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Schönes Auto - nur leider ohne Compliance. (Foto: Volkswagen of America, Inc.)
VW-Skandal

Volkswagen USA: Wo war die Compliance?

ESV-Redaktion COMPLIANCEdigital
22.09.2015
Der Abgas-Skandal von Volkswagen in den USA offenbart gravierende Compliance-Lücken. Beobachter fragen sich, ob VW aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt habe?
Der Volkswagen Konzern – und damit auch die deutsche Wirtschaft – wird von einem veritablen Manipulations-Skandal erschüttert. Gerade wurden auf der weltgrößten Automobilausstellung in Frankfurt (IAA) die neuesten Modelle präsentiert, da platzte die Bombe. Der Vorwurf: der Konzern – wie inzwischen auch offiziell bestätigt – soll eine spezielle Software entwickelt und eingesetzt haben, um die Messung des Schadstoffausstoßes in seinen Diesel-Fahrzeugen zu manipulieren, so die US-Umweltbehörde EPA. Das gesamte Ausmaß dieses Skandals ist noch gar nicht absehbar. Im schlimmsten Fall droht dem VW-Konzern, der sich anschickte nicht nur der weltweit größte Automobilbauer sondern auch der Technologieführer in der Branche zu werden, eine Milliardenstrafe von 18 Milliarden Dollar. Hinzu kommt ein Imageschaden, der nicht nur VW, sondern die gesamte deutsche Automobilindustrie treffen könne.

Um die Dimension zu verstehen, was dem VW-Konzern droht, reicht ein Blick in die Bilanzen: Der Konzerngewinn im Jahr 2014 lag bei 12,7 Milliarden Euro (rund 14 Milliarden Dollar). Der Amerika-Chef von Volkswagen, Michael Horn, hat bei der Präsentation des neuen Passat in New York in seltener Offenheit zwar schon zugegeben  dass VW es „verbockt“ hat und gleichzeitig auch angekündigt, „bezahlen, was wir zu bezahlen haben“. Am Ende, so viel ist sicher, wird dies aber nicht reichen. Längst wird auch über personelle Konsequenzen - mehr oder weniger laut - nachgedacht. Laut Informationen des Tagesspiegels soll der VW-Chef Martin Winterkorn noch diese Woche abgelöst werden.

Zuvor müssen aber einige Fragen geklärt werden: Wie konnte das passieren? Wer wusste davon? Wer hat die Manipulation angeordnet? Und haben die Verantwortlichen wirklich geglaubt, dass der Betrug nicht auffliegt?

Hat die Compliance versagt?

Der Automobilexperte Prof. Dr. Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach legt den Finger noch tiefer in die Wunde, wenn er Handelsblatt die Frage stellt, wo denn die Compliance gewesen sei? Leicht verwundert fragt sich Bratzel, ob man sich in Wolfsburg nicht im Klaren gewesen ist, „dass man Regeln nicht einfach aushebeln darf“.

US-Justizbehörde ermittelt

Antworten – nicht nur auf diese Fragen – wird der Konzern in naher Zukunft beantworten müssen. Die US-Justizbehörde hat bereits angekündigt, gegen VW zu ermitteln, wie das Handelsblatt unter Berufung auf Quellen der Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Und auch für die Verantwortlichen selbst kann es ungemütlich werden. Wie das US-Justizministerium in September in einem Memorandum angekündigt hat, werde man sich in Zukunft verstärkt auf das Fehlverhalten der einzelnen Verantwortlichen konzentrieren: „Eine der mächtigsten Waffen gegen Fehlverhalten ist es, die Verantwortlichen direkt zur Rechenschaft zu ziehen.“ Mit diesem Vorgehen, so die Begründung der Justizbehörde „verringere man die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Fehlverhaltens“ und „stelle sicher, dass die Richtigen getroffen“ würden.

Compliance bei VW: Alles unter Kontrolle – dachte man

Noch im Juni sah sich Volkswagen in Sachen Compliance auf einem guten Weg. Zehn Jahre nach dem großen Skandal von Schmiergeldzahlungen und Lustreisen auf Firmenkosten versicherte der Chief Compliance Officer von Volkswagen, Dr. Frank Fabian, gegenüber der Deutschen Presseagentur, dass man Regelverstöße möglichst schon im Vorfeld ausschließen wolle und deshalb stark auf Prävention setze. Auch der Leiter der Konzernrevision Peter Dörfler sagte, dass grundsätzlich alle Abläufe im Unternehmen geprüft werden. „Darüber hinaus nehmen wir verdachtsunabhängige Kontrollen und im Verdachtsfall intensive Untersuchungen vor“, so Dörfler. Anscheinend wurden einige wichtige Abläufe in den USA vergessen. Man darf gespannt sein, was im Laufe der Ermittlungen noch alles zu Tage getragen wird. Die Erfahrung zeigt, dass Compliance-Verfehlungen – leider – keine Einzelhandlung, sondern oftmals einen systemischen Hintergrund haben.

Literaturempfehlung zu Compliance

In dem Handbuch Compliance international geben Experten einen umfassenden Überblick über die Grundlagen compliance-relevanter Rechtsgebiete bedeutender Wirtschaftsnationen – auch der USA.
 
Über die Führungsaufgaben und Rechtspflichten eines Vorstandes einer Aktiengesellschaft informiert der Band Vorstand der AG, herausgegeben von Dr. Jürgen van Kann. Der Band hilft Ihnen, die wesentlichen Haftungsfallen zu erkennen und zu vermeiden. Behandelt werden auch Themen wie Vergütungsfragen, D&O-Versicherung und Compliance.

(ESV/ms mit Material von Handelsblatt, Tagesspiegel, FAZ, WiWo)