BAG: In Privatwohnung unterschriebener Aufhebungsvertrag kein Haustürwiderrufsgeschäft
Die Klägerin hat die Aufhebungsvereinbarung wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten. Hilfsweise hat sie diese widerrufen. Mit ihrer Klage wollte sie feststellen lassen, dass der Arbeitsvertrag durch die Aufhebungsvereinbarung nicht beendet wurde.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat die Klage abgewiesen. Das LAG konnte dem Vortrag der Klägerin keinen Anfechtungsgrund entnehmen. Auch ein Widerruf des Aufhebungsvertrags war dem Gericht zufolge rechtlich nicht möglich. Daraufhin zog die Klägerin vor das BAG.
Der kostenlose Newsletter Recht - Hier geht es zur Anmeldung! |
Redaktionellen Nachrichten zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps. |
BAG: Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht ausgeschlossen
Der Sechste Senat des BAG hat das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und die Angelegenheit an das LAG zurückverwiesen. Die wesentlichen Überlegungen des Sechsten Senats:- Zwar kein Anfechtungsgrund: Der Senat teilte die Auffassung des LAG Niedersachsen, dass die Klägerin keinen Anfechtungsgrund hat.
- Auch kein Widerrufsrecht: Auch ein Widerrufsrecht sahen die Erfurter Richter nicht. Zwar habe der Gesetzgeber dem Verbraucher in § 312 Absatz 1 in Verbindung mit § 312g BGB bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind, nach § 355 BGB ein Widerrufsrecht eingeräumt. Das Gesetzgebungsverfahren, habe jedoch deutlich gemacht, dass der Gesetzgeber arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht vom Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB erfasst werden sollten.
Dem Sechsten Senat des BAG zufolge hat das LAG aber nicht geprüft, ob die Beklagte vor Abschluss des Aufhebungsvertrags das Gebot fairen Verhandelns beachtet hat. Dieses sieht der Senat als arbeitsvertragliche Nebenpflicht an. Die weiteren Überlegungen des BAG:
- Kein psychischer Druck: Verletzt werde das Gebot fairen Verhandelns, wenn eine Seite einen psychischen Druck aufbaut, der die freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss des Aufhebungsvertrags erheblich erschwert.
- Ausnutzen krankheitsbedingter Schwäche? Dies kann nach Auffassung des Gerichts vor allem dann der Fall sein, wenn die Arbeitgeberin bewusst eine krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin ausgenutzt hätte.
- Schadenersatz als etwaige Rechtsfolge: In diesem Fall hätte die Beklagte Schadensersatz zu leisten. Dabei müsste sie im Wege der Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB den Zustand herstellen, der ohne Pflichtverletzung bestehen würde.
- Fortbestand des Arbeitsverhältnisses möglich: Dann wäre die Klägerin so zu stellen, als hätte sie den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen. Dies würde zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führen.
Quelle: PM des BAG vom 07.02.2019 zum Urteil vom selben Tag – 6 AZR 75/18
Kündigung im ArbeitsrechtSouverän in allen Kündigungsphasen. Wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer im gesamten Kündigungsprozess versiert und rechtssicher vorgehen, stellt Ihnen dieser Leitfaden komprimiert zusammen – mit vielen nützlichen Praxistipps, Antrags- und Schriftsatzmustern, zum Besispiel:
Der Autor, Dr. Michael Meyer, ist seit fast seit 22 Jahren Fachanwalt für Arbeitsrecht und ständiger Referent bei der Fortbildungs GmbH der Hessischen Rechtsanwaltskammer. |
(ESV/bp)
Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht