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Bestechlichen Ärzten könnten bald Haftstrafen drohen (Foto: Aycatcher/Fotolia.com)
Gesetzesentwurf

Korruption im Gesundheitswesen: Kabinett schließt Gesetzeslücke

ESV-Redaktion
17.08.2015
Bislang blieben die Machenschaften korrupter Ärzte straffrechtlich meist folgenlos. Nun versucht die Bundesregierung mit einem Gesetzesentwurf der Korruption im Gesundheitswesen einen Riegel vorzuschieben. Auch stehen sozialrechtliche Änderungen an.
2005 erregte der Pharma-Skandal des Medikamentenherstellers Ratiopharm viele Gemüter. Der Hersteller lieferte, Berichten des Magazins Stern zufolge, „Kontaktware“ in Form von Gratis-Medikamenten an Arztpraxen und Apotheken aus. Die Menge, die ein einziger Pharmareferent übers Jahr verschenkte, sei so gigantisch, dass sich damit locker drei Apotheken füllen ließen, so die damalige Meldung.

Heute, zehn Jahre später, beläuft sich die Schadenshöhe durch korruptives Verhalten in der Gesundheitsbranche nach Schätzungen des Bundesjustizministeriums, das seine Zahlen auf Angaben von Transparency International Deutschland e. V. bezieht, immer noch auf zehn Milliarden Euro jährlich.

Gesetzesentwurf zur Korruptionsbekämpfung

Auf die Korruption im Gesundheitswesen reagierte die Bundesregierung nun mit einem Gesetzesentwurf: Bis zu drei Jahren Haft – in besonders schweren Fällen sogar bis zu fünf Jahren – droht Ärzten und anderen Angehörigen von Heilberufen künftig, wenn sie ihren Patienten Medikamente verschreiben oder sie an bestimmte Krankenhäuser verweisen, und dafür von den Pharmakonzernen Prämien kassieren. Den Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen, veröffentlichte die Bundesregierung in der letzten Juliwoche (siehe hierzu auch: Heilung der Krankheit Korruption? auf INTERNE REVISIONdigital vom 30. Juli 2015). Mit dem Entwurf sollen u. a. zwei neue Straftatbestände in das StGB integriert werden.

Diese im Wortlaut:

§ 299a StGB Bestechlichkeit im Gesundheitswesen

(1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial

1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder

2. seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei  Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Angehöriger eines Heilberufs im Sinne des Ab-satzes 1 einen Vorteil dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Arznei-, Heil-oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze.

§ 299b Bestechung im Gesundheitswesen

(1) Wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299a Absatz 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial

1. ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder

2. seine berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des Absatz 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Arznei-, Heil-oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze.

(Zu den weiteren vorgesehenen Gesetzesänderungen des Entwurfs, siehe hier).

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Ein Appell des BGH

Dass die Bundesregierung die Strafbarkeitslücke für korrupte Ärzte schließen wird, war absehbar: Im März 2012 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) über einen eben solchen Fall zu entscheiden: Eine Pharmareferentin zahlte insgesamt 18.000 Euro an Kassenärzte, die ihren Patienten Medikamente des betreffenden Konzerns verschrieben (Az.: GSSt 2/11). Der BGH kam dabei zu dem Schluss: Kassenärzte, die von Pharma-Unternehmen Prämien dafür annehmen, dass sie ihren Patienten die entsprechenden Medikamente verordnen, machen sich nach geltendem Recht nicht strafbar; weder eine Bestechlichkeit (§ 332 StGB), noch eine solche im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 1 StGB) träfen zu. Denn, der Kassenarzt handle bei der Verschreibung von Medikamenten regelmäßig nicht als Amtsträger, noch als Beauftragter der Krankenkassen. Dem entsprechend sind auch Pharmarenten, die Ärzten diese Vorteile zuwenden, nicht wegen Bestechung (§ 334 StGB) oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr (299 Abs. 2 StGB) strafbar.

Am Ende seiner Entscheidung mahnte der BGH jedoch, dass es Aufgabe des Gesetzgebers sei, „durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung“ zu ermöglichen.

Kritiker zweifeln am Erfolg des Gesetzes

Mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf kam die Bundesregierung dem Appell des BGH nun nach. Ob damit der gewünschte Effekt, die Korruption in der Gesundheitsbranche zu verringern oder gar gänzlich aus der Welt zu schaffen, eintritt? Kritiker bezweifeln, dass der vorgelegte Gesetzesentwurf etwas an der momentanen Lage ändern wird. So bemängeln Krankenkassen und Ärztekammern, es fehlen „differenzierte Regelungen“. Nach Meinung der Kassen, sollte der Gesetzgeber eine präzise Abgrenzung der Korruption zur Kooperation vornehmen, berichtet das Deutsche Ärzteblatt. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass "jede Form des medizinischen Zusammenwirkens zunächst unter dem Generalverdacht der Korruption steht.“

Auch der Experte für Interne Revision im Krankenhaus- und Gesundheitswesen, Prof. Dr. Joachim S. Tanski machte in einem Interview mit der ESV-Redaktion seine Zweifel an dem Gesetzesvorhaben deutlich: "Dieses Gesetz allein wird wenig bewirken", so Tanski. Wichtiger als neue Gesetze seien Aufklärung potenzieller Täter, Maßnahmen zur Aufdeckung von Korruption mit auch abschreckender Wirkung und der konsequenten Anwendung des Rechts.

Sozialrechtliche Änderungen: Fehlverhaltensbekämpfungsstellen

Neben den neuen Strafgesetzen – und einer Umgestaltung im Gerichtsverfassungsgesetz – führte der Gesetzgeber auch Änderungen im Fünften Buch des SGB ein: Danach sollen die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der GKV-Spitzenverband verpflichtet werden, einen regelmäßigen „Erfahrungsaustausch“ mit den Kassenärztlichen Vereinigungen bzw. den Krankenkassen zu organisieren. Staatsanwaltschaft und berufsständige Kammern sind daran „in geeigneter Form zu beteiligen“. Über die Ergebnisse sind dann die Aufsichtsbehörden zu informieren (neuer Absatz 3 in § 81a SGB V; zu den Inhalten der Berichte vgl. neuer Abs. 5).

Über die Tätigkeit und Effektivität dieser sogenannten Fehlverhaltensbekämpfungsstellen aus kriminologischer Sicht, und den neuen Gesetzesentwurf, informiert der Beitrag: Betrug in der gesetzlichen Krankenversicherung: Was sagt die Kriminologie?, von Professor Dr .Bernd-Dieter Meier, Direktor des Kriminalwissenschaftlichen Instituts der Leibnitz Universität Hannover und Autor beim Erich-Schmidt-Verlag, in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift KrV – Kranken- und Pflegeversicherung, 04/15, S. 155 ff.. Die Zeitschrift ist als Print und eJournal erhältlich. (ESV/akb)

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Literaturhinweise zum SGB V

Über das Recht der Krankenversicherung informiert der Kommentar von Dr. Karl Hauck und Prof. Dr. Wolfgang Noftz, Sozialgesetzbuch SGB V, auf dem Stand 2015.

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung