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Das BAG hat zur Frage der Doppelfunktion als Betriebsrat und Datenschutzbeauftragter den EuGH angerufen (Foto: web-done.de und AllebaziB/Fotolia.com)
Personalunion von Betriebsrat und Datenschutzbeauftragtem

Betriebsrat und Datenschutzbeauftragter in Doppelfunktion? BAG ruft EuGH an

ESV-Redaktion Recht
29.04.2021
Kann ein Betriebsrat gleichzeitig Datenschutzbeauftragter desselben Unternehmens sein? Ein Unternehmen sah in dieser Doppelfunktion einen „wichtigen Grund“, um seinen Betriebsrat von seiner Funktion als Datenschutzbeauftragten zu entbinden. Mittlerweile ist die Sache vor dem EuGH gelandet.
In dem Streitfall hatte ein Betriebsratsvorsitzender, der gleichzeitig Datenschutzbeauftragter war, gegen seine Abbrufung als Datenschützer geklagt. Sein Arbeitgeber hatte ihn ursprünglich zum 1.6.2015 zu seinem betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellt. Darüber hinaus wurde der Kläger noch Datenschutzbeauftragter von drei weiteren Konzernunternehmen seines Arbeitgebers.
 

Beklagte: Funktion als Betriebsrat ist „wichtiger Grund“ für Abberufung als Datenschutzbeauftragter

Mit Schreiben vom 1.12.2017 und mit weiterem Schreiben vom 25.05.2018 berief das beklagte Unternehmen den Kläger als Datenschutzbeauftragten ab. Die Begründung: Die Doppelfunktion als Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender führt zu Interessenkonflikten und damit zu einem wichtigen Grund für die Abberufung des Klägers. Hintergrund ist, dass der Thüringer Landesdatenschutzbeauftragte, Dr. Lutz Hasse, die hauptberufliche Tätigkeit eines Betriebsrates und dessen gleichzeitige Funktion als Datenschützer wegen möglicher Inkompatiblitäten beanstandet hatte.

Kläger: Rechtstellung als Datenschutzbeauftragter bleibt unberührt

Demgegenüber meint der Kläger, dass seine Rechtsstellung als Datenschutzbeauftragter unverändert fortbesteht. In den Vorinstanzen hatte seine Klage Erfolg. Nun musste das BAG hierüber entscheiden.

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BAG sieht Klärungsbedarf

Der Neunte Senat des BAG meint zwar, dass – entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung – kein wichtiger Grund für eine Abberufung des Klägers vorliegt. Dennoch hat er ein Vorabentscheidungsersuchen mit folgenden Fragen an den EuGH gerichtet:
 
Deutsche Regeln für Abberufung des Datenschutzbeauftragten mit EU-Recht vereinbar?

Der Senat hat zunächst Zweifel bei der Frage, ob die nationalen Anforderungen des BDSG an die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten mit der DSGVO vereinbar sind. So muss dem Senat zufolge nach nationalem Datenschutzrecht für die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten ein wichtiger Grund vorliegen. Dies ergibt sich aus § 38 Absatz 2 BDSG, der über § 6 Absatz 4 Satz 1 BDSG auf § 626 Absatz 1 BGB verweist, so der Senat weiter.

Für die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten sieht das deutsche Recht damit strengere Voraussetzungen als das Unionsrecht vor. Nach Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 DSGVO ist die Abberufung nämlich nur ausgeschlossen, wenn sie „wegen der Erfüllung seiner Aufgaben“ erfolgt. Einen wichtigen Grund zur Abberufung verlangt das EU-Recht nicht. Deshalb hat der Senat dem EuGH zunächst die Frage vorgelegt, ob neben Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 DSGVO auch nationale Regelungen anzuwenden sind, die die Möglichkeit der Abberufung eines Datenschutzbeauftragten gegenüber den unionsrechtlichen Regelungen einschränken.
 
Interessenkonflikte bei Doppelfunktion?

Sollte der EuGH die Anforderungen des BDSG an eine Abberufung aber für vereinbar mit EU-Recht halten, ist – nach Ansicht des Senats – auch zu klären, ob ein Interessenkonflikt im Sinne von Artikel 38 Absatz 6 Satz 2 DSGVO vorliegt.

Die Richter aus Kassel haben den EuGH mit einem weiterem Beschluss vom selben Tag mit zum Teil gleichgelagerten Fragen angerufen.

Quelle: PM des BAG vom 27.4.2021 zum Beschluss vom selben Tag – 9 AZR 383/19 (A); 9 AZR 621/19 (A)

Relevante Vorschriften im Wortlaut

Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 DSGVO


[..] 2 Der Datenschutzbeauftragte darf von dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden. [.. ]

Artikel 38 Absatz 6 DSGVO

1 Der Datenschutzbeauftragte kann andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen. Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter stellt sicher, dass derartige Aufgaben und Pflichten nicht zu einem Interessenkonflikt führen.

§ 6 Absatz 4 Satz 1 BDSG

(4) 1 Die Abberufung der oder des Datenschutzbeauftragten ist nur in entsprechender Anwendung des § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zulässig. [..]

§ 626 BGB – Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.


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(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht