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Neue Methoden müssen in das Supply Chain Risk Management integriert werden (Foto: kamonrat/Fotolia.com)
Risikomanagement

Supply Chain Risk Management auf dem Prüfstand (Teil II)

Michael Jahn-Kozma
29.07.2019
An der sensiblen Nahtstelle zwischen Unternehmensleitung, den Abteilungen, Zulieferern und Sublieferanten muss das Risikomanagement stehen. Mitteln und Vermitteln, Zusammenführen und Schwächen im Verbund mit allen Beteiligten erkennen und benennen sowie Handlungsoptionen aufzeigen, das ist die primäre Aufgabe des Risikomanagements.
Fortsetzung, Teil I des Beitrages finden Sie hier.

Ein Supply Chain Risk Management muss in der Gesamtorganisation fest verankert und die handelnden Personen müssen mit dem dafür notwendigen Mandat und Wissen ausgestattet sein. Denn das Risikomanagement kann nur so gut sein wie die Personen, die es ausfüllen müssen. Von daher trifft der alte Spruch nach wie vor zu: (Supply Chain) Risk Management ist Chefsache.

Wie ein aktives Supply Chain Risk Management in der Praxis aussehen kann, zeigen die folgenden Beispiele:

Praxisbeispiele: Zulieferketten stärken dank Nachhaltigkeit, Resilienz und Standards

  • Wie ein aktives Risikomanagement im Zuliefererbereich aussehen kann, das will der VW- Konzern mit seiner neuen Selbstverpflichtung zeigen. Bis dato kein Garant für Integrität, verordnen sich die Wolfsburger Autobauer seit dem 1. Juli 2019 ein „weltweites Sustainability Rating (Nachhaltigkeitsprüfung) für seine Lieferanten”. In einer Meldung des Konzerns heißt es hierzu: „Beim Sustainability Rating geben die Zulieferer auf Basis eines Fragebogens und mitgelieferter Dokumente zunächst eine Selbsteinschätzung zu ihrem Nachhaltigkeitsverhalten ab. Die Angaben und Dokumente werden von qualifizierten Dritten überprüft. Bei Zweifeln finden Kontrollen vor Ort statt. Kommt es zu Verfehlungen in den Bereichen Umwelt/Soziales oder Korruption, führen diese zum Ausschluss von der Auftragsvergabe.” Basis der Nachhaltigkeitsstrategie und zugleich verpflichtend für alle Firmen in der VW-Lieferkette ist der neue „Code of Conduct für Geschäftspartner” des Konzerns. Zur Pressemitteilung.
  • Die DHL setzt auf ein verbessertes Lieferkettenmanagement. So kommt innerhalb des Konzerns die Lösung „DHL Resilience360” zum Einsatz. Mit der cloudbasierten Risikomanagementlösung sollen bessere Wetterdaten und -warnungen zu Hurrikanen die Lieferketten schützen. Basierend auf einem Algorithmus analysiert die Lösung den vorhergesagten Weg eines Hurrikans oder Zyklons. Nutzer sollen damit „über mögliche Auswirkungen auf ihre spezifischen Lieferketten” informiert werden. Und weiter heißt es bei der DHL: „Mit den neuen Funktionen können Kunden eine bessere Analyse der betroffenen Standorte erhalten und beurteilen, inwieweit Produktion oder Belieferungen an Endkunden beeinflusst werden.” Zur Pressemitteilung.
  • Und auch bei der Zurich-Versicherung setzen die Verantwortlichen auf Analysen. Zurich Supply Chain Risk Management Services baut auf eine automatisierte Überwachung und Risikoidentifikation der kompletten Lieferkette. Neben Online-Datenquellen und Datenbanken kommen Technologien zum Einsatz, die auf künstlicher Intelligenz basieren. Im Fokus stehen neben geopolitischen Risiken auch Naturkatastrophen oder Cybergefahren. Das Ziel ist, vorausschauend auf mögliche Risiken zu blicken und eine bessere Entscheidungsgrundlage zu besitzen. So kommt das Unternehmen zu dem Schluss: „Gemeinsam mit dem Versicherer können Unternehmen durch eine Analyse der komplexen Lieferketten Ausweichszenarien für bestimmte Vorfälle entwickeln und die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens erhöhen – bis hin zu einem Transfer der Restrisiken.” Zum Bericht.
  • Das VDA QMC, Qualitäts Management Center im Verband der Automobilindustrie e. V., veröffentlichte zusammen mit der AIAG (Automotive Industry Action Group) im Juni 2019 ein Failure Mode and Effects Analysis (FMEA-)Handbuch zum neuen Standard der Risikoanalyse in der automobilen Lieferkette. Hintergrund ist, dass einschlägige Normen in der automobilen Lieferkette die Durchführung technischer Risikoanalysen in Form einer FMEA voraussetzen – vertraglich gefordert. Dabei dient FMEA als teamorientierte und systematische Analyse-Methode im technischen Risikomanagement. Das Ziel ist es, Risiken zu identifizieren und zu reduzieren. Inhaltlich basiert das Ganze auf einem Sieben-Schritt-Ansatz – von der Planung und Vorbereitung, einer Struktur- und Funktionsanalyse über die Fehler- und Risikoanalyse bis zur Optimierung und Ergebniskommunikation inklusive der Risikokommunikation. Mit dem neuen Standard sollen Lieferanten in die Lage versetzt werden, mithilfe eines einheitlichen Prozesses zur FMEA sowohl die Bedürfnisse als auch die Erwartungen der Kunden zu erfüllen. Zum Newsletter (S. 22ff.).

