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BGH: Dreimaliges Stoßlüften von zehn Minuten gegen Bildung von Schimmel ist zumutbar (Foto: Mihail/Fotolia.com)
Mangel der Mietwohnung

BGH: Keine Mietminderung für bloße Gefahr von Schimmelbildung

ESV-Redaktion Recht
12.12.2018
Schimmel in der Wohnung ist ein Dauerbrenner für Konflikte zwischen Vermieter und Mieter. Der BGH hat nun darüber entscheiden, ob schon die Gefahr der Schimmelbildung durch bauliche Wärmebrücken ein Mietmangel ist und welche Art der Belüftung dem Mieter zuzumuten ist.
Geklagt hatten zwei Mieter von Wohnungen, die 1968 und 1971 errichtet wurden. Beim Bau wurden die damals gültigen Bauvorschriften beachtet. Die Kläger berufen sich nun aber auf Mängel ihrer Wohnungen, die aus der bloßen Gefahr einer Schimmelbildung resultieren: Sie begründen dies damit, dass die Schimmelgefahr vor allem im Winter durch baulich versursachte Wärmebrücken entstehe. Dies ergebe sich auch aus den aktuell gültigen DIN-Vorschriften und dem Umstand, dass der Mieter dies allein mit alltagsüblichem Lüftungs- und Heizverhalten nicht verhindern könne. Die wesentlichen Begründungen der Mieter:
  • Keine Mindesttemperaturen: Vom Mieter könne nicht verlangt werden, dass er ein Schlafzimmer auf mehr als 16 Grad und die übrigen Zimmer auf mehr als 20 Grad beheize.
  • Lüften und Durchzug: Gleiches gelte für das sogenannte Querlüften. Insoweit könne dem Mieter nicht mehr als ein zweimaliges Stoßlüften von bis zu zehn Minuten pro Tag abverlangt werden.
  • Aufstellung von Möbeln: Ebenso wenig müsse dieser nicht darauf verzichten, seine Möbel ohne Abstand an den Außenwänden aufzustellen.
  • Keine weiteren Einschränkungen des vertragsmäßigen Gebrauchs: Solange der Mieter die Wohnung vertragsgemäß gebraucht, wäre es unerheblich, wieviel Feuchtigkeit durch das konkrete Nutzungsverhalten der jeweiligen Mieter entstehe. 

Mindeststandard „zeitgemäßen Wohnens“

Dass die Wohnungen zur Zeit ihres Baus den geltenden Bauvorschriften und  den damaligen Regeln der Baukunst entsprochen haben, halten die Kläger ebenfalls für nicht entscheidend. Der Mieter könne nach der Verkehrsanschauung stets einen „Mindeststandard zeitgemäßen Wohnens“ erwarten, der die heutigen Maßstäbe erfülle – und zwar ohne besondere Vereinbarung.

Würde es unter den benannten Bedingungen dennoch zu einer Schimmelgefahr kommen, liegt den Klägern zufolge bereits hierin ein bauseits bedingter Mangel, den der Vermieter zu vertreten hat. Es komme nicht darauf an, ob bereits Schimmel aufgetreten sei.

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LG Lübeck: Minderung berechtigt

Das Berufungsgericht – das Landgericht Lübeck – hat sich der Auffassung der Kläger in beiden Verfahren angeschlossen und eine Minderung der jeweiligen Bruttomiete festgestellt. In einem der Verfahren hat es die Beklagte darüber hinaus zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 12.000 Euro für die Anbringung einer Innendämmung verurteilt. Das LG hatte in beiden Verfahren aber die Revision zugelassen.

BGH: Maßstab sind die baurechtlichen Vorgaben zur Zeit der Errichtung

Nach Auffassung des VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sind die Wärmebrücken in den Außenwänden kein Sachmangel. Dabei stellte der Senat darauf ab, dass dieser Zustand den Bauvorschriften und technischen Normen zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes entspricht. Die tragenden Gründe:
  • Bauliche Normen können Maßstab für Mangel sein: Dem Senat zufolge definieren auch bauliche Vorgaben und technische Normen den Maßstab für Mietmängel. Streit bestand aber darüber, ob die Standards zum Zeitpunkt der Errichtung der Wohnungen oder die aktuellen Vorgaben einzuhalten sind.   
  • Maßstab zum Zeitpunkt der Errichtung: Die beiden Wohnung entsprachen nur den Vorgaben zur Zeit ihrer Errichtung. Darin sah der Senat aber keinen Mangel. Denn 1968 und 1971 bestand noch keine Verpflichtung, Gebäude mit einer Wärmedämmung auszustatten. Somit gehörten Wärmebrücken zum allgemein üblichen Bauzustand. Das vom Landgericht angeführte Recht auf „zeitgemäßes Wohnens“ rechtfertigt dem Senat zufolge nicht, dass der Mieter – unter einseitiger Berücksichtigung von Mieterinteressen – die Erfüllung heutiger Maßstäbe erwarten dürfe.
  • Kein Neubaustandard durch die Hintertür: Die Argumentation des LG würde nach Senatsauffassung aber bedeuten, auch für eine nicht sanierte – oder nicht modernisierte – Altbauwohnung einen Neubaustandard zugrunde zu legen, und zwar unabhängig von konkreten Vereinbarungen der Vertragsparteien. Dies ist ersichtlich rechtsfehlerhaft.

Vorbeugemaßnahmen für Mieter zumutbar

Der VIII. Zivilsenat trat auch der Annahme des Berufungsgerichts entgegen, nach der das abzuverlangende Lüftungsverhalten für einen Mieter unzumutbar ist. Dem Senat zufolge kommt es bei der Lüftung der Wohnräume auf alle Umstände des Einzelfalls an. Auf den Streitfall bezogen äußerte sich der Senat nach den Feststellungen eines Sachverständigen in der Berufungsinstanz wie folgt:
  • Stoßlüften: Ein zweimaliges Stoßlüften von rund 15 Minuten am Tag oder täglich ein dreimaliges Stoßlüften von etwa rund 10 Minuten reicht aus, um eine Schimmelpilzbildung an den Außenwänden zu vermeiden.
  • Querlüften: Beim „Querlüften – das heißt beim gleichzeitigen Öffnen mehrerer Fenster – würde sich die erforderliche Lüftungszeit auf ein Drittel der angegebenen Zeiten reduzieren lassen.
Diese Vorbeugemaßnahmen sah der Senat als zumutbar an. Isoweit haben die klagenden Mieter also weder Minderungsansprüche noch einen Anspruch auf Kostenvorschuss für die Anbringung einer Innendämmung.

In dem Verfahren VIII ZR 271/17 hatte das Berufungsgericht auch Durchfeuchtungen des Mauerwerks infolge schadhaft gewordener Bauteile festgestellt. Hinsichtlich dieser Mängel hat der Senat die Sache wegen der Höhe der hierfür anzusetzenden Minderung an das LG Lübeck zurückverwiesen.

Quelle: PM des BGH zu seinen Urteilen vom 05.12.2018 – AZ: VIII ZR 271/17 und VIII ZR 67/18

Berliner Kommentar Mietrecht

Herausgeber: Joachim Spielbauer und Joachim Schneider  

Brandaktuell: Alle praxisrelevanten Probleme aus Miete und Leasing werden von den versierten Praktikern wieder ausführlich behandelt. Damit Sie in jedem Fall schnell zu richtigen Entscheidungen und optimalen Gestaltungsergebnissen kommen. Mietrecht ist Fallrecht. Entsprechend groß ist der Einfluss der Rechtsprechung mit der Flut an neuen Entscheidungen, etwa zu folgenden Themen:
  • Wirksamkeit von Schönheitsreparaturklauseln bei unrenoviertem Wohnraum
  • Praktische Auswirkungen der „Mietpreisbremse“
  • Verletzung der Anbietpflicht nach Eigenbedarfskündigung
  • Formelle Wirksamkeit von Betriebskostenabrechnungen
  • Beschränkung der Minderung bei Umweltmängeln (ortsübliche Immissionen)

(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht