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Lehrkräfte unterstützen beim Gebrauch von digitalen Medien (Foto: Monkey Business / stock.adobe.com)
Fremdsprache Deutsch 66: Interaktion – digital und vernetzt

Aktivierung und Interaktion durch digitale Medien

ESV-Redaktion Philologie
21.04.2022
Bereits seit längerer Zeit sind digitale Medien nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Aber auch im Unterricht werden Laptops und Tablets, Apps und Erklärvideos zu einem immer festeren Bestandteil. Doch wie können die Chancen der digitalen Medien sowie die Medienkompetenz der Lernenden didaktisch sinnvoll ausgeschöpft werden?
Dieser Frage widmen sich Angelika Braun und Petra Klimaszyk in ihrem Beitrag ‚Aktivierung und Interaktion durch digitale Medien‘, der die neue Ausgabe von Fremdsprache Deutsch eröffnet. Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Artikel, in welchem die Autorinnen drei Gründe für die Förderung der Interaktion von Lernenden im Fremd- und Zweitsprachenunterricht Deutsch vorstellen.

Fähigkeit zu sprachlicher Interaktion als Lernziel


Auf den ersten Blick ist die Kompetenz zu mündlicher Interaktion in erster Linie für Menschen wichtig, die in deutschsprachiger Umgebung leben oder sich auf einen Aufenthalt dort vorbereiten. […] Angesichts der internationalen Vernetzung ist diese Kompetenz aber auch zunehmend außerhalb der deutschsprachigen Länder gefragt, und zwar sowohl mündlich als auch schriftlich und beruflich wie privat. In den Begleitband zum GER (Europarat 2017, deutsche Übersetzung 2020) wurden deshalb neue Skalen mit Deskriptoren für Niveaustufen von Online-Interaktion und Mediation aufgenommen.

Dabei ist zu beachten, dass digitale Medien die Grenze zwischen schriftlicher und mündlicher Kommunikation durchlässiger machen. Es wird viel mehr geschrieben, dabei entstehen aber nicht nur eindeutig „schriftliche“ Texte. Die meisten Messenger- Nachrichten und viele E-Mails sind konzeptionell (und damit stilistisch) eher „mündlich“. Das bedeutet, dass die Schreibenden z. B. weniger auf Korrektheit und elaborierte Sprache achten, wenn sie mit den Adressaten und Adressatinnen vertraut sind. Die Lernenden müssen bei der Produktion solcher Texte deshalb über das gesamte Spektrum möglicher Register verfügen und genau den Formalitätsgrad wählen, der der Kommunikationssituation und den jeweiligen Kommunikationspartnerinnen und -partnern angemessen ist.

Zudem wird es immer wichtiger, Beziehungen unter plurilingualen und plurikulturellen Bedingungen mitzugestalten und „eine positive interaktive Umgebung für erfolgreiches Kommunizieren von Teilnehmern und Teilnehmerinnen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zu ermöglichen, was multikulturelle Kontexte einschließt.“ (Europarat 2020, 135)

Diese komplexe zielsprachige Kompetenz wird nach dem time on task-Prinzip am besten dadurch gefördert, dass im Unterricht selbst vielfältige Interaktionsmöglichkeiten geschaffen werden und damit das geübt wird, was gelernt werden soll: sprachlich angemessen zu interagieren.

Interaktion als Stimulus für zielsprachigen Output

Indem wir mit anderen sprechen oder von ihnen lesen, ihnen zuhören oder ihre schriftlichen Äußerungen verarbeiten, lernen wir durch den Input unserer Kommunikationspartnerinnen und -partner. Vielfältige (Lern-)Materialien sowie zielsprachige Äußerungen und Erklärungen sind die Grundlage für (individuell unterschiedliche) Verarbeitungs- und Aneignungsprozesse.

