Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

Gebühren für stornierte Reise können einen hohen Teil des Reisepreises ausmachen (Foto: vegefox.com / stock.adobe.com)
Reiserecht

AG Frankfurt am Main zur kostenlosen Stornierung einer Pauschalreise bei Corona

ESV-Redaktion Recht
19.08.2020
Müssen Reiseveranstalter ihren Kunden den kompletten Reisepreis erstatten, wenn ein Kunde seine Reise vor Antritt storniert und zu dieser Zeit die Ausbreitung von Corona am Zielort schon absehbar war? Hierüber hat das AG Frankfurt am Main kürzlich entschieden.
In dem Streitfall hatte der Kläger seine Reise nach Ischia in Italien am 7.3.2020 wegen der sich weltweit ausbreitenden Corona-19-Pandemie storniert. Die Reise sollte am 14.4.2020 beginnen. Geplant war unter anderem ein Flug von Hamburg nach Neapel und zurück. Zwar akzeptierte die Reiseveranstalterin die Stornierung. Allerdings erhob sie hierfür Kosten, die ihre AGB vorgesehen hatten und erstattete dem Kläger den von ihm schon gezahlten Reisepreis abzüglich der Stornogebühren zurück.

Der kostenlose Newsletter Recht - Hier können Sie sich anmelden!
Redaktionelle Nachrichten zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.


Kläger: Corona begründet unvermeidbareren, außergewöhnlichen Umstand

Der Kläger war anderer Ansicht und machte seinen vollen Anspruch vor dem AG Frankfurt a. M. geltend. Seine Begründung: Aufgrund der Pandemie liege ein unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand vor. Daher müsse die Reiseveranstalterin die von ihm gezahlten Reisekosten ohne Abzug zurückzahlen. Maßgeblich wären die tatsächlichen Umstände zum Zeitpunkt der Reise – und zwar unabhängig davon, wann der Rücktritt erklärt worden sei.

Beklagte: Keine Reisewarnung zum Zeitpunkt der Stornierung

Dem entgegnete die Beklagte, dass zur Zeit der Stornierung Anfang März 2020 noch keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes das Gebiet am Reiseort vorlag. Daher seien die Stornogebühren rechtmäßig angefallen.

AG Frankfurt: Reisewarung für kostenlosen Reiserücktritt nicht zwingend erforderlich

Das AG Frankfurt folgte der Ansicht des Klägers und hat die Beklagte dazu verurteilt, dem Kläger den von ihm geltend gemachten Betrag zurückzuzahlen. Die tragenden Gründe des AG:

  • Außergewöhnliche Umstände am Urlaubsort: Im Zusammenhang mit der Corona-Krise kommt es darauf an, ob die Umstände am Urlaubsort schon zum Zeitpunkt des Rücktritts als außergewöhnlich einzuordnen waren.
  • Aber - keine strengen Anforderungen: Grundsätzlich, so das AG weiter, sind insoweit aber keine allzu strengen Anforderungen zu stellen.
  • Insbesondere - keine Reisewarnung erforderlich: Vor allem hält das Frankfurter Gericht eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für das Zielgebiet nicht für zwingend geboten. Vielmehr reicht schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung von Corona aus. Zum Zeitpunkt der Reisestornierung - Anfang März 2020 - war dies nach Auffassung des Gerichts für ganz Italien der Fall. Damit hatte die Beklagte kein Recht, Stornierungsgebühren nach § 651h Absatz 3 BGB zu erheben.
Quelle: PM des AG Frankfurt vom 17.8.2020 zum Urteil vom 11.08.2020 - 32 C 2136/20

Im Wortlaut: § 651h Absatz 3 Rücktritt vor Reisebeginn (Auszug)
[...] (3) Abweichend von Absatz 1 Satz 3 kann der Reiseveranstalter keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich im Sinne dieses Untertitels, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. [...]

Steuer- und RechtsBrief Touristik

Expedition Steuern&Recht

Mit dem Steuer- und RechtsBrief Touristik (SRTour),dem aktuellen Informationsdienst für Touristik, Business Travel und Hotellerie, bleiben Sie auf dem neuesten Stand. Branchenexperten versorgen Sie mit regelmäßigen Updates und Praxistipps zu allen Steuer- und Rechtsfragen der Tourismusbranche.

SRTour bietet tourismusspezifische Antworten für Praktiker in Reisebüros, Reiseveranstalter oder Hotels, aber auch für ihre Berater.

Speziell für die Tourismusbranche

  • 12 x im Jahr: fundiert und gut lesbar mit vielen Tipps, Kurzhinweisen, Checklisten und Praxisbeispielen zu branchenspezifischen Themen.
  • Direkter Fachaustausch: Kenner der Materie arbeiten an der Zeitschrift mit und beantworten im Leserforum auch regelmäßig Ihre Fragen.
Testen Sie SRTour doch einmal kostenlos und unverbindlich.

Verlagsprogramm

Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht

Auch interessant 

28.07.2020
VGH Mannheim bestätigt Quarantänepflicht nach Einreise aus Türkei vorläufig
Nach der Verordnung zur Einreise-Quarantäne in Baden-Württemberg (Stand: Mitte Juli 2020) müssen sich Einreisende aus Risikogebieten für 14 Tage in Quarantäne begeben. Zu den Risikogebieten zählt auch die Türkei. Diese Einordnung hatte der VGH Mannheim in einem Eilverfahren bestätigt, obwohl der Wert der 7-Tage-Inzidenz – nach Angaben der Angaben des türkischen Gesundheitsministers – unter der Schwelle von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner liegt. Auch der Gesetz-und Verordnungsgeber führt inwischen Corona-Tests bei der Einreise nach Deutschland ein. mehr …


(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht