BAG zum Zugang einer Kündigung durch Einwurf in Briefkasten
Gegen seine Entlassung wendete sich der Betroffene mit einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Diese ging am 20.2.2017 bei Gericht ein. Hierzu trug der Kläger in etwa folgendes vor:
- Allgemeine Postzustellung schon vormittags: Die Postzustellung am Wohnort des Klägers wäre am Tag des Briefeinwurfs etwa gegen 11:00 Uhr am Vormittag beendet gewesen.
- Leerung erst am 30.1.2017: Dementsprechend habe er seinem Briefkasten an diesem Tag nicht mehr geleert. Vielmehr hätte er die Kündigung erst am Montag, den 30.1.2017 in seinem Briefkasten gefunden.
- Fristgerechte Klage: Damit habe er seine Klage fristgerecht eingereicht.
Fristberechnung |
Nach § 4 KSchG muss die Kündigungsschutzklage Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Gericht eingehen. Je nach Zugang ergeben sich für den Streitfall die folgenden Konsequenzen:
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LAG Baden-Württemberg: Leerung des Briefkasten im Durchschnitt erst um 17:00
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Vor allem nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (LAG) hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht. Damit bleibt die Kündigung dem LAG zufolge wirksam. Dies begründete das LAG im Wesentlichen wie folgt:Nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs hätte der beklagte Arbeitgeber damit rechnen dürfen, dass der Kläger das Kündigungsschreiben am 27.1.2017 bis 17:00 Uhr zur Kenntnis nimmt. Hierbei hatte sich das LAG an dem Normalbürger orientiert, der in Vollzeit beschäftigt ist und erst nach Arbeitsende seine Post durchsieht.
Den Zeitpunkt der Beendigung der allgemeinen örtlichen Postzustellung hielt die Berufungsinstanz für unerheblich.
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BAG: Annahme der Briefkastenleerung bis 17:00 Uhr ist willkürlich
Dem folgte das BAG nicht. Es stützte sein Ergebnis im Wesentlichen auf folgende Überlegungen:- Maßstab nicht nur Vollzeitarbeitnehmer: Dem Gericht zufolge geht die überwiegende Bevölkerung gar keiner Vollzeittätigkeit nach. Nicht einmal die Hälfte wäre überhaupt erwerbstätig und von den Erwerbstätigen seien etwa 6,8 Millionen geringfügig beschäftigt oder würden in Teilzeit arbeiten. Etwa 5 Prozent seien sogar Nachtarbeiter, so das BAG weiter. Zudem würden viele Berufstätige mit anderen Personen zusammenleben, die auch tagsüber den Briefkasten leeren können. Somit habe das Berufungsgericht seinen Ansatz, den Vollzeitarbeitnehmer als Maßstab für die allgemeine Verkehrsauffassung heranzuziehen, nicht ausreichend begründet.
- Gepflogenheiten am Zustellungsort: Darüber hinaus habe das Berufungsgericht nur auf die Situation in Deutschland abgestellt. Es komme aber in Bezug auf die Postzustellung auf die Gepflogenheiten am Zustellungsort in Frankreich an.
Was die Berufungsinstanz nun prüfen muss
Nach dem Urteil des BAG muss die Berufungsinstanz nun Tatsachenfeststellungen zu einer Verkehrsanschauung treffen, die den Zeitpunkt der Leerung von Briefkästen betrifft.- Maßgeblich hierfür ist das Gebiet der Französischen Republik, Département Bas-Rhin oder der Wohnort des Klägers.
- Hierbei ist zu ermitteln, ob am Tag des Einwurfs – das heißt nach 13.25 Uhr – noch eine Leerung zu erwarten gewesen wäre.
- Dem Richterspruch aus Erfurt zufolge ist dafür allerdings ein substantiierter Tatsachenvortrags des beklagten Arbeitgebers notwendig. Dieser habe die Beweislast dafür, dass das Kündigungsschreibens noch am 27.1.2017 zugegangen ist, so das BAG weiter.
- Sollte das Berufungsgericht meinen, dass es insoweit über eigene Sachkunde verfügt, muss es dies begründen.
- Ohne eigene Sachkunde muss es auch etwaigen Beweisantritten der Beklagten nachgehen.
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(ESV/bp)
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