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Raubkopien während der Arbeitszeit führen zur Kündigung, urteilt das BAG (Foto: web-done.de/Fotolia.com)
Bundesarbeitsgericht

Arbeitsrecht: Raubkopien auf Dienstrechner rechtfertigen Kündigung

ESV-Redaktion
30.07.2015
Wegen der Herstellung tausender Raubkopien auf seinem Dienstrechner wurde einem Mitarbeiter der Justiz außerordentlich gekündigt. Wie beurteilt der Arbeitsrechtler Dr. Michael Meyer die aktuelle BAG-Entscheidung?
Kopiert ein Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz CDs oder DVDs für sich oder die Kollegen, so kann er dadurch seinen Arbeitsplatz verlieren. Dies gelte unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen das Urheberrecht vorliege. So entschied nun das Bundesarbeitsgericht (AZ.: 2 AZR 85/15).

Raubkopien am Arbeitsplatz gefunden

Mehr als 6.400 Video-, Bild- und Audiodateien hatte der Mitarbeiter eines Gerichts in Sachsen-Anhalt auf seinem Dienstrechner gespeichert. Zudem war darauf ein Programm installiert, dass die Umgehung von Kopierschutz ermöglichte. Seit Februar 1992 war der Mitarbeiter bei dem Gericht als IT-Verantwortlicher beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte unter anderem die Verwaltung von CDs, DVDs und Datensicherungsbändern. Eine interne Geschäftsprüfung ergab, dass der Mitarbeiter in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren, über 1.100 DVDs auf seinem Rechner kopierte.

"Der vorliegende Fall ist sicherlich ein Extrem, der Arbeitnehmer hatte von Oktober 2010 bis März 2013 über 1.100 DVDs 'bearbeitet' und auf seinem Dienst-Rechner mehr als 6.400 E-Book-, Bild-, Audio- und Videodateien gespeichert. Das legt durchaus Ausschweifungen nahe, die allein 'um ihrer selbst willen' kündigungsrelevant wären", so Dr. Michael Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht im hessischen Neu-Isenburg.

Exzessive Privatnutzung könne ungeachtet der Qualität und Inhalte durchaus eine Kündigung zur Folge haben, beispielsweise „ausschweifendes“ privates Telefonieren oder Surfen. "Das ist nicht neu, sondern wurde vom BAG schon 2005 so entschieden", erklärt Meyer. In einem BAG-Urteil vom 7. Juli 2005 (2 AZR 581/04) heißt es: „Nutzt der Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit das Internet in erheblichem zeitlichen Umfang („ausschweifend”) zu privaten Zwecken, so kann er auch bei Fehlen eines ausdrücklichen Verbots grundsätzlich nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde dies tolerieren“.

"Was aber 'ausschweifend' bedeutet, ist damit nicht gesagt", so Meyer. Die Rechtsprechung sehe die Grenze überschritten, wenn an drei Tagen überhaupt nicht und an einer Reihe von weiteren Tagen nur wenig gearbeitet wurde, obwohl genügend zu erledigen war (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil vom 31. 5. 2010 - 12 Sa 875/09).

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Kopien für sich selbst und Kollegen angefertigt

Zunächst gab der Mitarbeiter zu, dass das gefundene Material auf seinem Rechner von ihm „gemacht“ wurde. „Natürlich“ habe er auch für andere Mitarbeiter kopiert. Später widerrief er seine Aussagen. Sein Arbeitgeber kündigte ihm daraufhin fristlos. Dagegen klagte der Mitarbeiter.

Vor den unteren Instanzen hatte der Mitarbeiter mit seiner Kündigungsschutzklage vorerst Erfolg: Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt erklärten die ausgesprochenen Kündigung für unwirksam (AZ.: 4 Sa 10/14). Es sei unklar, so die Begründung der Gerichte, welchen Tatbeitrag der Mitarbeiter selbst zu den Kopier- und Brennvorgängen geleistet habe. Außerdem hätte sein Arbeitgeber, das Land Sachsen-Anhalt, nicht ohne Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden ermitteln dürfen.

