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Arbeitszeitreport 2016: 35 Wochenstunden und mehr bei 77 Prozent der Beschäftigen (Foto: freestocks.org)
BAuA-Bericht

Arbeitszeitreport Deutschland: Ergebnisse im Überblick

ESV-Redaktion Arbeitsschutz
19.10.2017
Vollzeitbeschäftigte in Deutschland arbeiten wöchentlich etwa fünf Stunden länger als vertraglich vereinbart. Fast die Hälfte der Beschäftigten möchte ihre Arbeitszeit verringern. Wer planbare Arbeitszeiten hat, ist oft gesünder. Anne M. Wöhrmann erläutert die Ergebnisse des BAuA-Arbeitszeitreports.
Die Gestaltung der Arbeitszeit wird durch eine sich wandelnde Arbeitswelt immer vielfältiger. Der Arbeitszeitreport Deutschland 2016 gibt einen Überblick über die Arbeitszeit in Deutschland. Außerdem wird untersucht, ob die Gesundheit und Zufriedenheit von Beschäftigten mit ihrer Arbeitszeit zusammenhängen. Datengrundlage ist die Arbeitszeitbefragung 2015 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), bei der 20 000 Erwerbstätige in Deutschland telefonisch interviewt wurden. Die Befragung ist repräsentativ für Personen ab 15 Jahren in Deutschland, die einer bezahlten Erwerbstätigkeit von mindestens 10 Stunden pro Woche nachgehen.

Weitere Informationen sind im Arbeitszeitreport Deutschland 2016 sowie im zugehörigen Methodenbericht (siehe Kasten Anmerkungen [1] und [2]) zu finden. Hier werden die Daten von abhängig Beschäftigten bis zum Alter von 65 Jahren ausgewertet. Ergebnisse liegen zu den folgenden vier Themenbereichen vor:
  • Arbeitszeit im Überblick,
  • flexible Arbeitszeiten,
  • Arbeitszeitwünsche in unterschiedlichen Lebenssituationen und
  • Arbeitszeit in besonderen Erwerbsformen.

Arbeitszeit im Überblick

77 Prozent der Beschäftigten haben eine tatsächliche Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden in der Woche, was im BAuA-Arbeitszeitreport als Vollzeittätigkeit definiert ist. Teilzeitbeschäftigte, also diejenigen mit einer tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit zwischen 10 und 34 Stunden, arbeiten überwiegend in sogenannter langer Teilzeit zwischen 20 und 34 Wochenstunden. Dabei arbeiten insgesamt deutlich mehr Frauen als Männer in Teilzeit. Die Arbeitszeitmuster von Männern und Frauen im Alter von unter 30 Jahren ähneln sich noch sehr. Über 30 wird die Teilzeitbeschäftigung bei Frauen bedeutsamer, bei Männern unwichtiger.

Am seltensten wird in der Industrie und im Handwerk in Teilzeit gearbeitet, am häufigsten im Bereich der Dienstleistungen. Vollzeitbeschäftigte machen häufiger Überstunden als Teilzeitbeschäftigte. Mehr als die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten arbeitet wöchentlich über zwei Stunden mehr als vertraglich vereinbart. Im Durchschnitt arbeiten sie knapp fünf Stunden länger als im Vertrag steht. Der häufigste Grund für Überstunden ist, dass die Arbeit sonst nicht zu schaffen ist. So gehen längere Arbeitszeiten und Überstunden häufig mit starkem Termin- oder Leistungsdruck, einer Überforderung durch die Arbeitsmenge sowie Pausenausfall einher.

Für Vollzeitbeschäftigte zeigt sich, dass längere Arbeitszeiten und mehr Überstunden mit häufigeren gesundheitlichen Beschwerden wie Schlafstörungen und Erschöpfung zusammenhängen. Darüber hinaus sind lange Arbeitszeiten oft mit einer schlechteren allgemeinen Gesundheit und einer geringeren Zufriedenheit mit der Work-Life-Balance verbunden.

Arbeit am Wochenende und außerhalb der typischen Zeit zwischen 7 und 19 Uhr kann eine besondere Belastung darstellen. Insbesondere Wochenendarbeit ist weit verbreitet: 43 Prozent der abhängig Beschäftigten arbeiten mindestens einmal im Monat am Wochenende – davon jeder Zweite auch an Sonn- oder Feiertagen. Während Arbeit an Samstagen am häufigsten im Handwerk und im Dienstleistungsbereich stattfindet, ist Arbeit an Sonn- oder Feiertagen insbesondere im öffentlichen Dienst weit verbreitet. In der Industrie wird etwas seltener am Wochenende gearbeitet.

Arbeit außerhalb der Zeit zwischen 7 und 19 Uhr betrifft ein Fünftel der Beschäftigten. Sie arbeiten zum Beispiel in festen Früh-, Spät- und Nachtschichten oder in Wechselschicht. Letztere ist, insbesondere mit Nachtarbeitsanteilen, in der Industrie am weitesten verbreitet. Beschäftigte, die am Wochenende oder im Schichtdienst arbeiten, sind seltener mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden und haben häufiger gesundheitliche Beschwerden.

Flexible Arbeitszeiten

Flexible Arbeitszeiten sind eine viel diskutierte Möglichkeit, sowohl den Bedürfnissen der Beschäftigten nach einer guten Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit als auch betrieblichen Anforderungen gerecht zu werden. So können Beschäftigten zeitliche Flexibilitätsmöglichkeiten eingeräumt werden. Genauso können aber auch Flexibilitätsanforderungen an sie gestellt werden.

Flexibilitätsmöglichkeiten zeigen sich zum Beispiel darin, wie groß der Einfluss der Beschäftigten auf den Beginn und das Ende ihrer täglichen Arbeitszeit ist, oder auch darauf, wann sie Pause machen oder sich freinehmen. Beschäftigte in größeren Betrieben und in der Industrie haben diesen zeitlichen Handlungsspielraum häufiger als Beschäftigte in kleinen oder mittleren Betrieben und im Handwerk. Zudem ist dieser Spielraum von hochqualifizierten Beschäftigten größer als von Beschäftigten mit mittlerem oder niedrigem Bildungsniveau.

Arbeitszeitkonten: In Industrie und öffentlichem Dienst weiter verbreitet

Die Dokumentation der Arbeitszeit ist die Voraussetzung, um Arbeitszeitkonten zu führen. Von einem Fünftel der Beschäftigten wird die Arbeitszeit nicht erfasst. Für etwa die Hälfte der Beschäftigten wird sie betrieblich erfasst und von einem Drittel der Beschäftigten selbst dokumentiert. Ein Arbeitszeitkonto wiederum wird für sechs von zehn abhängig Beschäftigten geführt. Über das darauf angesparte Guthaben können Beschäftigte in der Industrie und im öffentlichen Dienst häufiger selbst verfügen als im Dienstleistungsbereich und im Handwerk.

Flexibilisierungsanforderungen bestehen zum Beispiel, wenn sich die Arbeitszeit betriebsbedingt ändert, Beschäftigte auf Abruf arbeiten oder ständig erreichbar sein sollen. Mehr als jeder siebte abhängig Beschäftigte erlebt häufige und etwa jeder vierte gelegentliche Änderungen der Arbeitszeit aufgrund betrieblicher Erfordernisse. Häufig werden solche Änderungen erst am gleichen Tag oder am Vortag angekündigt.
Etwa sieben Prozent der Beschäftigten arbeiten außerdem auf Abruf. Von Arbeit auf Abruf und häufigen betrieblichen Änderungen der Arbeitszeit sind Beschäftigte in der Industrie am seltensten betroffen.

Große zeitliche Flexibilität wird auch von den 12 Prozent der abhängig Beschäftigten verlangt, die im Bereitschaftsdienst arbeiten oder Rufbereitschaft leisten. Von über einem Fünftel der Beschäftigten wird erwartet, auch im Privatleben für dienstliche Angelegenheiten erreichbar zu sein. Mehr als jeder Zehnte wird auch tatsächlich häufig aus arbeitsbezogenen Gründen kontaktiert.

Erwerbstätige, die zeitliche Flexibilitätsmöglichkeiten haben, sind häufiger mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden und schätzen auch ihre Gesundheit besser ein. Beschäftigte, an die zeitliche Flexibilitätsanforderungen gestellt werden, sind hingegen mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben unzufriedener und haben häufiger gesundheitliche Beschwerden. Ob Arbeitszeitflexibilität einengt oder freier macht, ist demnach für die Gesundheit entscheidend.

Arbeitszeitwünsche in unterschiedlichen Lebenssituationen

Welche Arbeitszeitwünsche haben Beschäftigte und wie sieht ihre tatsächliche Arbeitszeit aus? Rund die Hälfte von ihnen möchte die Länge ihrer aktuellen Arbeitszeit nicht ändern. Allerdings wünscht sich ein Drittel der Teilzeitbeschäftigten eine längere wöchentliche Arbeitszeit. Dies gilt vor allem für Beschäftigte, die denken, dass das Haushaltseinkommen nicht ausreicht. Dagegen möchte über die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten ihre Arbeitszeit reduzieren. Vor allem Beschäftigte mit langen Arbeitszeiten und hoher Arbeitsintensität wünschen sich, weniger zu arbeiten. Sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigte mit dem Wunsch, die Arbeitszeit zu kürzen, geben mehr gesundheitliche Beschwerden an als Beschäftigte, die diesen Wunsch nicht haben.

