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BGH: Seit dem 22.12.2002 gelten auch für die Übernahme von kürzesten Tonsequenzen die einschränkenden Regelungen der EU-Richtlinie 2001/29/EG (Foto: Africa Studio / stock.adobe.com)
Urheber-und Leistungsschutzrecht

BGH erlaubt Sampling nur unter engen Voraussetzungen

ESV-Redaktion Recht
12.05.2020
Nur zwei Sekunden lang dauert ein kleiner Tonschnipsel, der die Gerichte schon länger als 20 Jahre beschäftigt. Allein der BGH musste sich nun vier Mal mit der Frage auseinandersetzen, ob Musikproduzent Moses Pelham die Tonfolgen von Kraftwerk übernehmen durfte. Dennoch ist die scheinbare Endlosschleife noch nicht ganz beendet.
Der Rapper und Musikproduzent Moses Pelham hatte kurze Rhythmussequenzen der Kultband Kraftwerk in einen Song für Sabrina Setlur mit dem Titel „Nur mir“  hineinkopiert. Ein Bandmitglied der Pioniere des E-Pops betrachtete dies als Diebstahl. Er sah seine Leistungsschutzrechte als Tonträgerhersteller verletzt. Pelham meint allerdings, dass sein Verhalten von der Kunstfreiheit gedeckt ist. Sampling habe gerade im Hip-Hop eine ganz große Bedeutung.

BVerfG: Übernahme der Rhythmussequenz ist Teil eines neuen Werks 

Das BVerfG gab Pelham im Jahr 2016 Recht. Dementsprechend hoben die Karlsruher Verfassungshüter eine für Pelham ungünstige Entscheidung des I. Zivilrechtssenats des BGH auf und verwiesen die Sache zurück. Die Leitgedanken des BVerfG: Der unmittelbare Zugriff auf das Originaltondokument ist Teil eines experimentell synthetisierenden Schaffensprozesses. Ähnlich wie bei Collagen ist die Übernahme der Tonfrequenz damit Teil eines neuen Werks.

BVerfG: Grundrecht auf Sampling für Hip-Hopper?

Beim Sampling übernehmen Musiker oft ungefragt Tonsequenzen aus fremden Liedern. Doch ist das erlaubt? Der Produzent Moses Pelham hat im Streit mit der Band Kraftwerk in dieser Frage vor dem Bundesverfassungsgericht einen Etappensieg errungen. mehr ...


EuGH: Durchschnittshörer darf übernommene Tonsequenz nicht wiedererkennen

Der I. Zivilsenat des BGH rief daraufhin den EuGH an. Die Luxemburger Richter sollten die Frage beantworten, ob die Ausnahmen für eine freie Benutzung nach deutschem Recht gegen EU-Recht verstoßen.  

Der EuGH meinte, dass Sampling nur unter engen Voraussetzungen von der Kunstfreiheit gedeckt sein kann. Dabei bezog er sich auf die EU-Richtlinie (2001/29/EG) und führte aus, dass eine übernommene Tonsequenz verändert werden müsse. Zudem darf die Sequenz in dem neuen Stück für einen Durchschnittshörer nicht wiedererkennbar sein.
 
EuGH: Sampling in engen Grenzen erlaubt

Musikalisches Sampling ist die Übernahme von Tonfolgen in eigene Musikproduktionen. Ob das erlaubt ist, darüber streiten Musikproduzent Moses Pelham und die Gruppe Kraftwerk seit über 20 Jahren. Nun hat der EuGH hierüber entschieden und die „Endlos-Schleife“ wohl fortgesetzt. mehr …


BGH differenziert nun zwischen Rechtslage vor und nach 2002

Der BGH unterscheidet für die Lösung des Falles nun wie folgt:

  • Rechtslage vor Geltung der EU-Richtlinie: Vor Geltung der EU-Richtline 2001/29/EG durfte Pelham die umstrittene Tonfolge in seinen Song einbauen. Bis dahin war das Sampling eine freie Werknutzung im Sinne von § 24 Absatz 1 UrhG. Der I. Zivilsenat des BGH konnte in der übernommenen Tonsequenz nämliche keine Melodie im Sinne von § 24 Absatz 2 UrhG erkennen. Diese Norm hätte eine freie Werknutzung wiederum ausgeschlossen.
  • Rechtlage ab Geltung der EU-Richtlinie: Ab der Geltung der EU-Richtlinie 2001/29/EG – also ab dem Stichtag 22.12.2002 – durfte Pelham seinen Song aber nicht mehr mit der Rhythmussequenz von Kraftwerk produzieren, denn seit diesem Zeitpunkt gelten für solche Nutzungen die restriktiveren Bestimmungen der benannten EU-Urheberrechtsrichtlinie. Auch auf weitere mögliche Ausnahmen, wie etwa auf ein Zitat oder eine Parodie, kann sich Pelham wohl nicht mehr berufen.
Tonsequenz wiedererkennbar

Hinsichtlich der Wiederkennbarkeit der Audiosequenz verwies der Senat dann auf die tatsächlichen Feststellungen des OLG Hamburg als Berufungsinstanz. Danach hatte Pelham die Rhythmussequenz von Kraftwerk zwar leicht verändert – allerdings in wiedererkennbarer Form. Somit ist eine Übernahme nach dem obigen Stichtag nicht mehr von der benannten EU-Richtlinie gedeckt.

Rückverweisung an das OLG Hamburg

Die obersten Zivilrichter aus Karlsruhe verwiesen die Sache trotzdem noch einmal an das OLG Hamburg zurück. Das OLG muss nun klären, ob Pelham ab dem 22.12.2002 noch Tonträger mit dem Song vervielfältigt hat. Hiervon, so der BGH, sei nicht ohne Weiteres auszugehen. 

Quelle: PM des BGH vom 30.4.2020 zum Beschluss vom selben Tag – I ZR 115/16



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Schwerpunkte

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  • Kleine-Münze und ihre ökonomische Komponente
  • Schaffen eines Werks in Teamarbeit
  • Erschöpfung bei elektronischer Verwertung
  • Schrankenregelungen bei neuen medialen Entwicklungen
  • Auswirkungen der Digitalisierung im Bereich der Leistungsschutzrechte

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(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht