LSG Baden-Württemberg: Sperrzeit bei Arbeitslosigkeit nach Ende der Altersteilzeit?
Nachdem der Gesetzgeber zum 01.07.2014 die abschlagsfreie „Rente mit 63” für besonders langjährig Versicherte eingeführt hatte, änderte die Klägerin ihren Entschluss, weil sie bereits mehr als 45 Jahre gearbeitet hatte. Zum Ende ihrer Freistellungsphase meldete sie sich sodann arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld ab dem 01.06.2016. Der später beklagten Bundesagentur für Arbeit teilte sie mit, dass sie ab dem 01.10.2017 abschlagsfrei in Altersrente gehen werde. Beim Abschluss der Altersteilzeit wäre dies nicht absehbar gewesen.
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Bundesagentur: Versicherte hat Arbeitslosigkeit selbst schuldhaft herbeigeführt
Die Bundesagentur verhängte allerdings eine Sperrzeit von zwölf Wochen nach § 159 Absatz 1, Nr. 1 SGB III. Nach Auffassung der Behörde hatte die Klägerin ihre Arbeitslosigkeit schuldhaft selbst herbeigeführt, und zwar ohne hierfür einen wichtigen Grund gehabt zu haben. Danach hat die Klägerin die Verschiebung des Rentenbeginns und eingetretene Arbeitslosigkeit selbst zu vertreten. Arbeitslosengeld bewilligte die Bundesagentur daher ab dem 23.08.2016. Widerspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos.Im Wortlaut: § 159 Absatz 1 SGB III (Auszug) |
(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn .. 1. die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst [...] und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). 2. [...] |
LSG Baden Württemberg: Der wichtige Grund für die Arbeitsaufgabe ist entfallen
Diesen Argumenten schloss sich das Landessozialgericht Baden-Württemberg an. Auch nach Auffassung der Richter aus Stuttgart hatte die Klägerin ihre Beschäftigungslosigkeit selbst herbeigeführt.Zwar habe sie zum damaligen Zeitpunkt der Altersteilzeitvereinbarung einen wichtigen Grund für die geplante Arbeitsaufgabe gehabt, weil sie nach dem Ende ihre Freistellungsphase nahtlos in den Rentenbezug wechseln wollte.
Allerdings hatte sie sich später dazu entschieden, ihren Rentenbeginn nach hinten zu verschieben. Damit sei auch der wichtige Grund für die Arbeitsaufgabe entfallen. Dies habe die Klägerin selbst zu vertreten. Die Versichertengemeinschaft habe nicht für Versicherungsfälle aufzukommen, die der Betreffende selbst herbeiführt. Daher wäre auch die Sperrzeit gerechtfertigt.
Rechtslage umstritten
Das LSG Baden-Württemberg hat die Revision zum Bundessozialgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieses Falles zugelassen. Die Frage ob der Versicherte in der vorliegenden Fallkonstellation einen wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe hat, ist derzeit unter den Gerichten umstritten:- So haben die Sozialgerichte Speyer, Kassel, Detmold, Marburg, Karlsruhe sowie das LSG Berlin-Brandenburg einen fortbestehenden wichtigen Grund zur Arbeitsaufgabe angenommen, der nicht nachträglich entfallen und somit auch nicht zu einer Sperrzeit führen kann.
- Demgegenüber hat neben dem LSG Baden-Württemberg auch das LSG Rheinland-Pfalz entschieden, dass ein Wechsel in die abschlagsfreie Rente mit 63 zu einer Sperrzeit führen kann.
- Das SG Karlsruhe hat unheitlich entschieden, wie der nachstehenden Übersicht zu entnehmen ist.
- Somit ist auf jeden Fall damit zu rechnen, dass das Bundessozialgericht diese Frage entscheiden wird, falls der Gesetzgeber keine Sonderregelung schafft.
Wechsel in abschlagsfreie Rente mit 63: Keine Sperrzeit | Wechsel in Abschlagsfreie Rente mit 63: Sperrzeit |
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Quelle: PM des LSG Baden-Württemberg vom 24.02.2017 zum Urteil vom selben Tag - AZ: L 8 AL 3805/16
Standpunkt von Assessor jur. Bernd Preiß (ESV-Redaktion Recht) |
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Weiterführende Literatur |
Der Hauck/Noftz, Kommentar zum Sozialgesetzbuch (SGB) III: Arbeitsförderung, bietet Ihnen neben aktuellen Kommentierungen, alle notwendigen Informationen rund um die Regelungen zum SGB III. Sozialrecht für Profis: Mit der Datenbank Hauck/Noftz - Gesamtkommentar, stehen Ihnen sämtliche Inhalte unseres herausragenden SGB-Kommentarwerks in einer komfortablen und laufend aktualisierten Online-Arbeitsumgebung zur Verfügung. Erstklassige Autoren und Inhalte gewährleisten ein Höchstmaß an Qualität. Diese Datenbank enthält den SGB-Kommentar von Hauck/Noftz inkl. EU-Sozialrecht. Buchen Sie genau die SGB-Teile, die Sie benötigen. |
(ESV/bp)
Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung