Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

Verteidigung in Steuerstrafsachen

WiJ Ausgabe 3.2012
11.12.2012
Von Quedenfeld/Füllsack. 4. Auflage, Heidelberg 2012, 516 Seiten, 79,95 Euro.
Von Quedenfeld/Füllsack. 4. Auflage, Heidelberg 2012, 516 Seiten, 79,95 Euro.

Sieben Jahre haben sich Quedenfeld/Füllsack mit einer Neuauflage ihres Werkes „Verteidigung in Steuerstrafsachen“ Zeit gelassen. Das Warten hat sich gelohnt. Bereits die drei Vorauflagen galten vielen Praktikern als unverzichtbar. Die nun erschienene Neubearbeitung wird diesen Ruf weiter festigen.

Mit Florian Bach, Michael Braun und Markus Krauter tragen hierzu neben den bisherigen Verfassern gleich drei neue Co-Autoren bei. Insbesondere die Rekrutierung von Michael Braun erweist sich als Gewinn. Als Regierungsrat in Stuttgart und Sachgebietsleiter der Steuerfahndung ergänzt er die anwaltliche Perspektive der übrigen Verfasser um den Blick des routinierten Steuerermittlers. Dies passt zum Anspruch des Buches, eine erfahrungsgesättigte und praxisnahe Einführung in die Verteidigung in Steuerstrafsachen zu bieten.

Der erste Teil des Buches ist den Allgemeinen Grundfragen gewidmet und gibt einen Überblick über die komplexe Verzahnung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren sowie deren Konsequenzen für Verteidiger und steuerliche Berater. Zu Recht betonen die Verfasser die Notwendigkeit einer engen Kooperation und geben Hinweise, wie diese möglichst reibungslos funktionieren kann.

Im zweiten Teil werden die einzelnen Tatbestände des Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts dargestellt. Die Autoren vermitteln einen Überblick über die Besonderheiten und typischen Anwendungsfälle der Rechtsmaterie, ohne dabei deren Verzahnung mit den allgemeinen Regeln des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht aus den Augen zu verlieren. Lediglich zum Verhältnis mancher Bestimmungen zu den Tatbeständen des Kernstrafrechts hätte man gerne noch etwas mehr gelesen. Grundlegende Fragen - etwa zur steuerlichen Relevanz von Schmiergeldzahlungen (§ 4 Abs. 5 S. 10 Nr. 10 EStG) – werden aber beantwortet.

Der dritte Teil des Buches beschäftigt sich mit dem Recht der Selbstanzeige, das seit der Vorauflage grundlegende Veränderungen erfahren hat. Zu Recht schenken die Verfasser diesen Änderungen besondere Aufmerksamkeit. Die Neufassung des § 371 AO wirft etliche Fragen auf, deren Beantwortung für den Mandanten existenzielle Auswirkungen haben kann. Die Autoren begnügen sich nicht damit, diese Unklarheiten zu identifizieren. Sie erläutern auch, wie der Verteidiger sie sich zu Nutzen machen kann, und wagen – stets mit der gebotenen Vorsicht – eigene Prognosen zur Weiterentwicklung der Rechtsprechung.

Der vierte Teil stellt ausführlich die Abschnitte des Steuerstrafverfahrens dar – vom ersten Ermittlungsanlass bis zum letzten Wort in der Hauptverhandlung. Auch hier referieren die Autoren nicht nur die Rechtslage, sondern zeigen auf jeder Stufe konkrete Handlungsoptionen und Risiken für die Verteidigung auf. In einem separaten Abschnitt wird das Ordnungswidrigkeitenverfahren abgehandelt.

Die Ergebnisse und Folgen des Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahrens werden im fünften Teil des Buches thematisiert. Der sechste und abschließende Teil besteht aus diversen Mustertexten und praktischen Arbeitshilfen wie Strafmaßtabellen und einem Fragenkatalog zur Selbstanzeigeberatung.

Quedenfeld/Füllsack haben bei der Überarbeitung die Entwicklung von Rechtsprechung und Gesetzgebung bis Ende 2011 berücksichtigt. Die Grundsatzentscheidung BGHSt 53, 71 zur Strafzumessung haben sie ebenso integriert wie die Entscheidungen von BGH, EuGH und BVerfG zur Umsatzsteuerhinterziehung bei innergemeinschaftlicher Lieferung im Kfz- Handel (BGH BFH/NV 2009, 699; EuGH DStR 2010, 2572; BVerfG Beschl. v. 16.06.2011 - 2 BvR 542/09 -).

Ausführlich behandeln die Autoren auch das neue Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz, das am 01.01.2013 in Kraft treten soll. Anhand von mehreren Beispielsfällen verdeutlichen sie seine wahrscheinlichen Auswirkungen. Das jüngst unterzeichnete Ergänzungsprotokoll (vgl. Pressemitteilung des BMF Nr. 12/2012 v. 05.04.2012), mit dem einige wichtige Änderungen verbunden sind, konnte freilich keine Berücksichtigung mehr finden. Dessen ungeachtet dürfte der Quedenfeld/Füllsack momentan der aktuellste Ratgeber auf dem dynamischen Gebiet des Steuerstrafrechts sein.

Mehr noch als seine Aktualität streiten jedoch die geballte praktische Erfahrung und Fachkenntnis der Verfasser für das Werk, dessen inhaltliche Tiefe es keineswegs nur als Einführung interessant macht. Die Lektüre eines Lehrbuches zum materiellen Steuerrecht, auf welches die strafrechtlichen Blanketttatbestände der AO verweisen, kann und soll es nicht ersetzen. Der Quedenfeld/Füllsack empfiehlt sich jedoch als Orientierungshilfe für jeden Praktiker, der sich der komplexen Querschnittsmaterie „Steuerstrafrecht“ nähern möchte. Den Strafverteidiger sensibilisiert es für die enge Verschränkung von Steuerstraf- und Besteuerungsverfahren und vermittelt ihm einen Überblick über die grundlegenden Begriffe, Besonderheiten und Tücken des Rechtsgebiets. Dem steuerlichen Berater gibt es strafprozessuales Rüstzeug an die Hand und schärft seinen Blick für die strategische Dimension der Strafverteidigung.

Weil Quedenfeld und Füllsack dabei durchgehend die richtigen Schwerpunkte setzen, bleibt das Buch auch in der Neuauflage von einer überschaubaren Länge. Der Leser wird – und dies ist ein großes Verdienst – nicht mit Information erschlagen, sondern in die Lage versetzt, an der richtigen Stelle selbständig weiterzulesen.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Jürgen Wessing, Düsseldorf

Quelle: WiJ Ausgabe 3.2012