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Bundesarbeitsgericht: Hochschulabschluss mit der Note „gut“ kann bei Stellenausschreibung von öffentlichem Arbeitgeber auch bei behinderten Bewerbern ein Ausschlusskriterium sein (Foto: Oliver Hlavaty/Fotolia.com)
Arbeits-und Sozialrecht

BAG zur offensichtlich fehlenden Eignung bei schwerbehinderten Bewerbern

ESV-Redaktion Recht
14.05.2021
Erhält ein öffentlicher Arbeitgeber die Bewerbung einer schwerbehinderten Person, muss er diese grundsätzlich zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Zu Ausnahmen hiervon und zu Fragen, die auch das Auswahlverfahren betreffen, hat sich kürzlich das BAG geäußert.
In dem Streitfall schrieb die Beklagte im Sommer 2018 mehrere Referentenstellen für eine Beschäftigung im Bundesamt für Verfassungsschutz aus. Laut Stellenausschreibung mussten Bewerber ein wissenschaftliches Hochschulstudium der Politik-, Geschichts- oder Verwaltungswissenschaften mit mindestens der Note „gut“ abgeschlossen haben. Der Kläger hatte sein Studium der Fächer Politikwissenschaften, Philosophie und Deutsche Philologie mit der Note „befriedigend“ absolviert. Er bewarb sich innerhalb der Bewerbungsfrist und wies dabei auf seine Schwerbehinderung hin.
 
Mit E-Mail der Beklagten vom 17.7.2018 erhielt der Bwerber die Mitteilung, dass er nicht in die engere Auswahl einbezogen worden sei. Daraufhin machte er eine außergerichtliche Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG gegen den öffentlichen Arbeitgeber geltend. Hierzu teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er die formalen Kriterien der Stellenausschreibung nicht erfüllen würde, weil er sein Studium mit „befriedigend“ abgeschlossen hatte. Nach § 165 Satz 4 SGB IX musste er deshalb nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, so die Beklagte.

Im Wortlaut: § 165 Sätze 3 und 4 SGB IX (Auszug)
[...] 3 Haben schwerbehinderte Menschen sich  [… ] beworben oder sind sie [...],  werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. 4 Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

§ 15 Absatz 2 AGG – Entschädigung und Schadensersatz

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.


Kläger: Abschlussnote eines Studiums ist kein Ausschlusskriterium

Im Anschluss daran machte der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung mit einer Klage geltend. Nach seiner Ansicht hatte die Beklagte ihn aufgrund seiner Schwerbehinderung benachteiligt, weil sie ihn entgegen § 165 Satz 3 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte. Ebenso sei er fachlich für die Stelle geeignet gewesen, denn die Ausnahme von der Einladungspflicht nach § 165 Satz 4 SGB IX sei gegenüber schwerbehinderten Stellenbewerbern eng auszulegen.

Daher hält es der Kläger für rechtswidrig, die Abschlussnote eines Studiums als Ausschlusskriterium anzusehen. Dies habe die Beklagte während des gesamten Auswahlverfahrens nicht beachtet. Weil die Klage in den Vorinstanzen – unter anderem auch vor LArbG Berlin-Brandenburg – keinen Erfolg hatte, zog der Kläger mit einer Revision vor das BAG.

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Etappensieg für den Kläger vor dem BAG 

Der Achte Senat des BAG hob die Entscheidung der Vorinstanz auf. Letzlich ist dies aber nur ein Etappensieg für den Kläger, denn der Senat wies die Sache an die Vorinstanz zurück, die nun neu entscheiden muss. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:

  • Mindestnote ist rechtmäßiges Auswahlkriterium: Zwar durfte die Beklagte für den in der Stellenausschreibung verlangten Hochschulabschluss die Mindestnote „gut“ als zwingendes Auswahlkriterium bestimmen.
  • Fehlende fachliche Eignung: Sie durfte auch annehmen, dass dem Kläger aufgrund seiner Note offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebenen Stellen fehlte.
  • Aber – keine Prüfung, ob andere unqualifizierte Bewerber nicht doch zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurden: Allerdings hatte das LArbG nicht geprüft, ob die Beklagte nicht doch Mitbewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen hatte, die ihr Hochschulstudium ebenfalls schlechter als mit „gut“ absolviert hatten.
Da der Senat mangels entsprechender Feststellungen durch die Berufungsinstanz über die obige Frage nicht entscheiden konnte, hat er die angefochtene Entscheidung aufgehoben und an das LArbG zurückverwiesen. Die Vorinstanz muss nun ermitteln, ob die Beklagte im Rahmen des Bewerbungsverfahrens auch keine anderen Bewerber berücksichtigt hat, die ihr Studium mit schlechter als „gut“ absolviert haben.
 
Quelle: PM des BAG vom 29.04.2021zur Entscheidung vom selben Tag – 8 AZR 279/20


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(ESV/bp)

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung