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AG München: Ein Au Pair muss nicht zwingend in der Wohnung des Vermieters untergebracht werden (Foto: Dan Race / stock.adobe.com)
Eigenbedarfskündigung bei Wohnraummiete

AG München: Unterbringung eines Au Pair kann Kündigung wegen Eigenbedarfs rechtfertigen

ESV-Redaktion Recht
02.02.2021
Beim Streit, ob bei der Kündigung von Wohnraum Eigenbedarf vorliegt, müssen die Gerichte dem BGH zufolge sehr genau alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Dies zeigt nun auch eine aktuelle Entscheidung des AG München. In dieser ging es im Wesentlichen darum, ob auch die Unterbringung eines Au Pair den Vermieter zur Kündigung berechtigt.   
In dem Streitfall hatte der Kläger 2016 eine Zwei-Zimmer-Mietwohnung von 59 qm in München-Ludwigsvorstadt erworben. Die beklagte Mieterin wohnte dort seit 2002. Der Kläger lebt mit seiner Ehefrau, die von zu Hause aus einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, in einer Eigentumswohnung, die nur einige Gehminuten von der vermieteten Wohnung entfernt ist. Das Ehepaar hat drei Kinder. Von diesen besuchen zwei die Grundschule. Das jüngste Kind ist ein Jahr alt.
 
Am 13.11.2019 kündigte der Kläger das Mietverhältnis fristgemäß zum 31.8.2020. Seine Begründung: Er und seine Ehefrau wollten zum 1.9.2020 ein Au Pair einstellen, da die Ehefrau des Klägers wieder in vollem Umfang ihrem Beruf nachgehen möchte. Weil sämtliche Räume bereits genutzt werden, gibt es in der eigenen Wohnung keine Möglichkeit zur Unterbringung des Au Pair, so der weitere Vortrag des Klägers.
 

Beklagte: Unterbringung des Au Pairs auch in Wohnung des Klägers möglich

Die Beklagte meint allerdings, dass die Unterbringung des Au Pair in der Wohnung des Klägers möglich sein muss. Zudem könne das Au Pair in einer anzumietenden Wohnung mit vergleichbarer Entfernung untergebracht werden. Sie sei zu 60 Prozent schwerbehindert. Darüber hinaus beziehe sie Hartz-IV-Leistungen und sei auf dem freien Wohnungsmarkt chancenlos, obwohl sie sich hinreichend um Ersatzwohnraum bemüht habe. Schließlich drohe ihr die Verschlechterung ihres mittelgradigen depressiven Syndroms.

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AG München: Platzbedarf für Au Pair plausibel dargelegt

Diese Einlassungen der Mieterin überzeugten das AG München nicht. Es hat die Beklagte dazu verurteilt, die Wohnung zu räumen und bis zum 31.7.2021 an den Kläger herauszugeben. Bei seinen Erwägungen wog das AG die Belange der Prozessparteien sehr umfassend ab und befasste sich zunächst mit den Interessen des Vermieters:   

  • Unterbringung eines Au Pair grundsätzlich als Eigenbedarfsgrund anerkannt: In der Rechtsprechung ist dem AG zufolge prinzipiell anerkannt, dass der Wunsch des Vermieters, ein Au Pair in seinem Haushalt aufzunehmen, vernünftig und nachvollziehbar ist. Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter ein Au Pair in einer vermieteten Wohnung unterbringen möchte, die zu Fuß von seinem Eigenheim aus erreichbar ist.
  • Au Pair notwendig: Durch die Hilfe des Au Pair ist die Kinderbetreuung sichergestellt. Damit kann die Ehefrau des Vermieters wieder vollständig ihrem Beruf nachgehen. Ausreichend hierfür ist, dass der Vermieter die Au-Pair-Dienste in naher Zukunft für benötigt. Auch das Argument der Mieterin, nach dem vor allem das jüngste Kind noch kein eigenes Zimmer braucht, griff nicht. Nach Auffassung des AG ist die Raumaufteilung innerhalb der eigenen Wohnung sei allein Sache des Klägers und seiner Familie.
  • Unterbringung des Au Pair bei Gastfamilie nicht zwingend: Wäre es Voraussetzung, dass ein Au Pair stets bei der Gastfamilie unterzubringen ist, würden kinderreiche Familien ohne eigenes Haus, benachteiligt, denn diesen Familien wäre die Abstellung eines Au Pair faktisch verwehrt.
  • Kein vorgetäuschter Eigenbedarf: Nach alledem sah das Gericht auch keine Anzeichen dafür, dass der Vermiter die volle Ausnutzung aktuellen Wohnraumes Vermieters nur vorgespiegelt hatte.

Beklagte auch nicht an Räumung gehindert

Die Begründungen der Beklagten, nach denen sie an der Räumung der Wohnung gehindert wäre, griffen aus folgenden Gründen nicht durch:

  • Beklagte nicht in durchgehender ärztlicher Behandlung: Aus dem Attest, das die Beklagte vorgelegt hatte, ergab sich, dass diese nicht durchgehend ärztlich behandelt wurde. Sie hatte sich erstmals am 1.10.2020 ambulant vorgestellt. Damit fehlte es an einem hinreichend substantiierten Vortrag, dass sie krankheitsbedingt an der Räumung gehindert ist. Auch der Umstand, dass die Beklagte zu 60% schwerbehindert sei, reichte dem Gericht nicht aus. Daher hatte es kein Sachverständigengutachten eingeholt, weil es an den entsprechenden „Anknüpfungstatsachen“ fehlte. Ob und inwieweit das Gericht hier auf die Behinderung bzw. auf die von der Beklagten dargelegte Verschlechterung der Depression abgestellt hat, wird aus der Pressemeldung nicht ganz ersichtlich. Insoweit wäre eine Veröffentlichung der Entscheidung im Volltext abzuwarten.  

  • Keine hinreichende Suche nach Ersatzwohnraum: Die Beklagte, so das Münchner Gericht weiter, habe fast ausschließlich im zentralen Innenstadtbereich nach einer Ersatzwohnung gesucht. Diese Suche hätte sich sich auf besonders beliebte Viertel beschränkt. Damit habe sie nicht nachgewiesen, dass sie alles Erforderliche und Zumutbare zur Erlangung einer Ersatzwohnung unternommen hatte.


Aber - Verlängerung der Räumungsfrist

Da die Beklagte den Kündigungsgrund nicht zu verantworten hatte, sah es das AG München – auch aufgrund des aktuellen Lockdowns – als angemessen an, die Räumungsfrist bis zum 31.7.2021 zu verlängern. Das Urteil ist, soweit ersichtlich, nicht rechtskräftig.

Quellen:

  • PM des AG München vom 22.1.2021 zum Urteil vom selben Tag – 473 C 11647/20

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(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht