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Balanceakt Compliance

09.05.2017
Recht und Gesetz sind nicht genug – Ein interdisziplinärer Leitfaden für Entscheider. Von Kahtrin Niewiarra / Dorette Segschneider. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt 2016, 245 Seiten, 24,90 Euro. ISBN 978-3-95601-154-2.
Recht und Gesetz sind nicht genug – Ein interdisziplinärer Leitfaden für Entscheider. Von Kahtrin Niewiarra / Dorette Segschneider. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt 2016, 245 Seiten, 24,90 Euro. ISBN 978-3-95601-154-2.

Am Beginn des Buches steht eine Präambel: In dieser wird auf den „aktuellen“ Compliance-Skandal verwiesen. Welcher das ist, so steht es in der Präambel, hängt vom Zeitpunkt ab, zu dem das Buch gelesen wird. Allerdings sind sich die Autoren sicher, dass es zu diesem Zeitpunkt einen aktuellen Skandal geben wird.

Der Titel des Buches beinhaltet den Ausdruck Balanceakt. Damit wollen die Autorinnen – Niewiarra ist Juristin mit langjähriger Erfahrung im Compliance-Bereich eines Großkonzerns, und Segschneider ist Betriebswirtin mit langjähriger Coaching-Erfahrung – das Spannungsfeld zwischen juristischer Regelbefolgung (was zu Sicherheit führt) und unternehmerischer Risikoübernahme (was zum Erfolg notwendig ist) beleuchten. Segschneider beginnt ihren ersten Beitrag im Buch auch mit einer provozierenden These: „Ein erfolgreiches Wirtschaftssystem braucht den Menschen vor allem auch als risikoaffinen Querdenker.“ Die Grenzen des risikoaffinen Querdenkers sind allerdings wichtig. Das Beispiel des ehemaligen Bertelsmann und Arcandor Vorstandsvorsitzenden Thomas Middelhoff wird herangezogen, um diese Grenze aufzuzeigen. Hier ist die Hochseilartistik des Compliance-Managers gefragt. Auch eine Geschichte aus dem täglichen Erleben eines Geschäftsreisenden überzeugt: Erzählt wird die Geschichte eines Reisenden, der ohne Fahrkarte in einen Zug steigt, nicht in der Absicht schwarz zu fahren, sondern aufgrund der fehlenden Zeit zum Fahrkartenkauf. Dieser löst komplett freiwillig, nachdem er – ohne kontrolliert zu werden – angekommen ist, eine Karte für den Zug. Jeder Leser fragt sich, wie man wohl selbst gehandelt hätte.

Compliance verstehen die Autorinnen als Business Case. Der Tone from the Top wird als wichtiges Element eines Compliance-Management-Systems bezeichnet. Eine amerikanische Studie, die zitiert wird, gibt die Kosten pro Kopf für Compliance mit 222 US-Dollar an während Non-Compliance 820 US-Dollar pro Mitarbeiter kostet. Andere Befragungen haben zum Ergebnis, dass Unternehmen, die in Compliance investieren wahrscheinlicher Umsatzsteigerungen generieren als solche, die dies unterlassen.

Leitlinie des Buches ist die Unterscheidung zwischen Compliance (Legal Compliance) und Integrity (Moral Compliance). Die Konformität mit Werten soll Richtschnur des Handelns sein. Regelkonformität greift zu kurz. In dem Interview mit den beiden Wirtschafts- und Unternehmensethikern Brink und Fries wird auch darauf eingegangen, dass ethisches Verhalten für das Einzelunternehmen nachteilig sein kann. Hier empfehlen die beiden Gesprächspartner eine „Collective action“, wie sie beispielsweise das Textilbündnis von Bundesentwicklungshilfeminister Müller darstellt. Gründe für abweichendes Verhalten werden auf Basis neuester sozialpsychologischer Forschung dargestellt. So wird die Entscheidungsmüdigkeit als ein Grund für Entscheidungen, die nicht compliant sind, dargestellt. Beispielhaft wird der Fall des ehemaligen Gouverneurs von New York erwähnt. Eliot Spitzer hatte sich als Kämpfer gegen Prostitution einen Namen gemacht. Sein Amt aufgeben musste er dann aber aufgrund einer Affäre mit einem Callgirl. Das Moralkonto schien diese Sünde zu erlauben.

Das Buch ist gut lesbar, auch da wo juristisch komplexe Sachverhalte dargestellt werden. Die persönliche Ansprache der Leserinnen und Leser macht das Lesen einfach. Dies gilt auch für die aufgelockerte Struktur des Buches. Abwechselnd gestaltete Abschnitte – von zwei unterschiedlichen Autorinnen – führen zu einem guten Lesefluss.

Prof. Dr. Stefan Behringer, NORDAKADEMIE, Hochschule der Wirtschaft, Elmshorn

Quelle: ZRFC Risk, Fraud & Compliance Heft 2/2017

Programmbereich: Management und Wirtschaft