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Erbschaftsteuer kann gegen unbekannte Erben festgesetzt werden (Foto: Gina Sanders/stock.adobe.com)
Erbschaftsteuer

BFH zur Erbschaftsteuerfestsetzung gegen unbekannte Erben

ESV-Redaktion Steuern
15.10.2020
Nicht immer sind bei Erbvorgängen die Erben bekannt und müssen ggf. erst durch einen Nachlasspfleger ermittelt werden. Der Bundesfinanzhof hat aktuell zu der Rechtsfrage Stellung genommen, ob unbekannte Erben als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden können.
Nach dem nun veröffentlichten Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17.06.2020 – II R 40/17 können auch unbekannte Erben zur Erbschaftsteuer herangezogen werden. Zumindest dann, wenn ausreichend Zeit bestand, die wahren Erben zu ermitteln, dies aber nicht gelungen ist.

Im Streitfall war die Erbengemeinschaft nach dem im Februar 2014 verstorbenen Erblasser zunächst nicht ermittelbar. Es wurde ein Nachlasspfleger bestellt. Dieser gab eine Erbschaftsteuererklärung ab. Ca. 14 Monate nach dem Tod des Erblassers setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer gegen „unbekannte Erben“ fest. Es schätzte, dass 20 Personen, die nicht näher mit dem Erblasser verwandt waren und deshalb in die Steuerklasse III fielen, den Erblasser zu gleichen Teilen beerbt hätten. Der Bescheid wurde dem Nachlasspfleger bekannt gegeben. Dieser legte dagegen in Vertretung der unbekannten Erben Einspruch ein und monierte, dass er nicht ausreichend Zeit gehabt hätte, die Erben zu ermitteln. Das Finanzamt könne nicht einfach schätzen, wie viele Erben etwas geerbt hätten und wie hoch die Freibeträge seien. Daraufhin änderte das Finanzamt die Anzahl der Erwerber auf 30 Erben ab. Ansonsten hielt es die Erbschaftsteuerfestsetzung unverändert aufrecht.

Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos.

Festsetzung von Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben zulässig

Auch vor dem BFH drangen die Argumente der Kläger nicht durch. Er hielt die Revision der Kläger für unbegründet und wies sie zurück. Das Finanzgericht habe zu Recht geurteilt, dass die von dem Finanzamt gegenüber den unbekannten Erben vorgenommene Festsetzung von Erbschaftsteuer im Wege einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nicht zu beanstanden sei.

Er entschied, dass

  • die Festsetzung von Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben zulässig ist, wenn hinreichend Zeit zur Verfügung stand, die Erben zu ermitteln.
  • für eine Erbenermittlung, die keine besonderen Schwierigkeiten aufweist, ein Zeitraum von einem Jahr ab dem Erbfall in der Regel angemessen ist. Jedenfalls nach Ablauf von drei Jahren und fünf Monaten ist es auch bei besonders schwierigen Erbenermittlungen nicht zu beanstanden, Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben festzusetzen.
  • der Bescheid dem Nachlasspfleger bekanntzugeben ist.

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Gesetzgeber misst Rechtsfigur der unbekannten Erben als abstraktes Subjekt Qualität eines Steuerschuldners bei

Sind die Erben noch nicht bekannt und ist eine Nachlasspflegschaft angeordnet, kann Erbschaftsteuer gegen die „unbekannten Erben“ festgesetzt werden, stellten die Richter mit ihrer Entscheidung fest. Mit der Rechtsfigur der unbekannten Erben i.S. des § 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB sei als zunächst abstraktes Subjekt, das sich später als eine Person oder - wenn der Nachlasspfleger nicht von vornherein als Pfleger für eine Einzelperson bestellt worden sei - als eine Mehrheit konkreter Personen erweisen kann, ein Steuerschuldner vorhanden, der Beteiligter eines Steuerschuldverhältnisses sein könne.

Der Erlass nur eines Bescheids gegen eine Mehrzahl unbekannter Erben missachte nicht den Grundsatz, dass jeder Erwerber lediglich die Steuer für seinen eigenen Erwerb schulde (§ 10 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Dieses Prinzip habe zur Folge, dass jedem Erwerber ein gesonderter Steuerbescheid (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO) zu erteilen sei. Dem widerspreche die Steuerfestsetzung gegen mehrere unbekannte Erben nicht. Bei der Rechtsfigur der unbekannten Erben handele es sich nicht um eine Erbengemeinschaft, d.h. eine Mehrheit von Steuerschuldnern, sondern um ein abstraktes Subjekt, dem der Gesetzgeber die Qualität eines Steuerschuldners beigemessen habe. Der Erlass nur eines Bescheids gegen dieses Subjekt sei folgerichtig, so die Richter des BFH in ihrer Entscheidungsbegründung.

Finanzamt zur Schätzung befugt bei ausreichend bestehender Zeit für Nachlasspfleger zur Erbenermittlung

Das Finanzamt könne sich an den bestellten Nachlasspfleger wenden, der für die unbekannten Erben eine Erbschaftsteuererklärung abzugeben habe. Das Finanzamt dürfe dann die Anzahl der Erben, die Erbquoten, die Zugehörigkeit zu einer Steuerklasse und die anwendbaren Freibeträge schätzen. Eine Befugnis zur Schätzung bestehe erst, wenn der Nachlasspfleger ausreichend Zeit hatte, seine Pflicht zur Erbenermittlung und seine Mitwirkungspflichten aus § 34 Abs. 1 i.V.m. § 90 AO zu erfüllen. Welcher Zeitraum hierfür angemessen sei, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Im Allgemeinen gelte die Faustregel, dass ein Jahr ausreichend sei.

Keine Steuerfestsetzung gegen unbekannte Erben bei Ermittlung der Erben im finanzgerichtlichen Verfahren

Ruft der Nachlasspfleger das Finanzgericht an, dann muss dieses die Schätzung des Finanzamt voll überprüfen. Können die zunächst unbekannten Erben bis zum Schluss des Gerichtsverfahrens ermittelt werden, darf die Erbschaftsteuer aber nicht mehr gegen die unbekannten Erben festgesetzt werden. Werden die Erben auch im Verfahren vor dem Finanzgericht nicht ermittelt, kann das Gericht die Erbschaftsteuerschätzung gegen die unbekannten Erben aufrechterhalten und als seine eigene übernehmen. Der BFH ist in solchen Fällen dann ebenfalls an die Schätzung gebunden und kann sie nur auf grobe Fehler überprüfen.

Quelle: PM des Bundesfinanzhofs Nr. 040/20 vom 15.10.2020

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(ESV/fl)

Programmbereich: Steuerrecht