Big Data und der Mensch

Überhaupt muss es für Unternehmen darum gehen, neue Methoden in ihr Supply Chain Risk Management zu integrieren. Dabei spielen neue Analyseverfahren und Auswertungen im Big-Data-Umfeld eine wichtige Rolle, um beispielsweise mithilfe von Szenarien zu validen Aussagen über die Risikolage in einzelnen Ländern, Regionen oder weltweit zu gelangen. Damit lassen sich Komplexitäten in der kompletten Zulieferkette reduzieren und wertvolle Informationen für das eigene Handeln gewinnen. Dies setzt aber Experten voraus, die in der Lage sind, Daten zu überprüfen und vor allem die richtigen Schlüsse für das weitere Vorgehen zu ziehen. Denn die größte und beste Datengrundlage wird nutzlos, wenn Unternehmen intern nicht in der Lage sind, diese zu interpretieren und auf Kausalität zu prüfen.

Doch dies alleine genügt nicht. Unternehmen müssen in unseren sensiblen Zeiten regelmäßig die eigene Zulieferkette und Fertigungsstrategie auf den Prüfstand stellen. Dabei spielen unter anderem Fragen nach den Fertigungsbedingungen in Offshore-Ländern eine Rolle, aber auch Just-in-Time-Lieferungen sowie Produktionsstandorte, die in Erdbebenregionen liegen oder durch Terror und Krieg bedroht sind. In diesem Kontext bringt es Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank, in einem Interview auf den folgenden Nenner: „Die Welt als eine einzige Fabrikhalle zu begreifen, ist vorbei. Das bedeutet, dass Produktionen, die bislang im Ausland angesiedelt waren, zurückkommen könnten (…)”.  Als Gründe nennt er neben Zöllen und der sich ändernden Kalkulationsbasis auch den technischen Fortschritt in der heimische Produktion. Faktoren, die durchaus neue Denkmodelle in der gesamten Produktions- und Zuliefererkette zulassen. Hinzu kommt ein weiterer Schwerpunkt, nämlich das Thema Nachhaltigkeit und Reputation. Unternehmen, die auf schlechte Produktionsbedingungen setzen und damit rein den Kostenfaktor im Blick haben, werden zukünftig das Nachsehen haben. Diesem politischen und gesellschaftlichen Druck können sich Unternehmensverantwortliche nicht mehr entziehen. Von daher gilt es, die Sensibilität und Awareness auch in diesen Bereichen auszubauen, um den Faden in der Zulieferkette nicht zu verlieren. Oder anders formuliert: Zum Einblick muss der Aus- und Weitblick im gesamten Prozess des Supply Chain Risk Management kommen.

RMA-Leitfaden: Supply Chain Risk Management

Der Arbeitskreis Supply Chain Risk Management der RMA hat einen eigenen Leitfaden zum Supply Chain Risk Management erstellt. Dieser setzt auf eine ganzheitliche Betrachtung strategischer, operativer und finanzieller Risiken in der Supply Chain – auch unter Berücksichtigung von Compliance-Fragestellungen. Dazu gehören auch geeignete Methoden zur Risikoidentifizierung und -bewertung, die Definition von Messinstrumenten zur Risikoüberwachung und Analyse von Maßnahmen zur Risikosteuerung. Weitere Informationen finden Sie hier.
Den Leitfaden - Supply CRM können Sie über die Homepage der RMA kostenfrei bestellen.

Digitale Risiken und Werte auf dem Prüfstand

Wie kann das Risikomanagement im digitalen Zeitalter zusätzlichen Mehrwert liefern? Welche neuen Risiken oder auch ethischen Fragestellungen entstehen in einem immer internationaleren, zunehmend mobilen und digitalen Marktumfeld? Diese und weitere spannende Fragen nimmt das Expertenteam der Risk Management Association e.V. (RMA) praxisnah in den Blick. Schwerpunkte sind u.a.:

  • Innovative Risikoberichterstattung durch digital erlebbare Kommunikation
  • Weiterentwicklungen der Risikomanagement-Standards sowie im Business Continuity Management
  • Herausforderung Korruptionsprävention in international aufgestellten Unternehmen
  • Methoden und quantitative Konzepte – von der Unterstützung der Korridorplanung bis zu neuen Ansätzen mittels Bayes’scher Statistik
  • Risikomanagement-Systeme und ihre kritische Beurteilung durch Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfung

Die enthaltenen Themen sind ein exzellenter Querschnitt zu aktuellen Konzepten und wichtigen Trends im Risikomanagement – einer elementaren Unternehmensfunktion in einem immer vielseitigeren Berufsfeld.


(ESV/ps)

Programmbereich: Management und Wirtschaft