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Bundsarbeitsgericht schränkt kirchliche Selbstbestimmug im Arbeitsrecht ein (Foto: web-done.de und AllebaziB/Fotolia.com)
Kirchenarbeitsrecht

BAG: Forderung nach Konfessionszugehörigkeit kann Diskriminierung sein

ESV-Redaktion Recht
30.10.2018
Müssen kirchliche Arbeitgeber auch Arbeitnehmer ohne Konfession einstellen oder widerspricht dies dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen? Nach langem Instanzenzug hatte der EuGH den Ball an das BAG zurückgespielt. Läutet dessen aktuelle Entscheidung einen Paradigmenwechsel im Kirchenarbeitsrecht ein?
Das kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland sieht eine weitgehende Selbstverwaltung vor. Daraus resultiert auch ein weites Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Doch darf dies auch zu Diskriminierungen führen? Im Streitfall hatte sich die Klägerin auf eine Referentenstelle beworben, die das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung ausgeschrieben hatte. Die Stelle betraf ein Projekt für die Erstellung des Parallelberichts zum Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung von rassistischer Diskriminierung.

Vom Aufgabengebiet war auch die Vertretung der Diakonie Deutschland gegenüber Politik und Öffentlichkeit sowie die Koordinierung des internen Meinungsbildungsprozesses umfasst. Bewerber mussten der Stellenausschreibung zufolge Mitglied einer evangelischen Kirche oder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland sein. Auch die Klägerin hatte sich beworben, sie wurde jedoch nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Klägerin: Diskriminierung aus religiösen Gründen  

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie aus Gründen der Religion abgelehnt wurde und verlangte Schadenersatz in Höhe von mindestens 9.788,65 Euro nach § 15 Absatz 2 AGG.

Vorinstanzen uneins

Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin verurteilte den beklagten Kirchenträger zu einer Zahlung von 1.957,73 Euro. Demgegenüber hob die Berufungsinstanz – das Landesarbeitsgericht (LArbG) Berlin – das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab.

BAG spielt Ball zum EuGH

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) legte die Angelegenheit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Die Kernfragen:  
  • Verstößt das kirchliche Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gegen Art. 4 Absatz 2 der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie (Richtlinie 2000/78/EG) und wenn ja, welche Ausnahmen gibt es?
  • Inwieweit sind berufliche Anforderungen, bei denen sich religiöse Organisationen auf das Privileg ihrer kirchlichen Selbstbestimmung berufen, gerichtlich überprüfbar?
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EuGH: Verlangen von Konfessionszugehörigkeit gerichtlich überprüfbar 

Die Richter aus Luxemburg haben hierzu im Wesentlichen entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber von Bewerbern nicht für jede Stelle eine Religionszugehörigkeit fordern dürfen. Ein generelles Verbot sah der EuGH insoweit also nicht. Hier die wesentlichen Überlegungen:
  • Zur Bedingung gemacht werden darf eine Religionszugehörigkeit nur, wenn dies für die entsprechende Tätigkeit „objektiv geboten“ ist.  
  • Verlangen die Arbeitgeber eine Konfessionszugehörigkeit, muss deren Erfordernis gerichtlich kontrolliert werden können.  

BAG: Konfessionszugehörigkeit nicht gerechtfertigt

Aus der Luxemburger Entscheidung folgt zunächst, dass die Erfurter Richter § 9 Absatz 1 Alternative 1 AGG nicht anwenden durften. Dennoch hatte der Achte Senat des BAG die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung nach § 9 Absatz 1 Alt. 2 AGG zu prüfen. Danach liegen im Wesentlichen aus folgenden Gründen keine Rechtfertigungsgründe im Sinne der genannten Norm vor:  
  • Unterschiedliche Behandlungen wegen der Religion sind – in unionsrechtskonformer Auslegung – nur zulässig, wenn die Religion eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung ist.
  • Konfessionszughörigkeit muss geboten sein: Dieses bestimmt sich danach, ob eine Konfessionszugehörigkeit angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft im Hinblick auf die Tätigkeit und die Umstände ihrer Ausübung notwendig ist. Mit anderen Worten: Die Konfessionszughörigkeit muss für die Tätigkeit absolut und objektiv geboten sein. 
  • Keine Gefahr für Ethos der Kirche: Hieran hatte das BAG erhebliche Zweifel. Jedenfalls sahen die höchsten deutschen Arbeitsrichter im konkreten Fall keine wahrscheinliche und erhebliche Gefahr, die das Ethos des Beklagten beeinträchtigen würde. Dies folgerte der Senat im Wesentlichen daraus, dass der jeweilige Stelleninhaber in einen „internen Meinungsbildungsprozess beim Beklagten eingebunden war und deshalb in Fragen, die das Ethos des Beklagten betrafen, nicht unabhängig handeln konnte“.
Die Höhe der Entschädigung setzte der Senat auf 3.915,46 Euro fest. Dies entspricht zwei Bruttomonatsverdiensten.

Quelle: PM des BAG vom 25.10.2018 zum Urteil vom selben Tag – 8 AZR 501/14
 

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Autoren: Dr. Friedrich H. Heither und Dr. Martin Heither – Begründet von: Prof. Dr. jur. Fritz Auffarth und Dr. jur. Rudolf Schönherr

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(ESV/bp)

Programmbereich: Arbeitsrecht