei übertragen werden können. Insbesondere für Großerwerbe kann es allerdings zu hohen Steuerbelastungen kommen, die bei sehr großen Vermögen nur durch Offenlegung des Privatvermögens gemindert werden können. Durch die vorgesehene Stundungsregelung kann die Belastung allerdings gemildert werden. Tatsächlich existenzbedrohende Fälle werden die Ausnahme sein.

Mit der Reform erstrebte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine „minimalinvasive Lösung“. Denken Sie, dass bei dem nunmehr gefundenen Kompromiss bei der Erbschaftsteuer eine erneute Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht zu erwarten ist und ob dieser einer solchen Überprüfung standhält?

Luise Uhl-Ludäscher: Im Grunde werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eingehalten werden: Großerwerbe werden nicht ohne Durchführung einer Bedürfnisprüfung begünstigt. Deutlich mehr Unternehmen als bisher müssen den Arbeitsplatzerhalt nachweisen. Missbräuchliche Steuergestaltung durch „Beimischung“ von Verwaltungsvermögen und die Nutzung von Kaskadeneffekten werden nicht mehr möglich sein. Die im ersten Gesetzentwurf noch vorgesehene unbestimmte und angreifbare Definition des begünstigten Vermögens soll nun dem vom Bundesverfassungsgericht dem Grunde nach anerkannten Begriff des Verwaltungsvermögens weichen.

Vor diesem Hintergrund könnte das neue Gesetz durchaus einer erneuten Überprüfung standhalten. Allerdings möchte ich noch anmerken, dass es in der praktischen Umsetzung insbesondere in mehrstufigen Unternehmensketten sehr aufwendig sein wird.

Zur Person
Luise Uhl-Ludäscher ist Steuerberaterin der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle. Sie berät Unternehmer und Private Clients bei der Gestaltung der (Unternehmens-)Nachfolge und der Strukturierung von deren Vermögen sowie auch der steuergünstigen Umstrukturierung von Unternehmen.

Weiterführende Literatur
Familiengesellschaften verdienen eigentlich einen Sonderstatus, sind sie doch gemeinhin nachhaltigem Wirtschaften und auch im gesellschaftlichen Kontext der unternehmerischen Kontinuität verpflichtet. Als Teil der allgemeinen Rechtsordnung jedoch unterliegen sie den regulären zivil- und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen. Wie sich das Erfolgsmodell Familiengesellschaft dennoch als Gestaltungsinstrument generationsübergreifender Wertschöpfung und Absicherung bewährt, veranschaulicht Prof. Dr. Eginhard Werner in dem Werk Die Familiengesellschaft.

(ESV/fl)

Programmbereich: Steuerrecht