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BGH: Keine Aufhebung der Maskenpflicht an Schulen über familienrechtliche Verfahren nach § 1666 BGB (Foto: Halfpoint / stock.adobe.com)
Corona – Familiengerichtliche Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung

BGH: Familiengerichte können gegenüber Schulen keine Anordnungen in Bezug auf Corona-Schutzmaßnahmen treffen

ESV-Redaktion Recht
28.10.2021
Das AG Weimar sorgte im Frühjahr 2021 für Verwirrung, indem es im Rahmen eines familiengerichtlichen Verfahrens an zwei Schulen unter anderem die Maskenpflicht aufheben wollte. Anschließend gingen allein beim AG-Familiengericht Hannover mehr als 100 gleichlautende Anträge ein, die die Richterkollegen aus Niedersachsen jedoch ablehnten. Nachdem sich unter anderem auch das VG Weimar, das OLG Frankfurt und das BVerwG mit der Frage beschäftigt hatten, nahm nun auch der BGH Stellung.
In dem Streitfall hatte die Mutter eines 15jährigen Kindes das AG-Familiengericht Wesel darum gebeten, ein Verfahren nach § 1666 BGB zu eröffnen. Zudem regte sie an, die schulischen Maßnahmen, die die Verbreitung von Corona verhindern sollten, vorläufig auszusetzen. Dies betraf vor allem die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, Abstandsgebote und gesundheitliche Testungen.
 

AG Familiengericht Wesel: Verwaltungsrechtsweg eröffnet

Das Familiengericht sah den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten jedoch als unzulässig an und verwies das Verfahren an das Verwaltungsgericht. Dieses wiederum hielt das Familiengericht für zuständig und meinte, dass die Verweisung an das Verwaltungsgericht wegen eines groben Verfahrensverstoßes nicht bindend wäre. Daraufhin legte das Familiengericht die Sache dem BGH vor. Nun sollten die obersten deutschen Zivilrichter in Karlsruhe das zuständige Gericht bestimmen.

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BGH: Familiengerichtliches Verfahren hätte eingestellt werden müssen

Der XII. Zivilsenat des BGH meint, dass bei einem solchen „negativen Kompetenzkonflikt“ zwischen Gerichten aus unterschiedlichen Gerichtszweigen das oberste Bundesgericht entscheidungsbefugt ist, das einem der an dem Konflikt beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angerufen wird. In dem Streitfall ist dies dem Senat zufolge der BGH. Die weiteren Überlegungen des Senats:
 
  • Kindeswohlgefährdung als Ausgangspunkt: Bei einer Gefährdung des Gefährdung des Kindeswohls hat das Familiengericht – von Amts wegen – die Maßnahmen zu ergreifen, die zur Abwendung der Gefährdung notwendig sind.
  • Maßnahmen zwar auch gegen Dritte möglich: In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen gegen Dritte treffen. Dies ergibt sich nach Ansicht des Senats aus § 1666 Absätze 1 und 4 BGB.
  • Aber – keine Befugnis zur Anordnung gegenüber Schulen: Hieraus ergibt sich nach weiterer Auffassung des Senats aber nicht die Befugnis zum Erlass von Anordnungen gegen Schulen. Zwar sind auch die Schulbehörden aufgrund des schulischen Sonderrechtsverhältnisses an die Grundrechte gebunden, die das Kindeswohl schützen. Allerdings ist für die gerichtliche Kontrolle in diesen Fällen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Dies, so der Senat weiter, gilt auch für Infektionsschutzmaßnahmen.
  • Keine Rechtswegverweisung an das Verwaltungsgericht: Wegen unterschiedlicher Prozessgrundsätze in den familiengerichtlichen Verfahren einerseits und dem Klage- bzw. Antragsverfahren im Verwaltungsrechtsweg andererseits scheidet eine Verweisung auf den Verwaltungsrechtsweg aus. Das familiengerichtliche Verfahren hätte deswegen ohne Rechtswegverweisung eingestellt werden müssen.
Quelle: PM des BGH vom 27.10.2021 zur Entscheidung vom 06.10.2021 – XII ARZ 35/21 

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(ESV/bp)
 

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht