Beendigung der Anlaufhemmung bei Abgabe der Einkommensteuererklärung beim unzuständigen Finanzamt
Staatlicher Besteuerungsanspruch soll gesichert werden
Im zugrundeliegenden Sachverhalt war der Kläger als Insolvenzverwalter über einen Nachlass tätig und zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet. Allerdings hatte er die (teilweise unvollständige und möglicherweise unrichtige) Steuererklärung bei einem örtlich unzuständigen Finanzamt eingereicht. Zwar bestimmt § 25 EStG nicht ausdrücklich, dass die Einkommensteuererklärung bei der zuständigen Behörde eingereicht werden muss, allerdings wird die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO grundsätzlich nur durch die Abgabe der wirksamen Steuererklärung beim zuständigen Finanzamt beendet. Auf diese Art und Weise soll erreicht werden, dass der staatliche Besteuerungsanspruch durch die Gewährleistung ausreichender Bearbeitungszeit für die Finanzbehörden als zu sichernder Zweck erfüllt wird. Es soll also verhindert werden, dass die Festsetzungsfrist bereits beginnt, bevor die Behörde von der Entstehung und Höhe des Steueranspruchs erfahren hat.Fürsorgepflicht der Finanzbehörde
FG wie auch BFH geben jedoch zu, dass es besondere Umstände rechtfertigen können, die Abgabe der Steuererklärung bei der unzuständigen Behörde ausreichen zu lassen, um die Anlaufhemmung zu beenden. Zwar hat die Finanzbehörde keine allgemeine Beratungspflicht, gleichwohl unterliegt sie einer Fürsorgepflicht gegenüber dem Steuerpflichtigen, die es gebieten kann, Ausnahmen von dem Grundsatz zuzulassen. So muss die Finanzbehörde tätig werden, wenn offensichtlich ist, dass dem Steuerpflichtgen ein Fehler unterlaufen ist. Sofern die Behörde die eigene Unzuständigkeit erkennt, darf sie die Steuerklärung nicht ohne Weiteres einfach zu den Akten nehmen, sondern muss diese ohne schuldhaftes Zögern an die zuständige Behörde weiterleiten oder zumindest den Steuerpflichtigen informieren.Wird hiergegen verstoßen, ist der Steuerpflichtige so zu stellen, als wäre der Verstoß nicht passiert.
Quelle: Urteil des BFH vom 14. Dezember 2021, VIII R 31/19
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