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BGH: Überlassung eines digitalen Rechtsdokumente-Generators ist keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung (Foto: Song_about_summer / stock.adobe.com)
Digitale Rechtsdienstleistungen

BGH: Digitaler Rechtsdokumente-Generator keine unerlaubte Rechtsdienstleistung

ESV-Redaktion Recht
09.09.2021
Das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) erlaubt grundsätzlich nur bestimmten Berufsgruppen und Einrichtungen, rechtlichen Rat zu erteilen. Durch die voranschreitende Digitalisierung wird es jedoch immer schwerer, hier die Grenzen zu ziehen. So hatte auch ein Verlag seinen Kunden eine „digitale Rechtsabteilung“ bereitgestellt. Ob dies eine unerlaubte Rechtsleistung ist, die einen Wettbewerbsverstoß begründet, hat nun der I. Zivilsenat des BGH entschieden.

Ausgangspunkt des Streits: Generator für Rechtsdokumente = Rechtsdienstleistung?

Die Beklagte betreibt einen Verlag mit Tätigkeitsschwerpunkt in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Steuern. Sie ist nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und besitzt keine Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen. Jedoch gehört zu ihren Produkten unter anderem auch ein elektronischer Generator für Rechtsdokumente – in den Worten der Beklagten eine „digitale Rechtsabteilung“. Die Kunden der Beklagten können darüber Rechtsdokumente erwerben. Beliebt sind vor allem Verträge zu diversen Rechtsthemen. Um das Produkt, also beispielsweise den Vertrag, zu individualisieren, wird der Kunde durch einen Fragen-Antwort-Katalog geführt, der nach Darstellung der Beklagten „dem Gespräch mit dem Rechtsanwalt nachempfunden“ ist. Basierend auf den Angaben des Kunden wird dann das gewünschte Dokument erstellt.

Hierin sieht die Klägerin, eine Rechtsanwaltskammer, einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.


Keine Einigkeit bei den Instanzgerichten

Während die Ausgangsinstanz der Klägerin Recht gegeben und einen Verstoß gegen das RDG durch die Beklagte annahm, hat das OLG auf die Berufung der Beklagten hin die Klage abgewiesen. Das OLG sieht in dem Angebot der Beklagten keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung nach § 3 RDG. Die Haupttätigkeit der Beklagten sei das Entwickeln und Bereitstellen der Software.

Diese Tätigkeit erfolgt nach Ansicht des OLG aber weder in einer konkreten fremden Angelegenheit noch bedarf sie einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls. Gleiches gilt auch dann, wenn ein Kunde das Programm in eigener Sache benutzt, so die Kölner Richter. Denn das Programm laufe nur nach einer festgelegten Routine ab und der vom Kunden geschilderte Sachverhalt werde lediglich in ein vorgegebenes Raster eingefügt. Hiergegen hat die Klägerin Revision eingelegt und erstrebt vor dem BGH die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

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BGH: Generator entwickelt lediglich standardisierte Vertragsklauseln

Der I. Zivilsenat des BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Demnach ist die Erstellung von Vertragsentwürfen unter Einsatz eines digitalen Rechtsdokumentengenerators  keine unerlaubte Rechtsdienstleistung nach § 2 Absatz 1 und § 3 des RDG. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:

  • Keine Tätigkeit in fremden Angelegenheiten: Die mit der Software erstellten und im Internet abrufbaren Vertragsdokumente werden anhand der Antworten der Nutzer erstellt. Hierbei, so der Senat weiter, wird die Beklagte nicht in einer konkreten Angelegenheit des Nutzers tätig.
  • Ähnlichkeit mit Formularhandbuch: Grundlage der Software sind aber nur denkbare typische Sachverhaltskonstellationen mit vorgegebenen Antworten. Hieraus entwickelt die Software dann standardisierte Vertragsklauseln. Dabei werden die ganz individuellen Verhältnisse des Nutzers, die über den üblichen Fall hinausgehen, nicht berücksichtigt – ähnlich wie bei einem Formularhandbuch.
  • Nutzer erwartet keine rechtliche Prüfung: Aus diesen Gründen erwartet der Nutzer dem Senat zufolge auch keine abschließende rechtliche Prüfung seines konkreten Einzelfalls durch die Beklagte.
Damit ist der Vertragsgenerator auch nicht unlauter im Sinne von § 3a UWG, so die Karlsruher Richter abschließend.

Quelle: PM des BGH vom 09.09.2021 zur Entscheidung vom selben Tag – I ZR 113/20
 

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(ESC/mb/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht