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Unverhältnismäßig hohe Geschäftsführer-Tätigkeitsvergütungen bei Körperschaften können als sog. Mittelfehlverwendungen zum Entzug der Gemeinnützigkeit führen (Foto: contrastwerkstatt/stock.adobe.com)
Abgabenordnung

BFH zur fehlenden Gemeinnützigkeit bei unverhältnismäßig hohen Geschäftsführervergütungen

ESV-Redaktion Steuern
20.08.2020
Die Angemessenheit von Geschäftsführer-Gehältern ist eine in Betriebsprüfungen oft auftretende Streitfrage. Der BFH hat aktuell in einem Fall darüber beurteilt, ob durch die zu hohen Gehälter der Geschäftsführer der GmbH ein Verstoß gegen die Mittelverwendung i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO vorliegt, der die Aberkennung der steuerlichen Gemeinnützigkeit rechtfertigt.
Gewährt eine gemeinnützige Körperschaft ihrem Geschäftsführer unverhältnismäßig hohe Tätigkeitsvergütungen, liegen nach dem nun veröffentlichten Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.03.2020 – V R 5/17 sog. Mittelfehlverwendungen vor, die zum Entzug ihrer Gemeinnützigkeit führen können.

Ob im Einzelfall unverhältnismäßig hohe Vergütungen anzunehmen sind, ist durch einen sog. Fremdvergleich zu ermitteln. Als Ausgangspunkt hierfür können allgemeine Gehaltsstrukturuntersuchungen für Wirtschaftsunternehmen herangezogen werden, ohne dass dabei ein „Abschlag“ für Geschäftsführer von gemeinnützigen Organisationen vorzunehmen ist. Da sich der Bereich des Angemessenen auf eine Bandbreite erstreckt, sind nur diejenigen Bezüge als unangemessen zu bewerten, die den oberen Rand dieser Bandbreite um mehr als 20 % übersteigen. Liegt ein unangemessen hohes Geschäftsführergehalt vor, ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Entzug der Gemeinnützigkeit allerdings erst dann gerechtfertigt, wenn es sich nicht lediglich um einen geringfügigen Verstoß gegen das Mittelverwendungsgebot handelt.

Im Urteilsfall hatte das Finanzamt einer gGmbH, die sich in der psychiatrischen Arbeit engagiert und in erster Linie Leistungen im Bereich der Gesundheits- und Sozialbranche erbringt, wegen unangemessen hoher Geschäftsführerbezüge die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2005 – 2010 versagt.

Das Finanzgericht hatte die dagegen erhobene Klage abgewiesen, da die Klägerin unangemessen hohe Jahresvergütungen an ihren Geschäftsführer gezahlt habe. Diese Zahlungen stellten Mittelfehlverwendungen dar, die zum Verlust der Gemeinnützigkeit führten.

Grundsätze der vGA zur Feststellung von Mittelfehlverwendungen heranzuziehen

Der BFH bestätigte diese Entscheidung im Wesentlichen. Lediglich in Bezug auf die Streitjahre 2006 und 2007 war die Revision der Klägerin erfolgreich, weil das Finanzgericht für das Jahr 2006 nicht berücksichtigt hatte, dass die Angemessenheitsgrenze lediglich geringfügig (um ca. 3.000 Euro) überschritten war und es für das Jahr 2007 unterlassen hatte, bei der Angemessenheitsprüfung einen Sicherheitszuschlag anzusetzen.

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Entzug der Gemeinnützigkeit bei Bagatellverstößen unverhältnismäßig

Der BFH urteilte, dass
  •   zur Feststellung von Mittelfehlverwendungen i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO durch überhöhte Vergütungen an den Geschäftsführer einer gemeinnützigen Körperschaft die Grundsätze der vGA zu berücksichtigen sind. Maßstab des externen Fremdvergleichs sind dabei die für vergleichbare Tätigkeiten auch von Wirtschaftsunternehmen gewährten Vergütungen.
  •   der für den Geschäftsführer liegende Vorteil in Höhe der fiktiven Jahresnettoprämie in die Gesamtausstattung einzubeziehen ist, wenn die Körperschaft ihrem Geschäftsführer eine Versorgungszusage gewährt, die über eine Unterstützungskasse erfüllt wird.
  •   ein Entzug der Gemeinnützigkeit bei kleineren Verstößen gegen das Mittelverwendungsgebot des § 55 AO unverhältnismäßig ist (Bagatellvorbehalt).

„Unverhältnismäßig“ in § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO im Grundsatz dieselbe Bedeutung wie „unangemessen“ im Bereich der vGA

Ob unverhältnismäßig hohe Vergütungen gewährt wurden, ist nach dem Urteil des BFH durch einen Fremdvergleich zu ermitteln. „Unverhältnismäßig“ in § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO habe im Grundsatz dieselbe Bedeutung wie „unangemessen“ im Bereich der vGA gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 7, so die Richter des BFH in ihrer Entscheidungsbegründung. In beiden Normbereichen gehe es darum, das Marktübliche durch eine am Drittvergleich orientierte Rechtsanwendung von der Begünstigung (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO) oder von der durch das Gesellschaftsverhältnis bedingten Vermögensminderung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) zu unterscheiden. Deshalb sei die Unverhältnismäßigkeit der Vergütung im Regelfall entsprechend den Grundsätzen der vGA zu bestimmen.

Weitreichende Bedeutung der Entscheidung für die Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften

Die Entscheidung des BFH ist von weitreichender Bedeutung für die Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, da es die Grundlagen für die Ermittlung von noch zulässigen Geschäftsführerbezügen aufzeigt und diese Grundsätze auch auf andere Geschäftsbeziehungen mit gemeinnützigen Körperschaften (z.B. Miet-, Pacht-, Darlehensverträge) angewendet werden können.

Quelle: PM des BFH Nr. 035/20 vom 20.08.2020

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(ESV/fl)

Programmbereich: Steuerrecht