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Antragsveranlagung: Einheitlich auftretende Verwaltung kann nicht mit Unzuständigkeit argumentieren (Foto: Dream-Emotion/Fotolia.com)
Einkommensteuer

Antragsveranlagung: Fristwahrende Steuererklärung auch beim unzuständigen Finanzamt

ESV-Redaktion Steuern
20.10.2017
Kann ein Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG auch fristwahrend durch Einwurf bei einem örtlich unzuständigen Finanzamt gestellt werden? Über diese Frage hat das Finanzgericht Köln vor kurzem entschieden.
Das Finanzgericht Köln hat mit den nun veröffentlichten Urteilen vom 23.05.2017 (Az. 1 K 1637/14 und 1 K 1638/14) entschieden, dass der Einwurf einer Steuererklärung am letzten Tag der Antragsfrist selbst dann fristwahrend ist, wenn er beim unzuständigen Finanzamt erfolgt.

Die Kläger warfen ihre Steuererklärungen 2009 am 31.12.2013 gegen 20.00 Uhr bei einem unzuständigen Finanzamt R ein. Das zuständige Finanzamt R1 lehnte eine Veranlagung mit der Begründung ab, dass die Erklärung erst 2014 an es weitergeleitet worden sei. Der Antrag auf Durchführung einer Veranlagung sei damit erst nach Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist und damit verspätet gestellt worden. Der dagegen erhobene Einspruch blieb erfolglos.

Wirksamer Antrag auf Veranlagung - auch beim unzuständigen Finanzamt

Das Finanzgericht Köln gab dagegen den Klägern Recht und verpflichtete das Finanzamt die Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer 2009 durchzuführen. Denn die Kläger haben durch Einwerfen ihrer Steuererklärung am 31.12.2013 beim Finanzamt R innerhalb der Festsetzungsfrist wirksam einen Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG gestellt, der den Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO hemmt, so das Finanzgericht.

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§ 46 EStG Veranlagung bei Bezug von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
(2) Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, so wird eine Veranlagung nur durchgeführt,
(…)
8. wenn die Veranlagung beantragt wird, insbesondere zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer. Der Antrag ist durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen.
§ 171 AO Ablaufhemmung
(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

Veranlagungsantrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG mit früherem Antrag auf Lohnsteuerjahres-Ausgleich vergleichbar

Das Gericht führt hierzu in seiner Begründung u.a. aus: Die Abgabe einer Einkommensteuererklärung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG ist ein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO. Nach der h.M. ist ein Antrag nach § 171 Abs. 3 AO „gestellt“, wenn er bei der zuständigen Behörde eingeht.

Diesen Grundsätzen folgen die Richter des Senats nicht für den vorliegenden Fall, in dem ein nicht steuerlich beratener Bürger meint, auch der Einwurf bei einem anderen als dem örtlich zuständigen Finanzamt derselben Stadt wahre die Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 10.07.1987 (Az. VI R 160/86). Hiernach wurde die Frist zur Beantragung des früheren Lohnsteuer-Jahresausgleichens auch durch die Abgabe des Antrags beim örtlich unzuständigen Finanzamt gewahrt. Nach Ansicht des Senats sind ein Antrag auf Lohnsteuerjahres-Ausgleich (§ 42c Abs. 2 Satz 1 EStG a.F.) und der Veranlagungsantrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG insoweit vergleichbar. Denn es handelt sich in beiden Fällen um einen Antrag nach § 171 Abs. 3 AO.

Finanzverwaltung NRW: Einheitlicher Auftritt steht Verweis auf konkretes Finanzamt entgegen

Weiter begründet das Finanzgericht: Daneben gebietet ein faires Verwaltungsverfahren den Urteilsspruch des Senats. Die Finanzverwaltung NRW tritt nach außen als einheitliche Verwaltung auf. Dies wird durch den Absender im Adressfeld von Bescheiden und Schreiben sowie auch durch den Aufdruck auf den Briefumschlägen deutlich. Hier wird nicht das einzelne Finanzamt, sondern die Finanzverwaltung NRW aufgeführt. Dieses einheitliche Auftreten spiegelt sich auch im Internetauftritt des Ministeriums der Finanzen des Landes NRW wider. Hier werden die Finanzämter unter „Finanzverwaltung des Landes NRW“ neben dem Ministerium und weiteren Dienststellen aufgeführt. Tritt die Finanzverwaltung dem Steuerbürger als einheitliche Verwaltung gegenüber, so kann sie dem Steuerbürger nicht entgegenhalten, dass Willenserklärungen wie der Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nur gegenüber dem örtlich zuständigen Finanzamt erfolgen können.

Genereller Empfangs- und Zugangswille der Finanzverwaltung außerhalb der Bürozeiten

Schließlich geht auch der Einwurf der Erklärungen außerhalb der üblichen Bürozeiten nicht zu Lasten der Kläger. Insoweit hat die Finanzverwaltung einen generellen Empfangs- bzw. Zugangswillen.

Das Finanzamt hat die in den Entscheidungen zugelassenen Revisionen eingelegt, die beim Bundesfinanzhof unter den Aktenzeichen VI R 37/17 und VI R 38/17 geführt werden.

Quelle:
PM des Finanzgerichts Köln vom 16.10.2017

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(ESV/fl)

Programmbereich: Steuerrecht