Interaktion mit anderen stimuliert aber auch die Sprachproduktion. Zielsprachige Äußerungen von Lernenden können durch den Wunsch motiviert sein, eigenen Gedanken Ausdruck zu verleihen, sich mit Mitlernenden über ein interessantes Thema auszutauschen oder ein Problem gemeinsam zu lösen. Dabei wird deutlich, inwieweit deklaratives Wissen (Gelerntes) in prozedurales Wissen (Können) überführt ist, d. h. was tatsächlich „gelernt“ ist und produktiv zur Verfügung steht. Fremdsprachenunterricht nimmt deshalb auch die Qualität des Outputs in den Blick, also die mündlichen und schriftlichen zielsprachigen Äußerungen der Lernenden.

Outputorientierter Fremdsprachenunterricht hat außerdem ein großes Motivationspotenzial, denn gelungene Kommunikation vermittelt ein Erfolgserlebnis und lässt Selbstwirksamkeit erleben. Um Lernenden sprachliche Erfolgserlebnisse zu ermöglichen, gestalten wir Unterricht so, dass er den Lernenden Gelegenheit gibt, sich in zielsprachiger Kommunikation als kompetent zu erleben, und bieten ihnen möglichst viele Gelegenheiten dazu.

Weiterhin ist zielsprachiger Output eine Voraussetzung für interaktives Feedback – durch die Lehrkraft, durch Mitlernende oder durch Menschen, die die Zielsprache als Erstsprache haben.

Bedeutung von Interaktion für das Lernen

Interaktion ist schlussendlich auch wichtig für den Lernprozess selbst. Die Wechselwirkung mit der sozialen Umwelt spielt für das Erlernen einer Sprache eine entscheidende Rolle. Kleinkinder sind beim Erwerb der Erstsprache darauf angewiesen, sprachliche Modelle zu erhalten. Diese reproduzieren sie imitierend, „bis sie die jeweilige Struktur erkannt haben und die Form-Funktions-Einheit analysieren können und dann das abgeleitete Wissen für die Bildung neuer Äußerungen nutzen.“ (Aguado 2021, 6)

Genau diese Prozesse unterstützen auch den Erwerb einer Zweit- oder Fremdsprache. Auch unsere Lernenden sind auf zielsprachige Modelle angewiesen, die sie imitieren und aus denen sie Regeln ableiten können. Von den meisten Vertreterinnen und Vertretern aktueller Ansätze wird deshalb der Interaktion der Lernenden mit der Lehrkraft, anderen Lernenden oder kompetent(er)en Sprechenden der Zielsprache zur Erklärung von Spracherwerbs- und -lernprozessen eine entscheidende Rolle beigemessen (vgl. Schart/Legutke 2012, 92 ff.).

von Angelika Braun und Petra Klimaszyk

Fremdsprache Deutsch Heft 66 (2022): Interaktion – digital und vernetzt

Heftherausgeberinnen: Angelika Braun und Petra Klimaszyk
Wir kennen ihn alle – den Ruf nach dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht.
Diese sind – genauso wie andere Medien auch – längst ein integraler Bestandteil unseres Alltags und ihre Nutzung ist für Jugendliche heutzutage ganz selbstverständlich. Soll Fremdsprachenunterricht nah an der Lebenswelt der Lernenden und somit auch motivierend sein, gehören digitale Medien einfach dazu. Im vorliegende Heft fragen wir deshalb nicht nach ihrem didaktischen Mehrwert. Uns interessiert vielmehr, wie mithilfe digitaler Medien die Aktivierung der Lernenden sowie ihre Interaktion gestaltet werden können. Hierzu kommen Lehrende aus unterschiedlichen Lernkontexten zu Wort, die dies in der Praxis erprobt und kritisch hinterfragt haben. Die Beiträge entsprechen reflektierter Praxis und möchten den Blick für unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien erweitern, zur Reflexion und zum kollegialem Austausch anregen sowie dazu ermutigen, Anregungen aufzugreifen und selbst auszuprobieren.

Programmbereich: Deutsch als Fremdsprache