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Wirtschaftsethik

12.03.2019
Von Christoph Lütge / Matthias Uhl. Vahlen, München 2018, Vahlens Handbücher, 270 Seiten, 32,90 Euro, ISBN 978-3-8006-5244-0.
Wirtschaftsethik wird an immer mehr Hochschulen Pflichtfach in Studiengängen mit wirtschaftswissenschaftlicher Ausrichtung. Auch die Lehrbuchliteratur widmet sich in vielen Werken diesem Themenfeld, das in den USA bereits lange etabliert ist (auch wenn die Absolventen amerikanischer Business Schools sich nicht immer ethisch verhalten). In Deutschland wurde es aufgrund der historisch bedingten Forderung nach Wertfreiheit der Betriebswirtschaftslehre lange nur am Rande behandelt. Lütge ist Lehrstuhlinhaber an der Technischen Universität München, Uhl arbeitet an diesem Lehrstuhl. Beide sind prädestiniert für die Abfassung eines modernen Lehrbuchs zu diesem Thema. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und eignet sich ohne Einschränkung für den Einsatz in wirtschafsethischen Veranstaltungen an Hochschulen.

In den ersten drei Kapiteln des Buches werden die philosophisch-theoretischen Grundlagen einführend beschrieben. Die begrifflichen Grundlagen befassen sich zum Beispiel mit dem Unterschied zwischen der monistischen und dualistischen Auffassung der Wirtschaftsethik: Sind die Maximierungsansprüche der Ökonomie und die Moral Gegensätze (dualistische Ansicht) oder komplementäre Bereiche, die sich gegenseitig bedingen beziehungsweise befruchten (monistische Ansicht). Die historische Entwicklung und damit einhergehende Veränderungen von Ansichten wird in Kapitel 2 diskutiert. Dazu ziehen die Autoren das Zinsverbot heran. Dabei findet auch derjenige Leser einen Zugang zur Problematik, der historische Entwicklungen als verstaubte Theorien empfindet, da immer aktuelle Bezüge hergestellt werden – zum Zinsverbot widmen sich die Autoren dem heutigen Islamic Banking. Kapitel 3 befasst sich mit den Methoden der Wirtschaftsethik: Dabei werden philosophische und ökonomische (auch spieltheoretische und experimentelle) Methoden vorgestellt. Damit erhalten Studierende auch eine solide Einführung in die Methoden dieser wissenschaftlichen Disziplin.

Kapitel 4 befasst sich darauf aufbauend mit Problemen der Wirtschaftsethik. Neben Globalisierung, Armut und Ungleichheit, den Menschenrechten steht hier das Thema Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Dabei stellen die Autoren das Prinzip Effizienz vor, also die Dinge richtig tun, das heißt, die Ressourcen schonend zu nutzen. Allerdings hatte schon der britische Ökonom Jevons festgestellt, dass nach Einführung der Dampfmaschine der Energieverbrauch angestiegen ist – trotz der effizienteren Dampfmaschine. Grund dafür ist die Nutzung der freigesetzten Ressourcen für eine Ausweitung des Konsums/Lebensstandards (sogenannte Rebound-Effekte). Zur Lösung dieses Problems wird der Gedanke der Suffizienz angeführt, das heißt eine Selbstbeschränkung auf ein „genug“. Die Autoren versäumen aber nicht darauf hinzuweisen, dass nicht klar ist, wann dieses „genug“ erreicht ist und wer bestimmt, wann etwas genug ist.

Kapitel 5 befasst sich mit der Unternehmensethik. Ein Hauptaspekt dieses Kapitels ist Compliance. Naturgemäß kann ein Lehrbuch zur Wirtschaftsethik ein Fachbuch zum Thema Compliance nicht ersetzen. Allerdings sind die kompakten und kurz gefassten Ausführungen gut verständlich und stellen den Stand der Theorie und Praxis angemessen dar. Anhand eines Beispiels eines niederländischen Unternehmens, das im damals diktatorisch regierten Birma Geschäfte machte, wird aufgezeigt, dass Reputationsschäden für Unternehmen auch in Situationen entstehen können, in denen sie gegen kein Gesetz verstoßen und sie auch nicht direkt im reputationsempfindlicheren Endkundengeschäft tätig sind. Zu erwarten ist auch, dass sich ein Kapitel eines Buches zur Wirtschaftsethik mit dem Schlag- und Modebegriff Corporate Social Reponsibility (CSR) auseinandersetzt. Diese Erwartung wird auch hier erfüllt. Erfreulich hebt sich dieses Buch aber von anderer Literatur ab, da nicht nur kasuistisch, sondern theoretisch fundiert über dieses komplexe Thema diskutiert wird. So stellen die Autoren Porters und Kramers Theorie des Shared Value vor. Die monistische Herangehensweise an die sich gegenseitig fördernden Ziele aus ökonomischem Gewinn und Nutzen für die Gesellschaft wird seit einigen Jahren in der Wissenschaft ausführlich diskutiert. Außerdem gehen die Autoren auch auf das relativ selten diskutierte Modell der Corporate Social Irresponsibility ein, was das Vermeiden von unverantwortlichen Handlungsweisen in den Mittelpunkt der CSR-Konzeption stellt und damit wie eine Form des negativen Utilitarismus wirkt – der Nutzen besteht im Vermeiden von Schäden. Positiv ist hervorzuheben, dass die Autoren auch die Kritik an CSR thematisieren. Allerdings wird hier hauptsächlich auf Milton Friedmans Aufsatz von 1970 eingegangen, dessen Hauptthese, dass es die einzige soziale Verantwortung von Unternehmen wäre, Profite zu machen, heute noch häufig als abschreckende Aussage zum Turbokapitalismus angeführt wird. Hier hätte man neuere Ansätze erwähnen können, bei denen auch die – nicht demokratisch legitimierte Macht – von großen Konzernen diskutiert werden könnte, gesellschaftliche Debatten zu beeinflussen oder vielleicht sogar zu bestimmen.

Insgesamt ist das Werk von Lütge und Uhl ein sehr gelungenes Buch, dem man eine weite Verbreitung wünscht!

Prof. Dr. Stefan Behringer, NORDAKADEMIE, Hochschule der Wirtschaft, Elmshorn und Hamburg

Quelle: ZRFC Risk, Fraud & Compliance Heft 1/2019

Programmbereich: Management und Wirtschaft