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Zormerin täuscht Otte Zuneigung vor, damit sie das Briefsiegel stehlen kann, mithilfe dessen Loher befreit werden soll (li.). Ein Reiter übergibt den Brief an Synoglar (re.). (Abb.: „Loher und Maller“, Österr. Nationalbibliothek, Cod. 2816, Bl. 52r).
„Loher und Maller“ und „Die Historie vom Herzog Herpin“

Löwen und weiße Ritter: Von (unbeabsichtigten) Tötungen und (beabsichtigten) Vergiftungen

ESV-Redaktion Philologie
23.06.2017
Kennen Sie französische Heldenepen, sogenannte Chanson de geste, die im Umkreis des Karlshofs spielen? Oder gar deren deutschsprachige Bearbeitungen im 15. Jahrhundert? Blicken Sie mit uns auf zwei jüngst erschienene historisch-kritische Ausgaben samt Kommentarband zu den beiden frühneuzeitlichen Prosaepen „Loher und Maller“ und „Die Historie vom Herzog Herpin“.
Im Umkreis der Elisabeth von Lothringen und Nassau-Saarbrücken wurden in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts vier französische Heldenepen aus der traditionellen Versform in deutsche Prosa übertragen. Sie stellen ein wichtiges Bindeglied zwischen der gereimten Großepik des Mittelalters und dem frühneuzeitlichen Roman dar. Sie beschäftigen sich mit folgenden Themen.

Es finden sich darin, beinahe modern anmutend, neben Geschichten von Löwen und weißen Rittern auch Erbschaftsstreitigkeiten, (unbeabsichtigte) Tötungen und (beabsichtigte) Vergiftungen. Doch wovon handeln die Epen genau und was macht sie interessant?

Loher und Maller

Die Geschichte von „Loher und Maller“ beginnt mit der Verbannung Lohers vom Hof durch seinen Vater Karl. Mit seinem Freund Maller gelangt er nach Konstantinopel zu König Orscher. Im Kampf gegen die Belagerer Konstantinopels ist Loher derart erfolgreich, dass er sich Orschers Tochter Zormerin samt Reich verdient. Zormerin stirbt bei der Geburt ihres Sohnes Marphone, während Loher für den Papst in Rom gegen weitere Andersgläubige kämpft.

In diesen Kämpfen begegnet Loher seinem Bruder Ludwig, der sich nach dem Tod Karls zum König von Frankreich krönen ließ und Loher somit den Erbanspruch streitig macht. Der Papst legt die Streitigkeiten bei, indem er Loher zum Kaiser von Rom ernennt, während Ludwig König von Frankreich bleibt. Ludwig, der diese Lösung zunächst befürwortet, wird von seinen mächtigen und unzufriedenen Räten umgestimmt. Die Räte lassen Loher – im Unwissen, dass er bereits einen Sohn hat –, heimtückisch kastrieren. Es kommt zum Krieg zwischen Loher und Ludwig, bei dem es Loher mit Hilfe seines mittlerweile erwachsenen Sohnes Marphone gelingt, Rache an den Räten zu üben. Nach dem Sieg zieht sich Maller heimlich zurück, um ein Leben als Einsiedler zu führen. Loher kehrt nach Rom zurück und trauert seinem Freund nach. Als Maller nach Rom kommt, bringt ihn Loher unbeabsichtigt um. Mallers Verwandte erklären sowohl ihm als auch Ludwig den Krieg. Auch diesen Krieg kann Loher mit der Hilfe Marphones siegreich beenden.

Im letzten Teil der Geschichte geht es um die Auseinandersetzung zwischen Ludwig und seinem Neffen Isenbart. Isenbart zieht mit seinem Schwiegervater König Gorman nach Frankreich, dort wird er von König Ludwig besiegt und getötet. Doch auch Ludwig stirbt an den Folgen der körperlichen Anstrengungen im Kampf und an einer Vergiftung, ohne einen Thronerben zu hinterlassen.

Historie vom Herzog Herpin

Die Geschichte des „Herzog Herpin“, eine Übertragung der französischen Chanson de geste „Lion de Bourges“, beginnt bei einem Pfingstfest am Karlshof. Herzog Herpin wird, nachdem er seinen Verleumder Clarian getötet hat, zum Tode verurteilt, das Urteil jedoch in Verbannung gemildert. Er flieht mit seiner schwangeren Frau vom Hof, unterwegs werden Mann, Frau und das mittlerweile geborene Kind voneinander getrennt. Herpin wird zunächst Einsiedler, später Kämpfer im päpstlichen Heer, durch Verleumdung und nach vielen Stationen gerät er in die Gefangenschaft des Königs von Toledo. Seine Frau Alheit gelangt über krisenhafte Umwege ebenso nach Toledo, dort verdingt sie sich in männlicher Verkleidung als Küchenjunge am Hofe, sie besiegt im Kampf einen Riesen und flieht vor den Heiratsabsichten des Königs und seiner Tochter auf die Straßen der Stadt. Sie werden sich nur kurzfristig wiedersehen.

Im Zentrum steht die Geschichte des Sohnes Lewe. Dieser wird von einer Löwin gesäugt und später von einem Ritter adoptiert und ausgebildet. Als junger Ritter erwirbt er die Königstochter von Sizilien, die er aber erst nach Entführungen, Kämpfen und einer anderweitigen Liebesaffäre, aus der ein Sohn hervorgeht, heiratet. Begleitet wird er bei seinen Abenteuern vom überirdischen weißen Ritter, der ihm aus Dankbarkeit stets zu Hilfe eilt, weil Lewe ihn einst aus einer Notsituation befreit hat. Im letzten Teil wird die Geschichte der Rückgewinnung des Herzogtums von Bourges erzählt, die erst durch Lewes Zwillingssöhne Wilhelm und Oleybaum gelingen wird und bei der auch Lewes unehelicher Sohn Gerhart eine Rolle spielt.

Die historisch-kritischen Ausgaben
Im Erich Schmidt Verlag finden Sie kritische Editionen von Loher und Maller und Herzog Herpin.

Der Kommentar
Zudem bieten wir einen Erschließungskommentar zu den beiden Ausgaben.

Weitere Publikationen zum Thema
Außerdem im Programm: Schwieriges Glück. Kernfamilie als Narrativ am Beispiel des „Herzog Herpin“ von Lina Herz und Erzählen von den Heiden. Annäherungen an das Andere in den Chanson de geste-Adaptationen „Loher und Maller“ und „Herzog Herpin“ von Maren Großbröhmer.

(ESV/lp)

Programmbereich: Germanistik und Komparatistik