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Schutz vor Lärmbelastung (Foto: Pawel Tadrzak)
Rechtsprechung

Anspruch auf lärmgeminderten Arbeitsplatz aus der Lärm- und Vibrationsschutzverordnung?

Thomas Wilrich
17.11.2015
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 25. Mai 2010 (2 SaGa 7/10) verdeutlicht die Grenzen der LärmVibrationsArbSchV.

Das Landesarbeitsgericht Köln verdeutlicht in einem Urteil die Grenzen der LärmVibrationsArbSchV, die keine unmittelbaren Arbeitnehmer-Ansprüche auf einen lärmgeminderten Arbeitsplatz beinhaltet. Der klagende Arbeitnehmer ist beim Zusammenstecken von Kupplungsnaben und Synchronringen einer Lärmexposition von 80 dB(A) ausgesetzt. Er teilt mit, dass er Gehörgangstöpsel aufgrund der mangelnden Entlüftung und daraus folgender Entzündungen des Gehörgangs nicht toleriere, legt ein Attest vor, dass er nicht mehr im Lärmschutzbereich eingesetzt werden kann, und beantragt beim Gericht die Zuweisung eines Arbeitsplatz, auf dem er einer Lärmbeeinträchtigung von maximal 60 dB(A) ausgesetzt ist.

Die Klage wird aus vier Gründen abgewiesen:

  1. Erstens belege das Attest nur, „dass der Kläger nicht mehr im Lärmschutzbereich eingesetzt werden kann. Dieser beginnt allerdings nach §7 Abs. 4 i. V. m. §6 LärmVibrationsArbSchV erst bei 85 dB(A). Eine Tätigkeit in Bereichen mit geringerer Lärmbelastung als 85 dB(A) ist durch das Attest deshalb nicht ausgeschlossen“.

  2. Zweitens könne mit „Micky-Mäusen“ eine ausreichende Belüftung des Ohres erreicht werden und daher ist für das Gericht „nicht hinreichend glaubhaft gemacht, warum eine Tätigkeit unter Verwendung dieser Art Gehörschutzes für den Kläger nicht möglich sein soll. Auch der Kläger muss seinerseits alle erdenklichen Anstrengungen unternehmen, um seinen Arbeitsplatz und seine Gesundheit zu erhalten. Der Kläger verkennt aber auch, dass die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht zur Gesundheitserhaltung der Mitarbeiter nicht grenzenlos ist. Nicht jede denkbare Arbeitsplatzgestaltung ist auch durch den Arbeitgeber geschuldet“. 

  3. Drittens könne der Kläger „nicht eine Verurteilung zu einer unmöglichen Leistung durchsetzen. Da nach der vom Kläger vorgelegten Lärmskala auch Büroarbeitsplätze den vom Kläger gewünschten Geräuschpegel von 60 dB(A) üblicherweise bereits um 10 dB(A) überschreiten, würde auch die Zuweisung eines Büroarbeitsplatzes nicht sicherstellen, dass die Lärmgrenze eingehalten wird. Das Vorhandensein eines Arbeitsplatzes mit der vom Kläger gewünschten Lärmgrenze „hat der Kläger nicht dargestellt“ – nicht ganz so juristisch ausgedrückt: es gibt einen solchen Arbeitsplatz nicht.

  4. Viertens weist das Gericht darauf hin, dass der Arbeitgeber „auch nicht verpflichtet ist, den Kläger bezahlt von der Arbeitsleistung freizustellen. Denn da die körperlichen Einschränkungen des Klägers auf dessen persönlicher Gesundheitskonstitution beruhen, liegt das Leistungshindernis grundsätzlich im Risikobereich des Arbeitnehmers. Die soziale Absicherung erfolgt hierbei typischerweise über das Entgeltfortzahlungsgesetz".

Wenn das LAG im vierten Argument die „persönliche Gesundheitskonstitution“ anspricht und sie dem „Risikobereich des Arbeitnehmers“ zuweist, warnt es den Kläger, dass seine Entlassung möglich wäre.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sagt in ständiger Rechtsprechung – etwa im Urteil vom 18. Januar 2007 (Az. 2 AZR 731/05): „Mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet werden, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht (mehr) besitzt, um zukünftig die geschuldete Arbeitsleistung – ganz oder teilweise – zu erbringen. Eine personenbedingte Kündigung setzt hiernach eine Nicht- oder Schlechterfüllung der geschuldeten Arbeitsleistung voraus“.

Wenn dagegen die „Störquelle“ nicht (unmittelbar) die gesundheitliche Beeinträchtigung des Arbeitnehmers ist, sondern eine Umstrukturierung der Unternehmensorganisation, dann geht es um eine betriebsbedingte Kündigung (siehe hierzu den Fall „Gehörschaden als Störquelle und Kündigungsgrund?“ – in Heft 7/2013 der Zeitschrift sicher ist sicher [sis]).

Der Autor

Rechtsanwalt Dr. Thomas Wilrich ist tätig rund um die Themen Produktsicherheit, Produkt- und Instruktionshaftung und Arbeitsschutz einschließlich der entsprechenden Betriebsorganisation, Vertragsgestaltung und Strafverteidigung. Kontakt: info@rechtsanwalt-wilrich.de.

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Programmbereich: Arbeitsschutz