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Die Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin Katharina Völker-Lehmkuhl im Interview. (Foto: privat)
Nachgefragt bei Katharina Völker-Lehmkuhl

Völker-Lehmkuhl: „Nachhaltigkeit ist die Balance zwischen betriebswirtschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Zielen”

ESV-Redaktion Management und Wirtschaft
16.10.2019
Kaum ein Thema bewegt die Gemüter wie der Klimawandel, mögliche Maßnahmen zum Schutz des Klimas sowie zur Eindämmung von CO2-Emissionen. Wir sprachen darüber mit WP und StB Katharina Völker-Lehmkuhl, Autorin des Buches „Bilanzierung und Besteuerung des CO2-Emissionshandels”.
Lesen Sie den ersten Teil des Interviews hier

Dem Trendbarometer von RTL/n-tv von Ende September 2019 zufolge finden 64 Prozent der deutschen Bevölkerung, es gebe „andere Probleme, die ebenso wichtig oder sogar wichtiger sind” als der Klimaschutz, zum Beispiel eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse. 36 Prozent der Befragten halten den Klimaschutz für das derzeit „drängendste und wichtigste Problem, um das sich die Politik in Deutschland kümmern muss”. Wie bewerten Sie diese Aussagen?

Völker-Lehmkuhl: Ich denke, dass viele Menschen immer noch völlig unzureichend über die Zusammenhänge informiert sind. Wenn wir heute keine Mittel in Klimaschutz investieren, werden wir in Zukunft deutlich mehr für die Behebung der Schäden aufwenden müssen und das wird die Wirtschaft deutlich mehr belasten. Denken Sie bitte an die Entschädigungen, die Versicherungen nach Schlechtwetterereignissen aufwenden müssen.

Nachhaltigkeit ist Balance, kein Widerspruch zwischen Zielen

Nachhaltigkeit ist die Balance zwischen betriebswirtschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Zielen, kein Widerspruch. Maßnahmen zum Klimaschutz sind häufig Maßnahmen zur Reduzierung des Energiebedarfs. Die langfristigen Einsparungen sind dann oft deutlich höher als die Anfangsinvestitionen.

Wir können in den allermeisten Produktionsbereichen den CO2-Ausstoß nicht verhindern oder vermeiden, sondern lediglich durch Kompensation neutralisieren wie bspw. beim Buchdruck. Ist die CO2-Kompensation lediglich der Ablasshandel der Spätmoderne oder was genau lässt sich damit für den Klimaschutz tun?

Völker-Lehmkuhl: Ich bin davon überzeugt, dass wir in sehr vielen Produktionsbereichen den CO2-Ausstoß langfristig verringern können. Hier sind auch gute technische Lösungen gefragt, Klimaschutz verlangt technischen Fortschritt. Ich bin absolut kein Gegner von technischen Innovationen. Die Kompensation darf nur für unvermeidbare Emissionen erfolgen. Die Ermittlung der Emissionen und die Durchführung von Emissionsminderungsmaßnahmen ist die zwingende Voraussetzung für seriöse Kompensationsmaßnahmen. Druckereien beispielsweise, die klimaneutrale Druckerzeugnisse anbieten, haben zuvor – sofern sie glaubwürdig agieren – Maßnahmen zur Emissionsreduktion umgesetzt. Die Umsetzung von Emissionsreduktionen im Unternehmen bis zum völlig klimaneutral agierenden Unternehmen ist aber ein langwieriger Prozess, der sich über mehrere Jahre hinzieht. In dieser Übergangszeit ist die Kompensation eine sehr gute Möglichkeit zusätzlich etwas zu tun. Das ist kein Ablasshandel. Sicherlich gibt es auch schwarze Schafe, aber davon sollte man sich nicht abhalten lassen.

Investitionen werden sich auf die Dauer rechnen

Wäre es nicht sinnvoller, CO2-sparende Innovationen zu belohnen, um für Unternehmen finanzielle Anreize zu schaffen?

Völker-Lehmkuhl: Auf jeden Fall. Ich kann nicht beurteilen, ob es hierzu einen hinreichenden politischen Willen gibt. Die Unternehmer haben aber einen anderen Anreiz: CO2-sparende Innovationen vermindern den Energiebedarf. Da die Energie bestimmt eher teurer als preiswerter wird, werden sich entsprechende Investitionen auf die Dauer rechnen.

Anstelle in Projekte in Entwicklungsländern zu investieren, sollten wir uns nicht an die eigenen Nase fassen und eher lokal als global kompensieren?

Völker-Lehmkuhl: Ja und nein. Treibhausgase verbreiten sich so schnell, dass sie global wirken. Es ist daher irrelevant, an welchem Ort der Erde die Emissionen getätigt oder vermindert werden. In Deutschland werden nur 2 Prozent der globalen CO2-Emissionen getätigt, es gibt deutlich mehr Möglichkeiten, bei den übrigen 98 Prozent anzusetzen. Klimaschutzprojekte in Deutschland haben den Vorteil, dass sie vor Ort sichtbar sind, dass ist manchmal aus psychologischen Gründen sinnvoll.

Warum ist es so wichtig, in Kompensationsprojekte in Entwicklungsländern zu investieren?

Völker-Lehmkuhl: Da der technische Stand in den Entwicklungsländern deutlich schlechter ist und dort mit wesentlich weniger Geld sehr viel mehr erreicht werden kann. Schauen wir uns ein Beispiel aus dem täglichen Leben an:

Ich selbst habe in meiner Küche einen energieeffizienten Induktionsherd, der überwiegend durch Solarstrom von unserem eigenen Dach gespeist wird. Dies zu optimieren ist vielleicht noch möglich, aber schwierig und aufwendig.

Zur Autorin

Katharina Völker-Lehmkuhl ist Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin sowie Inhaberin der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei Völker-Lehmkuhl in Heiligenhaus. Zu ihren Tätigkeitsschwerpunkten zählt neben der Teilnahme an Abschlussprüfungen internationaler Konzerne (u.a. DAX 30) für Big-Four-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die steuerliche Betreuung von KMU und Erstellung von Jahresabschlüssen gem. HGB, EStG und IFRS sowie die Nachhaltigkeitsberatung.

In Entwicklungsländern ist es durchaus noch üblich, dass die Frauen und Kinder mehrere Stunden täglich mit der Beschaffung von Brennholz verbringen und dann auf simpelsten Öfen kochen. Investiert man dort in Solaröfen, entfällt die Brennholzsuche, CO2-speichernde Bäume dürfen stehen bleiben und die Menschen können ihre Zeit sinnvoller einsetzen. Mädchen, die daraufhin die Schule besuchen können, haben die Chance auf eine Berufsausbildung und können später ihr Wissen als Multiplikatorinnen weitergeben. Dies verbessert die Lebenssituation, sorgt für Stabilität und vermeidet Konflikte und beseitigt somit auch Fluchtursachen.

Was hat sich für Ihr Leben verändert seit das Thema Klimaschutz tagtäglich auf der Agenda steht?

Völker-Lehmkuhl: Natürlich beeinflusst das Wissen, dass man sich im Laufe der Jahre aneignet, auch das eigene Handeln. Klimaschutzüberlegungen fließen in vielen Punkten in unser Leben ein, haben uns aber nicht zu verbissenen Weltverbesserern gemacht. Beim Hausbau war Energieeffizienz ein Thema, an den Nebeneffekt der geringen Heizkosten haben wir uns gerne gewöhnt und ich bin fest überzeugt, dass sich die höheren Baukosten amortisieren. Da wir etwas ländlich wohnen, können wir als Familie auf zwei Autos leider nicht verzichten. Wir benutzen sie allerdings nur relativ wenig. Fahrradfahren macht Spaß und ist gesund. Den Wocheneinkauf mache ich überwiegend zu Fuß mit einem Einkaufsroller, mein Exemplar finde ich wirklich schick, den benutze ich mit farblich passenden Taschen gerne. Die Mehrwegwasserkästen lasse ich gelegentlich anliefern, das ist bequemer und durch die Bündelung des Lieferanten klimafreundlicher als die Einkaufsfahrt mit dem eigenen PKW. Auf Urlaubsreisen mit dem Flugzeug möchten wir nicht völlig verzichten, da das Reisen uns auch viele Impulse gibt. Bei Inlandsflügen prüfe ich aber mittlerweile stets die Alternative der Bahn und berücksichtigt dabei auch, dass man bei der Bahn nicht Stunden zuvor am Bahnhof sein und bei Ankunft auf das Gepäck warten muss.

Lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews.

Bilanzierung und Besteuerung des CO2-Emissionshandels

Autorin: Dipl.-Kffr. Katharina Völker-Lehmkuhl

Der seit 2005 stattfindende Handel mit CO2-Emissionsrechten ist eine der ambitioniertesten klimapolitischen Initiativen. In der betrieblichen Umsetzung ist er jedoch für manche Tücke berüchtigt: Auch die Bilanzierung und Besteuerung dieser Rechte zeigt sich als anspruchsvoller Spezialfall, der alle gängigen Rechnungslegungsstandards an ihre Grenzen bringt.

Wie die bilanzielle und steuerliche Abbildung eines gemischten Portfolios aus kostenlos zugeteilten bzw. ersteigerten oder käuflich erworbenen Rechten gelingt, beschreibt die 2. Auflage des Praxisbuchs von Katharina Völker-Lehmkuhl:

  • Grundlagen und Regulierung des Klimaschutzes im Kontext der jeweiligen Handelsperiode und der Auswirkungen durch MiFID II
  • Bilanzierungslösungen nach allen verbreiteten Methoden der Rechnungslegung: HGB, EStG, IFRS/IAS und US-GAAP sowie den Auslegungen des IDW
  • Umsatzsteuerliche Behandlung der Emissionsrechte
  • Wirtschaftsprüfung, mit praxisnahen Hinweisen

Viele Beispiele und eine ausführliche Fallstudie veranschaulichen das bilanzierungspraktische Geflecht. Pflichtlektüre für alle, die die Klimawende betriebswirtschaftlich tiefgehend verstehen und mitgestalten möchten.

(ESV/uw, me)

Programmbereich: Management und Wirtschaft