Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

Steuerschuldner kann nicht zugleich Haftungsschuldner gemäß § 71 AO sein (Foto: benjaminnolte/stock.adobe.com)
Abgabenordnung

BFH zum Verhältnis von Haftung und Steuerschuldnerschaft

ESV-Redaktion Steuern
11.12.2020
Schließt die Eigenschaft als Steuerschuldner (hier für Tabaksteuer) die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner aus? Diese Frage hat der Bundesfinanzhof aktuell entschieden.
Der Schuldner einer Steuer kann nach dem kürzlich veröffentlichten Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23.06.2020 – VII R 56/18 nicht zugleich für diese gemäß § 71 AO haften. Mit dieser Entscheidung bestätigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung.

Der Kläger des Urteilsfalls  hatte von einem Zwischenhändler unverzollte und unversteuerte Zigaretten erworben und diese weiterverkauft oder selbst verbraucht. Deshalb gingen die Zollbehörden von einer strafbaren Steuerhehlerei aus und nahmen den Kläger nach § 71 AO als Haftungsschuldner in Anspruch. Nach § 71 AO haftet derjenige, der eine Steuerhinterziehung bzw. Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen beteiligt ist, für die entgangenen Steuern und Zinsen.

Das Finanzgericht bestätigte den Haftungsbescheid und entschied zugleich, dass der Kläger auch Schuldner der Tabaksteuer geworden sei. Werden Zigaretten aus einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland geschmuggelt, ist nach § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG auch derjenige Schuldner der entstandenen Tabaksteuer, der Besitz an den eingeschmuggelten Zigaretten erlangt. Trotz Annahme einer Steuerschuldnerschaft hielt das Finanzgericht eine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für zulässig. Nach dem Urteil des Finanzgerichts stehe die Steuerschuldnerschaft der Haftungsinanspruchnahme nicht entgegen. § 71 AO enthalte kein negatives Tatbestandsmerkmal, nach dem der in Haftung Genommene kein Steuerschuldner sein dürfe.

Im Haftungsrecht der AO schließen sich Haftung und Steuerschuldnerschaft gegenseitig aus

Dies sah der BFH anders. Er hielt die Revision des Klägers für begründet und hob die Entscheidung der Vorinstanz und den Haftungsbescheid auf. Das Finanzgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass eine Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner nach § 71 AO möglich sei, obwohl der Kläger nach den Feststellungen des Finanzgerichts Steuerschuldner gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG war.

Der BFH entschied, dass

  • im Haftungsrecht nach der AO der Grundsatz gelte, dass sich Steuerschuldnerschaft und Haftung gegenseitig ausschließen.
  • wer als Besitzer von in Deutschland unversteuerten Zigaretten zur Entrichtung der Tabaksteuer nach § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG verpflichtet sei, könne für diese Steuer nicht zugleich durch Haftungsbescheid nach § 71 AO in Anspruch genommen werden.

Aktuelle Meldungen
Hier bleiben Sie auf dem aktuellen Stand im Bereich Steuern. Sie können auch unseren kostenlosen Newsletter Steuern hier abonnieren.

Haften bedeutet für die Schuld eines Anderen einzustehen – keine Haftung für eigene Steuerschulden

Der BFH hielt mit dieser Entscheidung an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, nach der sich Steuerschuld und Haftungsschuld gegenseitig ausschließen. „Haften“ bedeute, dass jemand für die Schuld eines Anderen einstehen müsse. Demnach könne eine Person nicht für ihre eigene Abgabenschuld haften. Der Senat verkenne keineswegs die praktischen Probleme der zuständigen Behörden. Insbesondere lasse sich der genaue Transportweg der Zigaretten häufig nur unter erschwerten Bedingungen feststellen und auch die Beteiligten wüssten häufig nicht über alle Einzelheiten der Beschaffung Bescheid, so die Richter des BFH in ihrer Entscheidungsbegründung.

Kein Systemwechsel durch richterrechtliche Rechtsfortbildung geboten – Abhilfe ist Aufgabe des Gesetzgebers

Eine solche Problemlage gebiete jedoch keinen Systemwechsel in der Abgabenordnung durch richterrechtliche Rechtsfortbildung. Vielmehr wäre es Aufgabe des Gesetzgebers, hier Abhilfe zu schaffen, stellten die Richter abschließend fest.

Quelle: PM des BFH Nr. 057/20 vom 03.12.2020

Die Vermeidung der Haftung für Steuerschulden

 

Um nicht für fremde Steuerschulden haften zu müssen, ist ein sorgfältiger Blick auf typische Haftungsrisiken in verschiedenen steuerlich relevanten Lebenssituationen unverzichtbar.

Eine systematische Hilfestellung zur Haftungsvermeidung für mögliche Haftungsschuldner und ihre steuerlichen Berater bietet Ihnen die aktualisierte 2. Auflage dieses bewährten Praxisbuchs. Im Fokus u.a.:

  • Aktuelle Grundlagen zur Haftung, Duldung und verfahrensrechtlichen Fragen
  • Konfliktvermeidung durch zielgerichtetes Vorgehen im Rahmen der Gestaltungsberatung
  • Typische Haftungsszenarien in der Praxis – z.B. für den Geschäftsführer, Scheinsozius und Strohmann-Geschäftsführer, den Prokuristen oder Insolvenzverwalter
  • Haftungsvermeidung nach besonderen Steuergesetzen und Abwehr von Haftungsbescheiden

Viele prägnante Checklisten und Merksätze unterstützen Sie dabei, rechtliche und situative Risiken frühzeitig zu erkennen und passgenaue Abwehrmaßnahmen zu ergreifen.


(ESV/fl)

Programmbereich: Steuerrecht