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Bundesgerichtshof in Karlsruhe hebt Berliner Raser-Urteil auf (Foto. Shutter81/Fotolia.com)
Mord oder fahrlässige Tötung?

BGH kippt Berliner Autoraser-Urteil

ESV-Redaktion Recht
01.03.2018
Im Februar 2017 hatte das LG Berlin zwei Autoraser wegen Mordes verurteilt. Sie hatten bei einem illegalen Autorennen einen schweren Verkehrsunfall verursacht, bei dem ein Mensch starb. Zur Frage, ob dies Mord war, nahm der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell Stellung.
Die beiden angeklagten Fahrer waren zur Tatzeit 24 und 26 Jahre alt. Nach den Feststellungen des Landgerichts (LG) Berlin als Ausgangsinstanz befuhren sie nachts gegen 0:30 Uhr mit ihren leistungsstarken PKW den Kurfürstendamm in Berlin. Kurz hinter dem Adenauerplatz verabredeten sie spontan ein Wettrennen in Form eines sogenannten Stechens entlang des Kurfürstendamms und der Tauentzienstraße.

Nachdem sie bereits mehrere Kreuzungen passiert hatten, fuhren sie bei Rotlicht und mit Geschwindigkeiten zwischen 139 bis 149 km/h bzw. zwischen 160 bis 170 km/h in den Kreuzungsbereich Tauentzienstraße/Nürnberger Straße ein. Einer der Angeklagten kollidierte dann mit dem Fahrer eines anderen Fahrzeuges. Dieser war bei grün aus der Nürnberger Straße gekommen und in die Kreuzung eingefahren. Noch am Unfallort erlag dieser Fahrer seinen schweren Verletzungen. Auch die Beifahrerin einer der Angeklagten wurde bei dem Unfall verletzt.


Angeklagte: „Wir wollten keinen Menschen töten”

Die Angeklagten erklärten, dass sie keinen Menschen töten wollten. Vielmehr hätten Sie darauf vertraut, dass alles gut gehen werde. Vor allem aufgrund ihres fahrerischen Könnens glaubten Sie, alles unter Kontrolle zu haben.   


LG Berlin: Täter hatten Eventualvorsatz

Dem Richterspruch aus Berlin zufolge handelten beide Fahrer mit Eventualvorsatz. Danach hatten die Täter den Kurfürstendamm mit extremer Geschwindigkeit befahren. Dieser, so das LG, wäre auch nachts eine der belebtesten Straßen Berlins in der Nähe des KaDeWe. Zudem hätten sie im Verlauf ihres Rennens mehrere rote Ampeln missachtet. Auch Bremsversuche kurz vor der Kollision konnte der eingesetzte Gutachter nicht erkennen. All dies deutete den LG-Richtern zufolge auf eine hohe Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschenleben hin und wertete die Tat als Mord mit gemeingefährlichen Mitteln nach § 211 StGB.


BGH: Kein Mordvorsatz

Der BGH meint, dass das LG den Vorsatz der Täter nicht belegt habe. Diese hätten nicht mit dem bedingten Tötungsvorsatz gehandelt, der mindestens erfordlerlich sein, begründete der 4. Strafsenat des BGH seine Entscheidung. 

Die Karlsruher Richter wiesen die Sache an eine andere Kammer des LG Berlin zurück. Diese muss die Angelegenheit nun neu verhandeln und entscheiden, wobei folgende Aspekte zum Tragen kommen: 

  • Geringere Strafe möglich: Die Täter haben damit Aussicht auf eine wesentlich geringere Strafe.
  • Erneute Verurteilung wegen vorsätzlichem Tötungsdelikt möglich: Gleichwohl ist damit eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikt noch nicht vom Tisch, da der 4. Strafsenat des BGH einen Einzelfall entschieden hat, wie er selber betont hat.
„Raser-Fall“-Standpunkt – Ass. Jur. Bernd Preiß (ESV-Redaktion Recht)
  • Der 4. Strafsenat argumentiert, dass nach den Feststellungen der Berliner Richter das Geschehen, das zu dem tödlichen Unfall führte, bereits unumkehrbar in Gang gesetzt war. Und dies bereits bevor die für die Annahme eines Tötungsvorsatzes erforderliche Vorstellung bei den Angeklagten entstanden war. Damit hätten die Täter den Vorsatz zu spät gefasst.
  • Diese Ausführungen erscheinen lebensfremd. Wer sich dazu entschließt, mit 170 km/h bei rot in eine offensichtlich belebte Kreuzung mit Querverkehr einzufahren, hat auch vor Augen, dass er mit kreuzenden Fahrzeugen kollidieren kann. Angesichts dieser hohen Geschwindigkeit drängt es sich geradezu auf, dass sich hierbei auch Unfälle mit tödlichem Ausgang ereignen, denn eine Kreuzung ist eben nicht vollkommen einsehbar. Bei Fahrern, die eine rote Ampel sehen, dennoch mit unverminderter Geschwindikeit von 170 km/h weiterfahren und glauben, alles unter Kontrolle zu haben, sind wohl ernsthafte Zweifel an deren Schuld- und Einsichtsfähigkeit angebracht. 
  • Wer aber unter den beannten Umständen als normal verständiger Fahrer dennoch in eine solche Kreuzung einfährt weiß, dass er sich seiner Kontrolle entledigt. Stellt er dennoch sein Ziel, das Rennen gewinnen zu wollen und den „Kick“ der hohen Geschwindigkeit über die Sicherheit aller anderen Verkehrsteilnehmer, nimmt sehr wohl auch den Tod unbeteiligter Verkehrsteilnehmer billigend in Kauf. Dies macht den dolus eventualis aus und dies hat das LG Berlin zutreffend ausgeführt.
  • Damit liegen zwar nicht zwingend auch Mordmerkmale vor. Die Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts lässt sich aber sehr wohl vertreten. Die Annahme nur fahrlässigen Handelns erscheint angesichts dieses Geschehensablaufs kaum als adäquate Würdigung des Geschehens auf dem Berliner Ku’damm vor etwa zwei Jahren.   

Quelle: PM des Bundesgerichtshofs vom 01.03.2018 zu den Urteilen vom selben Tag - AZ: 4 StR 311/17 - Vorinstanz LG Berlin, AZ: 535 Ks 8/16

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(ESV/bp)

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