BAG: Kündigung war wirksam

Vor dem Bundesarbeitsgericht wurde das letztinstanzliche Urteil nun gekippt. Eine außerordentliche Kündigung sei selbst dann wirksam, wenn der betroffene Arbeitnehmer nicht alle fraglichen Handlungen selbst vorgenommen hätte. Dass der Mitarbeiter seinen Rechner für private Zwecke nutzen durfte, ändere nichts an der wirksamen Kündigung. "Gestattet der Arbeitgeber die Nutzung zu privaten Zwecken pauschal, ist grundsätzlich alles erlaubt, was die Betriebstätigkeit nicht stört, keine erheblichen und daher unzumutbaren Kosten verursacht und das Betriebssystem nicht gefährdet", so Rechtsanwalt Meyer. Dies habe bereits 2006 das Landesarbeitsgericht Köln entschieden (AZ: 4 Sa 1018/04).

"Da die Grenzen vielfach schwammig sind, empfiehlt sich eine entsprechende Klarstellungen und zeitliche Begrenzungen in den Arbeitsverträgen", so Meyer. Problematisch aber bleibe nach wie vor, dass die private Gestattung zu erheblichen datenschutzrechtlichen Problemen führen könne, beispielsweise die Anwendbarkeit des TKG zur Folge hat. "Dann ist der Arbeitgeber plötzlich Telefonanbieter mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Solange das nicht höchstrichterlich geklärt ist, wird man Arbeitgebern nach wie vor raten müssen, die private Nutzung gar nicht erst zu gestatten", sagt Arbeitsrechtler Meyer.

Schließlich hat sich das BAG noch zur Frage der Gleichbehandlung geäußert: Dass der Arbeitgeber nicht gegen die anderen mitwirkenden Mitarbeiter vorgegangen ist, sei nicht entscheidend, so die Erfurter Richter. Denn, der Gleichbehandlungsgrundsatz finde im Rahmen verhaltensbedingter Kündigungen keine Anwendung. Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt muss nun erneut über die Kündigung des IT-Verantwortlichen entscheiden.

Tendenz in der Rechtsprechung

Es gilt zu unterscheiden, ob es sich um Bagatellverstöße des Arbeitnehmers handelt, oder um gravierendes Fehlverhalten, wie das des IT-Verantwortlichen. "Meines Erachtens gibt es eine klare Tendenz", so Fachanwalt Dr. Meyer, Autor des ESV-Buchs Kündigung im Arbeitsrecht

Das Arbeitsgericht Hamburg habe erst vor wenigen Tagen entschieden: Die Kündigung einer Krankenschwester nach knapp 23 Dienstjahren, in denen es nicht zu Beanstandungen gekommen ist, weil sie acht belegte Brötchenhälften, die von ihrer Arbeitgeberin für externe Mitarbeiter bereitgestellt wurden, genommen und mit ihren Kolleginnen während ihrer Schicht gegessen hat, hielt es für unverhältnismäßig. Zuvor hätte eine Abmahnung ausgesprochen werden müssen (ArbG Hamburg, Urteil vom 01.07.2015 - AZ: 27 Ca 87/15).

"Letztlich werden also nur extrem anmutende Fallkonstellationen - ganz geringer Schaden und jahrzehntelange beanstandungsfreie Beschäftigung - von dem weiterhin geltenden Grundsatz ausgenommen: wer im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers begeht, kann fristlos entlassen werden", sagt Dr. Meyer. "Daran hat sich grundsätzlich nichts geändert." (ESV/akb, map)

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Literaturhinweis zum Thema Kündigung im Arbeitsrecht

Das Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfahrens von Ostrowicz/Künzl/Scholz informiert umfassend über das gesamte Verfahrensrecht, unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung von BAG und der Landesarbeitsgerichte. Einen raschen Überblick für Arbeitgeber und Arbeitnehmer liefert der Leitfaden Kündigung im Arbeitsrecht von Dr. Michael Meyer. Die Neuauflage des Werks ist in Vorbereitung.

Programmbereich: Arbeitsrecht