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Unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch das Finanzamt (Foto: New Africa / stock.adobe.com)
Neues aus der Rechtsprechung des BFH

BFH zu unangekündigter Wohnungsbesichtigung durch das Finanzamt

ESV-Redaktion Steuern
06.10.2022
Der BFH befasst sich in seinem Urteil vom 12. Juli 2022 damit, wann bei Unklarheiten betreffend ein häusliches Arbeitszimmer eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung stattfinden darf.

Wohnungsskizze als Nachweis für häusliches Arbeitszimmer

Die Steuerpflichtige war angestellte Geschäftsführerin eines Restaurants und daneben selbständige Unternehmensberaterin.

Für die selbständige Tätigkeit machte in ihrer Einkommensteuererklärung erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Auf Nachfrage des Finanzamts reichte sie eine Skizze der Wohnung ein, die der Sachbearbeiter des FA aber für klärungsbedürftig hielt, da hier anstelle des Schlafraums nun das Arbeitszimmer eingetragen war, jedoch kein weiterer Schlafraum vorhanden zu sein schien. Daher wurde ein sog. Flankenschutzprüfer um Besichtigung der Wohnung gebeten.

Dieser erschien unangekündigt an der Wohnungstür der Privatwohnung der Steuerpflichtigen, wies sich auch als Steuerfahnder aus und betrat unter Hinweis auf die Überprüfung im Besteuerungsverfahren die Wohnung. Die Steuerpflichtige hat dem Betreten der Wohnung und der Besichtigung nicht widersprochen. Sie erläuterte weiterhin, sie werde demnächst in die gegenüberliegende Wohnung ziehen, so dass sich eine neue Raumaufteilung ergeben werde.

Gegen die Besichtigung legte die Steuerpflichtige Einspruch ein, der mangels Feststellungsinteresse bereits als unzulässig verworfen wurde. Auch die Feststellungsklage vor dem FG wurde als unzulässig abgewiesen.


Wohnungsbesichtigung bei unklarer Sachlage

Der BFH urteilte im Revisionsverfahren, dass die Besichtigung rechtswidrig war. Das FG hatte die Klage zu Unrecht mangels Feststellungsinteresse als unzulässig abgewiesen.

Ein Feststellungsinteresse bestand nach Ansicht des BFH jedenfalls deshalb, da eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich des Vorgehens des Finanzamts gegeben war. Der BFH verneint ein Rehabilitationsinteresse und ein Feststellungsinteresse aufgrund eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs.

Das Gericht stelltw fest, dass zur Überprüfung der Angaben hinsichtlich des häuslichen Arbeitszimmers im Besteuerungsverfahren angesichts des grundrechtlich (Art. 13 Abs. 1 GG) verbürgten Schutzes der Unverletzlichkeit der Wohnung eine Besichtigung in der Wohnung einer wie hier mitwirkungsbereiten Steuerpflichtigen erst dann erforderlich ist, wenn die Unklarheiten durch weitere Auskünfte oder andere Beweismittel (z.B. Fotografien) nicht mehr sachgerecht ermittelt werden können. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige wie hier einer Besichtigung zugestimmt hat und deshalb kein schwerer Grundrechtseingriff vorliegt.

Die Ermittlungsmaßnahme war auch deshalb rechtswidrig, weil sie von einem Steuerfahnder und nicht von einem Mitarbeiter der Veranlagungsstelle durchgeführt wurde. Denn das persönliche Ansehen des Steuerpflichtigen kann dadurch gefährdet werden, dass zufällig anwesende Dritte (z.B. Besucher oder Nachbarn) glauben, dass beim Steuerpflichtigen strafrechtlich ermittelt wird.

Der Bundesfinanzhof hat daher mit Urteil vom 12.07.2022 – VIII R 8/19 entschieden, dass eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen Beamten der Steuerfahndung als sog. Flankenschutzprüfer zur Überprüfung der Angaben der Steuerpflichtigen zu einem häuslichen Arbeitszimmer rechtswidrig ist, wenn die Steuerpflichtige bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt.

Quelle: PM des BFH vom 29. September 2022 – Nr. 040/22

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Programmbereich: Steuerrecht