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Keine Besteuerung von Scheinrenditen aus Schneeballsystemen bei vom Betrüger einbehaltener Kapitalertragsteuer (Foto: Eisenhans/stock.adobe.com)
Einkommensteuer

BFH zur Abgeltungswirkung einbehaltener Kapitalertragsteuer bei der Besteuerung von Scheinrenditen aus Schneeballsystemen

ESV-Redaktion Steuern
18.05.2021
Sind Kapitaleinkünfte aus einem betrügerischen Schneeballsystem beim Anleger bei der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde zu legen, wenn die Kapitalertragsteuer vom Betreiber des Schneeballsystems nicht an das Finanzamt angemeldet und abgeführt, sondern lediglich dem Anleger gegenüber in einer Abrechnung bescheinigt wurde? Hierüber hat aktuell der Bundesfinanzhof entschieden.
Mit nun veröffentlichtem Urteil vom 29.09.2020 – VIII R 17/17 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Abgeltungswirkung des § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG auch dann eintritt, wenn die Kapitalertragsteuer vom Schuldner der Kapitaleinkünfte zwar einbehalten, nicht aber beim Finanzamt angemeldet und an dieses abgeführt wurde. Dies hat zur Folge, dass Kapitaleinkünfte aus einem betrügerischen Schneeballsystem in diesem Fall grundsätzlich nicht mehr der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde zu legen sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH unterliegen auch Kapitaleinkünfte aus vorgetäuschten Gewinnen im Rahmen eines Schneeballsystems der Besteuerung, wenn der Anleger über diese, z.B. durch eine Wiederanlage (Novation), verfügen kann und der Schuldner der Kapitalerträge zu diesem Zeitpunkt leistungsbereit und leistungsfähig ist. Dies gilt auch dann, wenn das Schneeballsystem zu einem späteren Zeitpunkt zusammenbricht und der Anleger sein Geld verliert.

Abgeltungswirkung des § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG auch bei Nichtanmeldung und Nichtabführung der vom Betreiber einbehaltenen Kapitalertragsteuer

Der BFH urteilte nun, dass
  • die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG auch dann eintritt, wenn die bei der Auszahlung der Kapitalerträge einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht beim Finanzamt angemeldet und abgeführt wird und kein die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs ausschließender Fall nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 oder Satz 3 EStG vorliegt, 
  • dies auch dann gilt, wenn der Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte in Form von Scheinrenditen aus einem betrügerischen Schneeballsystem erzielt hat, für die aus seiner Sicht Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG einbehalten worden ist,
  • die Bemessungsgrundlage der von dem Steuerpflichtigen aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte sich nicht um die einbehaltene Abgeltungsteuer (Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag) mindert, wenn der Einbehalt nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG mit abgeltender Wirkung für Rechnung des Steuerpflichtigen als Gläubiger der Kapitalerträge erfolgt ist (anderer Ansicht Urteil des FG München vom 27.10.2017 – 2 K 956/16, BB 2018, 468),
  • und dass das Fehlen der aufsichtsrechtlichen Genehmigung nach § 32 KWG der Qualifikation eines Unternehmens als inländisches Finanzdienstleistungsinstitut i.S. des § 44 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG nicht entgegen steht, wenn es die Merkmale des § 1 Abs. 1a KWG erfüllt (Anschluss an BFH-Urteil vom 16.10.2002 - I R 23/02, BFH/NV 2003, 653).

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Auch bei der Frage der Abgeltungswirkung der vom Betreiber einbehaltenen Kapitalertragsteuer ist auf subjektive Sicht des Anlegers abzustellen

Nach Auffassung des BFH ist jedoch nicht nur bei der Besteuerung der Scheinrenditen auf die subjektive Sicht des Anlegers abzustellen, sondern auch bei der Frage, ob die Abgeltungswirkung für die von dem Betreiber des Schneeballsystems einbehaltene Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG) eintritt.

Abgeltung bei der Einkommensteuer sofern Anleger vom Steuerabzug bei den Scheinrenditen ausgehen konnte

Konnte der Anleger davon ausgehen, dass die Scheinrenditen dem Steuerabzug unterlegen haben, ist die Einkommensteuer abgegolten. Dies gilt auch dann, wenn die Kapitalertragsteuer von dem Betrüger nicht beim Finanzamt angemeldet und abgeführt wurde und dieser keine Genehmigung nach § 32 KWG hatte.

Zufluss der Scheinrenditen in voller Höhe – inkl. einbehaltener Kapitalertragsteuer

Die Scheinrenditen sind dem Anleger in diesem Fall allerdings in voller Höhe, also auch unter Berücksichtigung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer zugeflossen, da der Einbehalt für Rechnung des Steuerpflichtigen als Gläubiger der Kapitalerträge erfolgte.

Quelle: PM des Bundesfinanzhofs Nr. 017/21 vom 14.05.2021

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(ESV/fl)

Programmbereich: Steuerrecht