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Hilfsmittel wie Lifter entlasten Pflegekräfte (Foto: BGW/Arvanitopoulos, Fotostudio Arva)
Betriebliche Prävention

Pflegebedürftige Menschen gesund und sicher bewegen

Sandra Bieler und Stefan Kuhn
17.11.2015

Physikalisch gesehen ist der menschliche Körper ebenso eine Last wie jeder Gegenstand. Das gerät beim Bewegen von Menschen in der Pflege oft aus dem Blick. Aber auch dort gilt die Lastenhandhabungsverordnung. Beim Umsetzen der rechtlichen Vorgaben können die Betriebe vielfältige Unterstützung in Anspruch nehmen.

Der Körper als Last
Man stelle sich einen Baumstamm vor, der 100 Kilogramm wiegt. Wohl kaum jemand würde versuchen, ihn ohne Hilfsmittel zu bewegen. Ganz anders sieht es aus, wenn es um einen – vielleicht ebenso schweren – Menschen geht: Tagtäglich setzen viele Beschäftigte in der Pflege hohe Muskelkräfte ein, um die ihnen anvertrauten Personen zu bewegen oder bei Bewegungen zu unterstützen.

Den Körper als Last zu betrachten, fällt im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege schwer. Schließlich steht dort der Mensch mit seinem Bedarf an Hilfe und seiner Würde im Mittelpunkt. Trotzdem liegt die Belastung des Bewegungsapparates beim manuellen Bewegen der zu Pflegenden oft über den Grenzen des Vertretbaren. Insbesondere die Lendenwirbelsäule wird häufig zu stark beansprucht. Das haben unter anderem Laborstudien gezeigt, die die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) zusammen mit dem Leibnitz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) durchgeführt hat. Zu hohe Belastungen bei Personentransfers in konventioneller Arbeitsweise entstehen vor allem durch drei Faktoren:

  • das Gewicht der bewegten Person,
  • ungünstige Körperhaltungen der Pflegekraft wie Verdrehungen, Seitneigungen und starkes Vorbeugen sowie
  • ruckartige Bewegungsabläufe.

Die LasthandhabV
Wie Betriebe die Sicherheit und Gesundheit ihrer Beschäftigten beim manuellen Umgang mit physikalischen Lasten zu schützen haben, ist branchen- und tätigkeitsübergreifend in der LasthandhabV geregelt. Diese „gilt für die manuelle Handhabung von Lasten, die aufgrund ihrer Merkmale oder ungünstiger ergonomischer Bedingungen für die Beschäftigten eine Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit, insbesondere der Lendenwirbelsäule, mit sich bringt“. Manuelles Handhaben ist dabei „jedes Befördern oder Abstützen einer Last durch menschliche Kraft, unter anderem das Heben, Absetzen, Schieben, Ziehen, Tragen oder Bewegen einer Last“. Das betrifft in der Pflege beispielsweise das Verlagern von Personen im oder aus dem Bett, das Haltgeben im Stand und das Unterstützen beim Gehen.

Am besten Gefährdungen vermeiden
An erster Stelle steht in der LasthandhabV ganz klar das Vermeiden gefährdender manueller Handhabungen von Lasten. Dazu heißt es in der Verordnung: „Der Arbeitgeber hat unter Zugrundelegung des Anhang geeignete organisatorische Maßnahmen zu treffen oder geeignete Arbeitsmittel, insbesondere mechanische Ausrüstungen, einzusetzen, um manuelle Handhabungen von Lasten, die für die Beschäftigten eine Gefährdung [...] mit sich bringen, zu vermeiden.“

So ist in der Pflege und Betreuung stets zu prüfen, ob die jeweilige Person überhaupt beim Bewegen unterstützt werden muss. Wenn ja, ist als nächstes zu klären, ob sich das manuelle Handhaben des Körpergewichts durch organisatorische Maßnahmen oder Arbeitsmittel vermeiden lässt. Mancher Patient, manche Bewohnerin kann zum Beispiel bestimmte Hilfsmittel selbstständig einsetzen. Jemand anders benötigt vielleicht einen zusätzlichen Haltegriff oder nur etwas mehr Zeit, um selbstständig mobil zu sein.

Schutzmaßnahmen treffen
Wenn sich das manuelle Bewegen nicht vermeiden lässt, sind die damit verbundenen Sicherheits- und Gesundheitsrisiken für die Beschäftigten in einer Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln und zu minimieren. Aufgrund der unterschiedlichen Wirksamkeit haben dabei technische Schutzmaßnahmen Vorrang vor organisatorischen – und diese wiederum Vorrang vor personenbezogenen. So hat beispielsweise die oben genannte Studie von BGW und IfADo ergeben, dass zwar eine rückengerechte und ressourcen-orientierte Arbeitsweise die Belastung der Lendenwirbelsäule bei Personentransfers bereits verringert. Entscheidend reduzieren ließ sich die Belastung in der Laborstudie aber erst durch den Einsatz von Hilfsmitteln.

Wichtige technische Hilfsmittel sind beispielsweise vollständig elektrisch verstellbare Pflegebetten und Lifter. Auch kleine Hilfsmittel wie Gleitmatten oder Rutschbretter entlasten die Pflegekräfte und unterstützen die Pflegebedürftigen. Organisatorisch spielt für die Prävention zu hoher Belastungen der Lendenwirbelsäule etwa ein adäquater Personalschlüssel eine große Rolle. Personenbezogen ergänzen unter anderem Informationen, Unterweisungen und Trainings die technischen und organisatorischen Maßnahmen. In der Praxis greifen allerdings alle drei Maßnahmenebenen ineinander. So hilft es beispielsweise wenig, wenn eine Einrichtung zwar Lifter anschafft, diese aber kaum genutzt werden, weil die Pflegekräfte nicht im Umgang mit ihnen geschult wurden oder die Geräte nicht in Arbeitsplatznähe stehen.

Weiter fordert die LasthandhabV: „Bei der Übertragung von Aufgaben der manuellen Handhabung von Lasten, die für die Beschäftigten zu einer Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit führen, hat der Arbeitgeber die körperliche Eignung der Beschäftigten zur Ausführung der Aufgaben zu berücksichtigen.“ Ferner ist das manuelle Handhaben von Lasten ein unverzichtbares Thema für die regelmäßige Unterweisung der Beschäftigten.

Arbeitshilfe für die Pflege
Einen kompakten Überblick darüber, wie sich die relativ abstrakt gehaltene LasthandhabV konkret im Pflegealltag anwenden lässt, gibt die von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) herausgegebene DGUV Information 207-022 „Bewegen von Menschen im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege“. Das Heft, das als Hilfestellung zur Gefährdungsbeurteilung konzipiert ist und in seiner Gliederung der Verordnung folgt, findet sich unter http://publikationen.dguv.de in der Rubrik „Regelwerk“. Mitgliedsbetriebe der BGW können es kostenfrei bei ihrer Berufsgenossenschaft bestellen: www.bgw-online.de, Suche: DGUV Information 207 022. Entstanden ist die Arbeitshilfe im Rahmen der Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“. Diese gemeinsame Initiative der Berufsgenossenschaften, der Unfallkassen, der DGUV, der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau sowie der Knappschaft verfolgt das Ziel, Rückenbelastungen zur verringern. Weitere Informationen dazu gibt es unter Mitgliedsbetriebe der BGW können es kostenfrei bei ihrer Berufsgenossenschaft bestellen: www.bgw-online.de, Suche: DGUV Information 207 022.
Entstanden ist die Arbeitshilfe im Rahmen der Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“. Diese gemeinsame Initiative der Berufsgenossenschaften, der Unfallkassen, der DGUV, der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau sowie der Knappschaft verfolgt das Ziel, Rückenbelastungen zur verringern. Weitere Informationen dazu gibt es unter www.deinruecken.de.

Prävention ganzheitlich angehen
Die Tipps zum Umsetzen der LasthandhabV basieren unter anderem auf dem ganzheitlichen Konzept „TOPAS_R“ zur Prävention von Rückenbeschwerden in der Pflege, das die BGW erarbeitet hat und das Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen effektiv miteinander verzahnt. Dabei steht TOP für die technisch-baulichen, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen, AS für Arbeitsschutz und R für Rücken.

Beispiel Transfer vom Bett in den Rollstuhl: Je nachdem, wie stark die betreffende Person in ihrer Eigenmobilität eingeschränkt ist, wird dazu ein Rutschbrett, eine Aufricht- oder Umsetzhilfe oder ein Lifter genutzt. Das entlastet sowohl die Pflegekraft als auch den pflegebedürftigen Menschen und stellt einen wichtigen Beitrag zur Sturzprophylaxe dar. Wenn das Hilfsmittel am Arbeitsplatz zur Verfügung steht und nicht erst zeitaufwendig herbeigeschafft werden muss, ist der professionelle durch Hilfsmittel unterstützte Transfer mindestens genauso schnell wie der rein manuelle.

Egal welches Hilfsmittel zum Einsatz kommt: Die Anwenderinnen und Anwender müssen sicher damit umgehen können und brauchen dazu regelmäßige Unterweisung. Wichtig ist auch, dass genügend Platz zum Transfer zur Verfügung steht. Mangelt es in einem Pflegezimmer an Stellfläche für einen mobilen Lifter, kann ein Deckenlifter weiterhelfen. Hat die Pflegekraft nicht genügend Bewegungsraum zum rückengerechten Arbeiten, wird das direkte Arbeitsumfeld optimiert – beispielsweise, indem Hindernisse und Stolperfallen beseitigt werden oder durch Umräumen Platz geschaffen wird. Das rückengerechte Arbeiten selbst lässt sich in Schulungen erlernen.

Strategietag, Organisationsberatung und weitere Angebote
Die BGW bietet Mitgliedsbetrieben, die die Rückenbelastungen ihrer Beschäftigten nachhaltig senken möchten, unter anderem einen Strategietag und gezielte Organisationsberatung zum Thema. In einem eintägigen Workshop können die Unternehmen zunächst die aktuelle Situation vor Ort unter die Lupe nehmen. Dabei erkennen sie Risiken für die Rückengesundheit ihrer Beschäftigten, aber auch vorhandene Stärken. Auf dieser Basis entwickeln sie gemeinsam im Team, unterstützt durch eine Beraterin oder einen Berater, eine praxisnahe Strategie, um ihre Präventionsarbeit in puncto Rückenbelastungen nachhaltig zu verbessern.

Vertiefen lässt sich die Beschäftigung mit dem Thema – nach oder unabhängig von einem solchen Strategietag – in einer „Organisationsberatung Rücken“. Dieses Angebot der BGW besteht aus drei Modulen, die systematisch aufeinander aufbauen, aber auch einzeln buchbar sind:

  • Im Modul „Analyse“ wird ein Konzept entwickelt, mit dem sich die betriebliche Gesundheitssituation untersuchen lässt.
  • Mit dem Modul „Maßnahmenplanung und -umsetzung“ widmet sich der Betrieb konkreten Präventionsmaßnahmen.
  • Im Modul „Evaluation“ überprüft er den Erfolg des Projekts und plant, wie die erarbeiteten Ergebnisse langfristig vor Ort verankert werden können.

Weitere Informationen dazu gibt es unter www.bgw-online.de, Suchbegriffe „Strategietag Rücken“ und „Organisationsberatung Rücken“. Noch mehr Angebote zur Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) finden Arbeitsschutzfachleute sowie Verantwortliche und Beschäftigte in Unternehmen im MSE-Portal www.gdabewegt.de. Dort haben Bund, Länder und Unfallversicherungsträger im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) in einer Produktdatenbank rund 450 Produkte von GDA-Trägern und Sozialpartnern zum Thema zusammengetragen.

Die Autoren 

Sandra Bieler ist Redakteurin bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).

Stefan Kuhn ist Aufsichtsperson bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Leiter der DGUV-Projektgruppe RAPB (Rückengerechtes Arbeiten in Pflege und Betreuung) und Mitglied weiterer Gremien rund um die Rückengesundheit im Beruf.

 

Literaturempfehlungen zum Thema Gesund pflegen beim ESV

Prof. Dr. jur. Stephan Brandenburg/Kerstin Palsherm/Sven Warmke/Erhard Weiß 
Pflege - Erfolgsfaktor Arbeits- und  Gesundheitsschutz
Gesund pflegen!

Im Bereich der Pflege hat der Gesundheitsschutz eine größere Dimension, denn wie in kaum einem anderen Arbeitsbereich sind hier die gesundheitlichen Beeinträchtigungen vielschichtiger und komplexer, wie z.B.:

  • Infektionen, Stich- und Schnittverletzungen
  • häufiges schweres Heben und Tragen
  • Hauterkrankungen
  • hohe Arbeitsdichte, Schichtarbeit, fehlende Pausenzeiten
  • kollektive Alterung der Belegschaft
  • Führungs- und Kommunikationsdefizite
  • zunehmende belastungsbedingte Gesundheitseinschränkungen

Für Führungskräfte im Pflegebereich gilt es, diese Herausforderungen zu bewältigen. Das vorliegende Buch versteht sich als unterstützende kompakte Handlungshilfe für die ambulante und stationäre Pflege. Anhand von 23 Fallbeispielen werden konkrete Anleitungen für einen besseren Gesundheitsschutz vorgestellt. Diese entsprechen dem neuesten Erkenntnisstand sowie den Bedürfnissen in der Pflege.


Werner Pude
Adipositas-Patienten in Klinik und Pflege
Organisatorische und materielle Voraussetzungen für die Behandlung

Rückenerkrankungen im Bereich der Pflege nehmen kontinuierlich zu. Vor diesem Hintergrund ist besonders zu beachten, dass die Anzahl der Pflegebedürftigen mit höherem Körpergewicht gleichfalls ansteigt. Während in den bariatrischen Kliniken erste Vorkehrungen getroffen wurden, besteht in Krankenhäusern und Kliniken der Regelversorgung, begrenzt auch im Altenpflegebereich, dringender Handlungsbedarf: Hier müssen gezielte bauliche, technische sowie organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, um die bestmögliche Pflege übergewichtiger Menschen sicherzustellen und die Verantwortung gegenüber dem Personal gemäß Arbeitsschutzgesetz wahrzunehmen.

Den Führungskräften im Gesundheitswesen, die im Fall von Versäumnissen gebotener Maßnahmen persönlich in der Verantwortung stehen, fehlt es bisher an fachlichen Informationen:

  • Welche Voraussetzungen für die Pflege adipöser Patienten sind unabdingbar?
  • Wie lassen sich bauliche und pflegerische Maßnahmen effektiv umsetzen?
  • Worin besteht das Optimum in der patientengerechten Versorgung einerseits und der Entlastung des Pflegepersonals andererseits?
Auf diese Fragen gibt das Buch klare, praxisnahe Antworten, veranschaulicht durch zahlreiche Grafiken und Übersichten.

Zum Download

Programmbereich: Arbeitsschutz