BFH zum Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung des Hochschulstudiums für Zwecke des Kindergelds
Die Klägerin des Urteilsfalls ist die Mutter einer im Mai 1992 geborenen Tochter. Diese war ab März 2015 an einer Hochschule im Masterstudiengang „Management“ eingeschrieben. Nachdem die Hochschule der Tochter zunächst den erfolgreichen Abschluss mündlich mitgeteilt hatte, stellte sie den Abschluss und die Abschlussnoten Ende Oktober 2016 online. Die Zeugnisse holte die Tochter Ende November 2016 persönlich im Prüfungsamt ab. Im März 2017 bewarb sie sich für ein weiteres Bachelorstudium im Fach Politikwissenschaft, das sie im April 2017 aufnahm. Die Familienkasse gewährte wegen des Masterstudiums bis einschließlich Oktober 2016 Kindergeld und wegen des Bachelorstudiums ab April 2017. Für März 2017 wurde die Tochter nicht wegen einer Ausbildung, sondern nur wegen ihrer Bewerbung für einen Studienplatz kindergeldrechtlich berücksichtigt. Für den Zeitraum November 2016 bis Februar 2017 lehnte die Familienkasse und nachfolgend auch das Finanzgericht eine Kindergeldfestsetzung ab.
Noch kein Beginn der Berufsausbildung schon mit der Bewerbung ohne Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen
Der BFH hielt die dagegen gerichtete Revision der Klägerin für unbegründet und wies sie zurück. Das Finanzgericht habe im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Tochter im Streitzeitraum weder wegen einer bestehenden Berufsausbildung noch wegen einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten kindergeldrechtlich zu berücksichtigen ist.Der BFH entschied, dass
- eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Form eines Hochschulstudiums nicht schon mit der Bewerbung für dieses Studium beginnt, wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Ausbildungsmaßnahmen durchgeführt werden.
- die Beendigung eines Hochschulstudiums grundsätzlich voraussetzt, dass das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat und dass dem Kind sämtliche Prüfungsergebnisse bekannt gegeben worden sind.
- die Bekanntgabe regelmäßig erfordert, dass das Kind entweder eine schriftliche Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss und die erzielten Abschlussnoten erhalten hat oder jedenfalls objektiv in der Lage war, eine solche schriftliche Bestätigung über ein Online-Portal der Hochschule erstellen zu können. Entscheidend ist, welches Ereignis früher eingetreten ist.
- eine Übergangszeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nicht dadurch begründet werden kann, dass sich ein Kind um eine Ausbildung bemüht und später diese beginnt.
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Für den Zeitpunkt der Beendigung des Studiums erfolgreiches Erbringen der letzten nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderlichen Prüfungsleistung und Bekanntgabe sämtlicher Prüfungsergebnisse maßgebend
Nach der Entscheidung des BFH kommt es für die Frage, wann ein Hochschulstudium beendet ist, regelmäßig nicht auf den Zeitpunkt an, in welchem dem Kind die Prüfungsergebnisse mündlich mitgeteilt wurden. Denn dies ermöglicht dem Kind regelmäßig noch keine erfolgreiche Bewerbung für den angestrebten Beruf. Auch die häufig von entsprechenden Anträgen des Studierenden abhängige Aushändigung des Zeugnisses oder die Exmatrikulation eignen sich kaum, um das Ende eines Studiums festzulegen. Maßgebend ist vielmehr, dass das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat. Zudem muss das Kind eine schriftliche Bestätigung über sämtliche Prüfungsergebnisse entweder von der Hochschule zugesandt bekommen haben oder jedenfalls objektiv in der Lage gewesen sein, sich eine solche schriftliche Bestätigung über ein Online-Portal der Hochschule erstellen zu können. Entscheidend ist dann, welches Ereignis früher eingetreten ist. Im Streitfall war daher ausschlaggebend, dass die Hochschule die Abschlussnoten Ende Oktober 2016 online gestellt hatte.Bemühen um einen Ausbildungsplatz reicht für Begründung einer Übergangszeit nicht aus
Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten werden kindergeldrechtlich nur berücksichtigt, wenn sie maximal vier Kalendermonate umfassen. Im Streitfall ging der BFH aber von einer fünf Kalendermonate umfassenden Übergangszeit aus. Denn das Masterstudium endete bereits im Oktober 2016. Das Bachelorstudium begann dagegen noch nicht mit der im März 2017 erfolgten Bewerbung, sondern erst, als im April 2017 Ausbildungsmaßnahmen tatsächlich stattfanden.Quelle: PM des Bundesfinanzhofs Nr. 033/21 vom 23.09.2021
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(ESV/fl)
Programmbereich: Steuerrecht