Bei Frauen hängt die Arbeitszeit deutlicher von der Lebenssituation ab als bei Männern. Frauen mit Kindern reduzieren oft ihre Arbeitszeit. Ihre tatsächliche Arbeitszeit entspricht dann oft der gewünschten. Dass die Gesamtarbeitszeit von Paaren mit Kindern geringer ist als von jenen ohne Kinder, lässt sich fast vollständig durch die kürzere Arbeitszeit der Frauen erklären. Bei Männern bleiben sowohl die gewünschte als auch die tatsächliche Arbeitszeit über viele Lebenssituationen hinweg konstant. Ein großer Unterschied zwischen Wunsch- und Ist-Arbeitszeit besteht bei der Gruppe der Alleinerziehenden. Hier stehen sich oft finanzielle Schwierigkeiten und die Unzufriedenheit mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegenüber.

Arbeitszeit in besonderen Erwerbsformen

Acht Prozent der Befragten arbeiten als Selbstständige. Diese teilen sich jeweils zur Hälfte auf in Solo-Selbstständige ohne Beschäftigte und Selbstständige mit Beschäftigten. Letztere haben meistens überlange Arbeitszeiten. Die Gruppe der Solo-Selbstständigen besteht zu etwa gleichen Teilen aus Teilzeitbeschäftigten, Vollzeitbeschäftigten und einer Gruppe mit überlangen Arbeitszeiten. Selbstständige arbeiten seltener als abhängig Beschäftige außerhalb der täglichen Zeit zwischen 7 und 19 Uhr. Wochenendarbeit ist unter den Selbstständigen jedoch weiter verbreitet.

Ebenso sind sie häufiger von Änderungen der Arbeitszeit, von Rufbereitschaft und Arbeit auf Abruf betroffen. Zugleich können Selbstständige ihre Arbeitszeit aber eher gestalten. Insgesamt bewerten sie ihre Gesundheit besser als abhängig Beschäftigte und nennen seltener gesundheitliche Beschwerden.

Sieben Prozent der Erwerbstätigen gehen mehr als nur einer Beschäftigung nach. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Frauen. Etwa die Hälfte aller Mehrfachbeschäftigten ist sowohl in der Haupt- als auch in der Nebentätigkeit abhängig beschäftigt. Mehrfachbeschäftigte haben häufiger überlange Arbeitszeiten als Beschäftigte ohne zweite Tätigkeit. Darüber hinaus arbeiten Mehrfachbeschäftigte häufiger am Wochenende.

Fazit

Die Daten des Arbeitszeitreports Deutschland 2016 zeigen, dass die Gestaltung der Arbeitszeit eine Rolle für die Gesundheit der Beschäftigten spielt. Gleichzeitig werden flexible Arbeitszeitformen immer bedeutsamer. Diese so zu gestalten, dass den Beschäftigten ausreichende Erholung und eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben ermöglicht wird, ist eine Aufgabe, der sich die Arbeitswelt stellen muss.

Die Autorin
Dipl.-Psych. Dr. Anne M. Wöhrmann ist wissenschaftliche Mit­arbeiterin bei der Bundes­anstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Dortmund. Dort leitet sie das BAuA ­Projekt Arbeitszeitbe­richterstattung für Deutsch­land. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf der Gestaltung von Arbeitszeit und Work-­Life-­Balance.

Anmerkungen und Literatur
[1] BAuA (2016). Arbeitszeitreport Deutschland 2016. Dort­mund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedi­zin.
[2] Häring, A., Schütz, H., Gilberg, R., Kleudgen, M., Wöhrmann, A. M., & Brenscheidt, F. (2016). Methodenbericht und Fra­gebogen zur BAuA
­Arbeitszeitbefragung 2015. Dortmund:Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Dieser Beitrag erschien zuvor als folgende Publikation:

Wöhrmann, A. M. (2017). Arbeitszeitreport Deutschland 2016: Ergebnisse im Überblick. baua: Bericht kompakt. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Verfügbar unter: https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Bericht­kompakt/F2398­2.html.


(ESV/Anne M. Wöhrmann)

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